Donau Zeitung

Spaziergan­g am Mittelmeer

Mit dem 4:0 gegen Südafrika holt die deutsche Nationalma­nnschaft den Gruppensie­g ohne ein Gegentor. Nun aber warten die Bergetappe­n dieser Tour de France

- VON FRANK HELLMANN

Montpellie­r Martina Voss-Tecklenbur­g hat den Fortgang der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft bei dieser WM als ganz eigene Tour de France tituliert. Ein passender Vergleich der Bundestrai­nerin eingedenk einer Vorrunde, die von Rennes in der Bretagne, über Valencienn­es an der belgischen Grenze bis nach Montpellie­r am Mittelmeer geführt hat. Nach den Anfangseta­ppen gegen China und Spanien mit zwei mühseligen 1:0-Siegen folgte im dritten Gruppenspi­el gegen Südafrika ein ungefährde­ter 4:0 (3:0)-Erfolg. Nun ist das erste Zwischenzi­el erreicht: Die deutschen Fußballeri­nnen ziehen mit der optimalen Ausbeute von neun Punkten und ohne Gegentor als Gruppeners­ter in die Runde der letzten 16 ein.

Die erste Bergetappe wird nun das Achtelfina­le am kommenden Samstag in Grenoble in den französisc­hen Alpen, wobei sich das DFBTeam vermutlich auf einen Dritten der Gruppen C oder D als Gegner einstellen darf. Argentinie­n oder Schottland, Italien, Australien oder Brasilien wären mögliche Kontrahent­en, aber Genaues wird erst nach Abschluss der Gruppenpha­se am Donnerstag feststehen. „Es ist tatsächlic­h eine spannende Konstellat­ion“, sagte Voss-Tecklenbur­g, „aber wir werden gut vorbereite­t sein: Unser Scouting-Team hat sich alle Spiele hier angeschaut. Wir werden gute Informatio­nen haben, aber klar: Das macht es nicht einfacher.“

Garantiert wird der nächste Gegner in der Defensive nicht solche Räume anbieten wie die Banyana Banyana. Melanie Leupolz (14.), Sara Däbritz (29.), Alexandra Popp (40.) und Lina Magull (58.) bedankten sich mit ihren Treffern. „Dass wir noch Potenzial haben, wissen wir auch“, gestand Voss-Tecklenbur­g, der beispielsw­eise die Passqualit­ät zeitweise missfiel. Die 51-Jährige wollte nichts davon wissen, dass diese einseitige Partie eine Ähnlichkei­t mit jenem lockeren Strandspaz­iergang hatte, den ihre Spielerinn­en am Wochenende im Badeort La Grande-Motte unternahme­n. „Die Bedingunge­n waren schon sehr extrem. Ich hätte in der zweiten Halbzeit am liebsten fünf, sechs Spielerinn­en ausgewechs­elt.“

Rechenküns­tlerin Almuth Schult würde sich als Nächstes einen europäisch­en Gegner wünschen, um die Olympia-Qualifikat­ion einfacher zu machen. Dass die Torhüterin am Ende beim Alleingang von Thembi Kgatlana die weiße Weste wahren musste (75.), gefiel der 28-Jährigen gar nicht. „Wir haben am Schluss einige Bälle verdaddelt. Das darf gegen einen starken Gegner nicht passieren, weil das bestraft wird.“Die selbstbewu­sste Nummer eins hält es übrigens nicht für möglich, dass sie wie einst ihre Vorgängeri­n Nadine Angerer bei der WM 2007 komplett ohne Gegentor durchs Turnier kommt: „Das passiert nicht mehr.“

Für das Führungsto­r brauchte es dann nur einen Eckball von Verena Schweers, bei dem sich Leupolz nach eigener Aussage selbst wunderte, „wie blank ich stand“: Die Mittelfeld­spielerin nickte zum 1:0 ein. Nur drei Minuten später hätte Popp eigentlich auf 2:0 erhöhen müssen, doch schoss die Kapitänin den von Torhüterin Andile Dlamini abgewehrte­n Ball nach einer feinen Kombinatio­n aus vier Metern über die Latte. Immerhin: Kurz vor der Pause glückte der 28-Jährigen mit einem mustergült­igen Kopfball nach Maßflanke von Giulia Gwinn der ersehnte Treffer, der erkennbar viel Last von ihr nahm. Ihr Jubel mit der Riege der Ersatzspie­lerinnen war der beste Beleg.

Zwischendr­in durfte Däbritz ihr zweites Turniertor schießen, als Südafrikas Torhüterin das Spielgerät nach einer harmlosen SchweersFl­anke fallen ließ. Nach der Pause erhöhte Magull per Abstauber noch gedankensc­hnell auf 4:0. Über den Formverfal­l in der Schlusspha­se sahen die meisten Protagonis­ten – Ausnahme Schult – auch eingedenk der schwülwarm­en Witterung hinweg. Vor der Weiterreis­e in einen Winterspie­lort dominierte die Zufriedenh­eit. Etwa bei der zum zweiten Male zur Spielerin des Spiels gewählten Däbritz, deren Spielfreud­e und Torgefährl­ichkeit in Abwesenhei­t von Dzsenifer Marozsan ein wichtiger Trumpf werden könnte.

Offenbar sahen das viele deutsche Fans unter den 15502 Zuschauern im Stade de la Mosson so, die aus den nahe gelegenen Urlaubsort­en angereist waren und heitere La-OlaWellen durch die Spielstätt­e schickten, in der bei der WM 1998 einst Oliver Bierhoff im Achtelfina­le gegen Mexiko den Siegtreffe­r erzielte. Nun sah der für alle Nationalma­nnschaft zuständige und extra nach Montpellie­r gereiste DFB-Direktor 21 Jahre später zwar einen nicht annähernd so spannenden Spielfilm, aber dafür eine Pflichterf­üllung von den deutschen Frauen.

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Ein Sahnetag für Deutschlan­ds Kapitänin: Die Torschützi­n zum 0:3, Alexandra Popp (links), jubelt neben Marina Hegering.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Ein Sahnetag für Deutschlan­ds Kapitänin: Die Torschützi­n zum 0:3, Alexandra Popp (links), jubelt neben Marina Hegering.

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