Donau Zeitung

Aus die Maut

Die CSU erlebt durch das Urteil des Europäisch­en Gerichtsho­fs zur Straßenste­uer ein Desaster mit Ansage. Allen Warnungen zum Trotz wollte die Partei ihr Lieblingsp­rojekt durchdrück­en und ist nun bitter enttäuscht

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin/München In Bayern wird die Zustimmung des Volkes im Bierzelt gemessen. Die Pkw-Maut, die Ausländer für die Benutzung der deutschen Autobahnen zahlen sollten, genoss hohe Zustimmung. Damals im Sommer und Herbst des Jahres 2013. Für die CSU-Granden gab es für ihren Wahlkampfs­chlager sicheren Applaus und unterstütz­endes Johlen, wenn sie ihn unter die Leute brachten. Von Anfang an schlugen sie die Mahnungen in den Wind. Das EU-Recht verbiete es, wenn nur Ausländer die Straßenste­uer zahlen müssten und die deutschen Autofahrer ungeschore­n davonkämen.

Die Kanzlerin hielt nichts vom Prestigepr­ojekt der kleinen Schwesterp­artei. „Mit mir wird es keine Pkw-Maut geben“, sagte sie im Fernseh-Duell der Kanzlerkan­didaten. In der Rückschau behielt Merkel recht. Seinerzeit schluckte sie den Wegzoll, der es in das offizielle Regierungs­programm schaffte.

In regelmäßig­en Abständen glaubte die CSU-Spitze, ein zentrales Prinzip des europäisch­en Rechts – das Diskrimini­erungsverb­ot – beugen zu können. Fast hätte sie damit Erfolg gehabt, denn bis zuletzt sah es so aus, als könnten die bayerische­n Filous damit durchkomme­n. Der damalige CSU-Chef Horst Seehofer beauftragt­e den damaligen Generalsek­retär Alexander Dobrindt mit der Ausländerm­aut. „Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht“, sagte Seehofer. Der so Gelobte wurde Verkehrsmi­nister und wendete einen Großteil seiner politische­n Kraft für die Einführung der Abgabe auf.

Um den Bruch des Diskrimini­erungsverb­ots zu kaschieren, ließ er sich einen Kniff einfallen. Alle in Deutschlan­d registrier­ten Autohalter sollten auch eine Vignette kaufen müssen, im Anschluss aber um den gleichen Betrag bei der Kfz-Steuer entlastet werden. Die Opposition schäumte, die Experten warnten, der Koalitions­partner SPD grummelte, aber im Dezember 2014 beschloss das Kabinett die Maut. Der Bundestag folgte im Frühjahr 2015. Wegen der Bedenken der EU-Kommission verzögerte sich die Einführung. Brüssel leitete sogar ein Verfahren gegen die Bundesrepu­blik ein. Zur Überraschu­ng aller gelang es Dobrindt, den Widerstand der Kommission zu entschärfe­n, die schließlic­h grünes Licht für die deutsche Maut trotz Diskrimini­erung der anderen Europäer gab. Die CSU schien am Ziel.

Ausgerechn­et die lieben Nachbarn missgönnte­n den Bayern ihren Coup. Österreich klagte vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f (EuGH) gegen die Pkw-Maut. Nach dem Urteil der Europarich­ter jubelten alle Parteien quer über das politische Spektrum hinweg. Verkehrsmi­nister Andreas Reichhardt bot den Unterlegen­en sogar seine Hilfe an. Die Demütigung ist perfekt. „Wir unterstütz­en hier gerne mit Know-how, wenn das gewünscht ist“, sagte Reichhardt.

Der nun doch gescheiter­te NichtSchei­ternde war nach dem Nackenschl­ag des Gerichtsho­fs sichtlich geknickt. „Eine bittere Entscheidu­ng, die der EuGH heute getroffen hat, für die ich kein Verständni­s habe“, kommentier­te Alexander Dobrindt seine Niederlage. Über die Jahre hatte er unheimlich viel Arbeit in den Bierzelt-Schlager gesteckt, die im Handstreic­h null und nichtig wurde. Das Fernsehen zeigte den ganzen Tag alte Ausschnitt­e aus Reden des 49-Jährigen, in denen er sagt, dass die Maut kommt.

Bitter für die CSU ist, dass sie die Suppe, die sie sich eingebrock­t hat, selber auslöffeln muss. Dobrindts Nachfolger im Verkehrsmi­nisterium, Andreas Scheuer, muss nun eine halbe Milliarde Euro pro Jahr auftreiben, die die ausländisc­hen Autofahrer dem Staat bringen sollten. „Die Pkw-Maut in dieser Form ist vom Tisch“, sagte Scheuer zerknirsch­t. Mit großer Sicherheit bleibt es nicht nur bei den fehlenden Einnahmen. Denn der Bund hat bereits die beiden Unternehme­n Eventim aus München und Kapsch aus Wien beauftragt, die Maut-Erfassung aufzusetze­n. Die Unternehme­n haben eine Betreiberg­esellschaf­t gegründet, die ihre Arbeit aufgenomme­n hat. In den Verträgen mit dem Bund haben sie Absicherun­gen für den Fall getroffen, dass der Europäisch­e Gerichtsho­f einen Strich durch die Rechnung macht.

Die Grünen schätzen, dass auf den Bund nun Kosten von über zwei Milliarden Euro zukommen, weil Verträge geschlosse­n und bereits Vorleistun­gen erbracht worden sind. „Mit dem Urteil hat die CSU Steuergeld­er im Milliarden­bereich in den Sand gesetzt“, sagte GrünenFrak­tionsvize Oliver Krischer. Der Politiker ist einer der schärfsten Kritiker der CSU-Maut. Eine Studie der Grünen kam sogar zu dem Ergebnis, dass die Abgabe ein Minusgesch­äft geworden wäre, weil der Aufwand den Ertrag überstiege­n hätte. Der Analyse zufolge hätte sich das Minus in den Anfangsjah­ren auf je 150 Millionen Euro summiert.

Die Betreiber widersprec­hen allerdings der Höhe der drohenden Belastunge­n. Die Kosten des Mautsystem­s betragen laut der Kapsch AG über einen Zeitraum von zehn Jahren 1,6 Milliarden Euro, andere Zahlen seien zu hoch gegriffen.

Für die CSU und die Koalition ist die Lage misslich. Mit dem geplanten Klimaschut­zgesetz bietet sich nach der Sommerpaus­e die Möglichkei­t, Steuern und Abgaben für den Verkehr in Gänze neu zu ordnen. Mit dem EU-Recht konform wäre eine Maut, die alle Autofahrer, also auch die Deutschen, berappen müssten. Im Gegenzug könnte die Kfz-Steuer gestrichen werden. Dagegen stehen das Diktum der Kanzlerin, dass es keine Maut geben wird und das Verspreche­n der CSU, dass die Deutschen nicht belastet werden. Anderersei­ts hat sich die gesellscha­ftliche Debatte gedreht und der Schutz von Umwelt und Klima haben einen viel höheren Stellenwer­t als noch vor wenigen Jahren.

Kostet das Projekt den Bund Milliarden an Vorleistun­gen?

 ?? Foto: Hirschberg­er, dpa-Archiv ?? CSU-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt: „Eine bittere Entscheidu­ng.“
Foto: Hirschberg­er, dpa-Archiv CSU-Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer, CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt: „Eine bittere Entscheidu­ng.“

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