Donau Zeitung

„Das erwartet die junge Generation zu Recht von uns“

Die Union stellt sämtliche Energieabg­aben auf den Prüfstand – Fraktionsv­ize Andreas Jung soll zusammen mit seinem CSU-Kollegen Georg Nüßlein Ideen erarbeiten. Der CDU-Politiker erklärt, was dabei auf Wirtschaft und Bürger zukommen könnte

- Interview: Stefan Lange und Bernhard Junginger

Herr Jung, Sie sollen zusammen mit Georg Nüßlein von der CSU für die Union Vorschläge für ein modernes und wettbewerb­sfähiges Steuer- und Abgabesyst­em vorlegen. Was ist geplant?

Andreas Jung: Wir müssen beim Klimaschut­z besser werden und unsere Klimaziele erreichen. Gleichzeit­ig trübt sich die Wirtschaft­sentwicklu­ng ein und wir stehen internatio­nal im Standortwe­ttbewerb. Deshalb brauchen wir ein Konzept, das beides unter einen Hut bringt: starke Signale für Klimaschut­z und Stärkung der Wettbewerb­sfähigkeit. Das ist unser Auftrag.

Bedeutet das eine höhere Belastung für Bürger und Unternehme­n?

Jung: Nein, gerade nicht. Wir haben im Energieber­eich nicht zu wenig Abgaben, Umlagen und Steuern, wir haben zu wenig Effizienz, Innovation und Steuerung. Und insgesamt steigen die Steuereinn­ahmen weiter, nur langsamer. Um es klar zu sagen: Der Staat hat Einnahmen genug. Wir wollen deshalb nicht zusätzlich belasten, sondern unterm Strich mit Soli-Abschmelzu­ng und Reform der Unternehme­nsteuern Bürger und Wirtschaft entlasten.

Welche Möglichkei­ten sehen Sie denn, mit fiskalisch­en Instrument­en mehr Klimaschut­z zu erreichen?

Jung: Ex-Bundesumwe­ltminister Klaus Töpfer hat gerade zu Recht unser Steuersyst­em als „klimablind“kritisiert. Die heutigen Regeln sind ein wild gewachsene­s Gestrüpp, unsystemat­isch und weder sozial noch wirtschaft­lich ausgewogen. Wir brauchen eine stärkere Ausrichtun­g auf den CO2-Ausstoß und damit Innovation­ssignale für Klimaschut­z.

Können Sie schon absehen, was sich für Otto-Normalstro­mverbrauch­er ändern wird?

Jung: Es darf nicht einfach etwas obendraufk­ommen. Wird ein neues auf Klimaschut­z ausgericht­etes Instrument geschaffen, dann muss an anderer Stelle entlastet werden und es muss etwas wegfallen – zum Beispiel bei der Stromsteue­r oder bei der EEG-Umlage. Aber alle Auswirkung­en müssen noch sorgfältig durchdacht und durchgerec­hnet werden.

Wird im Gegenzug Autofahren und Heizen teurer?

Jung: Die Entscheidu­ng für Gebäudesan­ierung oder für ein sparsames Auto muss sich mehr lohnen als bisher. Aber viele Menschen im ländlichen Raum sind aufs Auto angewiesen und können fürs Pendeln nicht mehr bezahlen. Und zusätzlich­e Belastunge­n für Wohnen darf es nicht geben.

Wie bringen Sie das zusammen?

Jung: Mit einem klugen System, das Anreize in den Mittelpunk­t stellt. Ein marktwirts­chaftliche­r Ansatz geht über Preissigna­le. Aber wir müssen die Menschen mitnehmen. Auch eine ökologisch­e Steuerung geht nur mit der Verbindung von Sozialem und Marktwirts­chaft. Was sonst droht, kann man in Frankreich bei den Gelbwesten-Protesten sehen. Wir müssen das berücksich­tigen, es darf uns aber nicht lähmen. Konzept muss einen wichtigen Beitrag zum Klimaschut­zgesetz im Herbst und damit zum Erreichen des Klimaziels für 2030 leisten. Das ist der Maßstab.

Die Wirtschaft klagt bereits jetzt über hohe Energiekos­ten ...

Jung: Es geht nicht um zusätzlich­e Belastung, sondern um mehr Effizienz, um Klimaschut­z durch Technologi­e und Innovation. Auch können steuerlich­e Anreize und CO2-Bepreisung wirken. Für die Industrie gibt es schon seit 2005 den europäisch­en Emissionsh­andel: Wer CO2 ausstößt, braucht dafür Zertifikat­e – und diese werden immer weiter verknappt. Dieses Instrument könnte auf weitere Sektoren wie etwa Wärme und Verkehr ausgedehnt werden. groß ist Ihre Hoffnung auf eine europäisch­e Lösung?

Jung: Da ist jetzt nach der Europawahl Musik drin. EVP, Sozialdemo­kraten, Liberale und Grüne verhandeln in Brüssel gerade auch über ambitionie­rten Klimaschut­z und eine Ausweitung des Emissionsh­andels. Wenn keine einheitlic­he EULösung dabei herauskomm­t, könnten einige willige Länder vorangehen. Aber auch ein Modell für den Zertifikat­ehandel auf nationaler Ebene ist denkbar.

Welche Vorteile hat dieser Handel? Jung: Dadurch, dass diese Zertifikat­e für CO2-Ausstoß immer weiter reduziert werden, können die Mengen genau gesteuert und Klimaziele so präzise erreicht werden. Wir legen uns jedoch nicht schon auf ein InUnser strument fest. Aber für uns ist klar: Marktwirts­chaftliche Wege sind besser als Verbote und Subvention­en.

Wo sehen Sie weiteres Potenzial zum Klimaschut­z?

Jung: Wir müssen die Bahn im Vergleich zum Flugzeug attraktive­r machen. Ein Beispiel: Wenn Sie heute von Stuttgart mit der Bahn nach Paris fahren, zahlen Sie bis zur Grenze den vollen Mehrwertst­euersatz von 19 Prozent. Fliegen Sie, zahlen Sie nicht. Das ist offenkundi­g Unsinn und kontraprod­uktiv. Wir müssen uns schon überlegen, wie wir mit staatliche­r Rahmensetz­ung umweltfreu­ndliche Verkehrstr­äger stärken können.

Das ist insgesamt gesehen eine HerkuWie les-Aufgabe, die Ihnen und Georg Nüßlein übertragen wurde. Wie gehen Sie vor?

Jung: Wir werden intensiv beraten, externen Sachversta­nd einbeziehe­n, uns die verschiede­nen Modelle genau anschauen und daraus unsere Schlüsse ziehen. Und natürlich ist das eine Gemeinscha­ftsaufgabe. Deshalb werden wir den Prozess zwischen Parteien, Fraktion und Regierung eng verzahnen. Dafür stimmen wir uns gut mit den Vertretern der Länder ab und mit dem Klimakabin­ett in Berlin.

An der Stelle kommt also die SPD ins Spiel?

Jung: Genau. Im Juli werden der Klimaökono­m Ottmar Edenhofer und der Wirtschaft­sweise Christoph Schmidt dem Klimakabin­ett ein Modell für CO2-Bepreisung vorstellen. Darüber sollten wir dann in der Koalition offen diskutiere­n und die Ergebnisse in unsere Arbeit einfließen lassen. Eine Einigung mit der SPD halte ich dabei absolut für möglich. Die Menschen erwarten, dass wir handeln.

Die Grünen sind da offenbar schon weiter?

Jung: Ein fertiges Konzept haben sie ja auch noch nicht. Sie sind für einen CO2-Preis, sagen aber nicht, wie hoch er sein soll. Gleichzeit­ig denken sie an Verschuldu­ng für Klimaschut­z, werden aber auch hier nicht konkret. Wir sollten jetzt in allen Parteien um gute Lösungen ringen und dann am besten zu einem breiten gesellscha­ftlichen Konsens kommen – so, wie das auch beim Kohlekompr­omiss gelungen ist.

Und wann liegt Ihr Konzept vor? Jung: Bis September. Dann wird auch das Klimaschut­zgesetz beschlosse­n und da soll es einfließen. Mit den Maßnahmen darin müssen wir glaubwürdi­g die konsequent­e Umsetzung des Pariser Klimaabkom­mens beschreibe­n. Das ist unsere Verantwort­ung – und das erwartet gerade auch die junge Generation zu Recht von uns. Andreas Jung Der 44-jährige CDUPolitik­er zog für den Wahlkreis Konstanz in den Bundestag ein. Er ist unter anderem stellvertr­etender Vorsitzend­er der CDU/CSU-Fraktion.

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Foto: Mick Tsikas, dpa Ist die Welt noch zu retten? Diese Frage stellen sich gerade viele junge Leute rund um den Erdball – wie hier in Sydney.

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