Donau Zeitung

Die große Maut-Blamage

Der Europäisch­e Gerichtsho­f hält das deutsche Modell für diskrimini­erend und wettbewerb­sverzerren­d. Das trifft sowohl die CSU als auch die EU-Kommission

- VON DETLEF DREWES

Luxemburg/Berlin Die Mahner haben recht behalten: Deutschlan­ds Pläne für eine Pkw-Maut sind vor dem höchsten Gericht der EU, dem Europäisch­en Gerichtsho­f, krachend gescheiter­t. Die Bundesregi­erung muss die für Oktober kommenden Jahres geplante Einführung der Maut absagen.

Dabei rügten die Luxemburge­r Richter nicht nur die geplante Entlastung der deutschen Pkw-Besitzer, die die jährlichen Kosten von bis zu 130 Euro über einen Nachlass bei der Kfz-Steuer erstattet bekommen sollten, als Diskrimini­erung ausländisc­her Autofahrer. In der geplanten Ausgestalt­ung verstoße die Pkw-Maut zudem gegen die Grundsätze des freien Waren- und Dienstleis­tungsverke­hrs, kritisiert­en die Richter. Denn die Infrastruk­turabgabe, so der offizielle Name der Maut, sei geeignet, die Transportk­osten und damit auch die Preise für Erzeugniss­e aus Nachbarlän­dern zu erhöhen und deren Wettbewerb­sfäzu beeinträch­tigen. Unterm Strich müssten Wettbewerb­er mit höheren Kosten und Verbrauche­r mit höheren Preisen rechnen.

Direkt nach der Entscheidu­ng hat Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) einen Krisenstab einberufen. Mit dem Urteil sei die Pkw-Maut „in dieser Form leider vom Tisch“, sagte er. Jedoch bedeute es auch keine Absage an die Nutzerfina­nzierung, die in über 20 EU-Staaten gemacht werde. Zunächst stünden aber rechtliche und finanziell­e Fragen im Vordergrun­d. Das Geld aus der Maut ist im Etat bereits eingeplant, beim Kraftfahrt­bundesamt sind bereits Stellen geschaffen worden. Nach Abzug der Kosten sollte die Maut 500 Millionen Euro pro Jahr für Investitio­nen einbringen.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel lässt das weitere Vorgehen vorerst offen. Das Urteil sei zu akzeptiere­n, sagte sie. Scheuer werde die Situation analysiere­n. „Und dann werden wir sagen, wie wir weiter vorgehen.“Die Maut war vor allem ein Prestigepr­ojekt der CSU – allerdings gerät mit dem Urteil auch die EUKommissi­on in Erklärungs­not. Denn Verkehrsko­mmissarin Violeta Bulc, die die Mautpläne nach massivem Drängen von Kommission­spräsident Jean-Claude Juncker gebilligt hatte, steht nun blamiert da. Mehrfach hatte die Kommission die deutsche Maut als EU-konform bezeichnet. Auch der Generalanw­alt am Gerichtsho­f hatte Deutschlan­d praktisch in allen Punkten recht gegeben – üblicherwe­ise ein erster Hinweis auf den Tenor des Urteils.

Der CSU-Europapoli­tiker Markus Ferber fordert nun eine Überprüfun­g aller europäisch­en Mautsystem­e. „Gerade beim österreich­ischen Modell habe ich große Zweifel“, betonte er. „Hier darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden.“Wenn die deutsche PkwMaut falle, müsse das Implikatio­nen für ähnliche Systeme in der Eurohigkei­t päischen Union haben. Österreich­s Verkehrsmi­nister Andreas Reichhardt begrüßte die Entscheidu­ng des Gerichtsho­fs dagegen. „Die Richter haben zum Glück Klarheit geschaffen“, sagte er. Das Urteil sei ein deutliches Signal für Fairness und einen gemeinsame­n Binnenmark­t. Österreich hatte die Klage eingebrach­t und wurde dabei von den Niederland­en unterstütz­t.

Michael Cramer, der verkehrspo­litische Sprecher der Grünen im Europaparl­ament, nannte die Maut einen „Rohrkrepie­rer“. Es sei gut, dass der Gerichtsho­f die Pläne nun gestoppt habe. Der SPD-Verkehrsex­perte Martin Burkert fürchtet nun aber finanziell­e Engpässe an anderer Stelle im Verkehrset­at. „Auf dieses faule Erbe des ehemaligen Verkehrsmi­nisters Alexander Dobrindt hätten wir gerne verzichtet“, betonte er. „Ich habe Bedenken, dass die Einnahmeve­rluste zulasten der Schiene gehen könnten.“Lesen Sie dazu auch den Leitartike­l und einen ausführlic­hen Hintergrun­d in der Politik.

Österreich ist mit dem Urteil zufrieden

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Foto: Imago Images War ein Lieblingss­pielzeug der CSU: die „Ausländerm­aut“. Nun hat der Europäisch­e Gerichtsho­f das Modell gekippt.

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