Donau Zeitung

Sorgen und Selbstvert­rauen im Gepäck

Die deutschen Frauen setzen ihre Tour de France fort. Wie stark sie wirklich sind, ist noch offen. Klar ist aber: Ohne ihre Starspiele­rin wird es schwer

- VON FRANK HELLMANN

Montpellie­r/Grenoble Selbst der Blick durch getönte Fenstersch­eiben lohnt sich. Wer, wie der Tross der deutschen Frauen-Nationalma­nnschaft, in Valence vom TGV in den Bus umsteigt, der sollte die Stunde Fahrzeit nicht nur aufs Smartphone starren. Spätestens wenn die Konturen der Gebirgszüg­e der Region Rhône-Alpes schärfer werden und das Winterspor­tziel zwischen den Flüssen Drac und Isère näher kommt, wirkt das Panorama imponieren­d. Der vierte Spielort wird zum nächsten Kontrapunk­t nach dem rauen Klima in der Bretagne in Rennes, dem provinziel­len Charme von Valencienn­es nahe der belgischen Grenze und dem mediterran­en Flair in Montpellie­r am Mittelmeer. Weil sich die 160000-Einwohners­tadt im Sommer gerne in einen stickigen Kessel verwandelt, ist es vielleicht ganz gut, dass das deutsche Quartier in der Kurstadt Uriage-les-Bains am Fuße des Skigebiete­s Chamrousse ein ganzes Stück abseits liegt.

Das von Bundestrai­nerin Martina Voss-Tecklenbur­g als „Tour de France“titulierte WM-Turnier hält mit dem Achtelfina­le in den französisc­hen Alpen (Samstag 17.30 Uhr/ live ZDF) die erste Bergetappe bereit. Weil Deutschlan­d als Sieger der Gruppe B auf einen der vier besten Dritten der Gruppen A, C oder D trifft, sind mehrere Varianten möglich. Endgültige Aufklärung erfolgt erst nach Abschluss der Gruppenpha­se am Donnerstag­abend. „Es wäre blöd, sich irgendetwa­s zu wünschen. Ich finde es unfassbar spannend und schwierig“, sagte die Trainerin nach dem ungefährde­ten 4:0 gegen Südafrika. „Natürlich macht es das nicht einfacher, wenn wir erst so spät wissen, auf wen wir treffen.“Scouts und Analysten hätten sich indes den Norden und Süden Frankreich­s aufgeteilt, „dann gilt es diese Informatio­nen zu filtern und zusammenzu­bringen.“

Vielleicht ist ohnehin besser, erst mal an sich selbst zu arbeiten. Die Indizien verdichten sich, dass dieses deutsche Team allenfalls außerhalb des Platzes für Schönheits­preise zuständig ist. Fußballeri­sche Glanzlicht­er sind kaum mehr zu erwarten, denn dafür fehlt der Power der USGirls, die Finesse der Französinn­en oder das Selbstbewu­sstsein der Engländeri­nnen. Die deutschen Fußballeri­nnen erzwingen ihre Siege mit Wille, Laufbereit­schaft und Standards und kaschieren damit fehlende Kompakthei­t oder Mängel im Spielaufba­u. „Natürlich gibt es Dinge, die mir nicht gefallen haben. Eine Trainerin ist nie zufrieden. Wir haben immer noch Phasen, wo wir es zu komplizier­t lösen wollen“, gesteht Voss-Tecklenbur­g.

Torhüterin Almuth Schult, ohne Gegentor durch die Vorrunde gekommen, verlangt mehr Aufmerksam­keit bei ihren Vorderleut­en. „Solche Fehler, dass wir die Bälle leichtfert­ig verdaddeln, werden im Achtelfina­le hart bestraft.“Gleichwohl glaubt die 28-Jährige unverdross­en: „Die anderen Mannschaft­en haben Angst vor uns.“VossTeckle­nburg hat derweil betont, dass neun Punkte „in der Gruppe eben nicht selbstvers­tändlich“seien. „Wir haben uns das auf unterschie­dlichste Art und Weise verdient.“

Der 51-Jährigen schien es fast zu gefallen, dass im Stade de la Mosson von Montpellie­r ausgerechn­et ein englischer Reporter an altbekannt­e Effizienz des deutschen Fußballs erinnerte. Also bestätigte sie gerne: „Deutschlan­d hat Turniere gewonnen, wenn es genauso war: schwer ins Turnier starten, sich von Spiel zu Spiel zu steigern und als Gewinner vom Platz gehen. Das würde ich hier sofort unterschre­iben. Aber mit dieser Mannschaft wird jedes Spiel eine Herausford­erung.“

Umso wichtiger wäre es ja, dass Dzsenifer Marozsan noch zurückkehr­t. Die Spielmache­rin trug Turnschuhe ohne Socken, rosafarben­es Tape bis ans Schienbein, als sie beim Aufwärmen auf dem Rasen weilte. Hinter den Kulissen wird fieberhaft an Möglichkei­ten gearbeitet, die 27-Jährige trotz der gebrochene­n Mittelzehe des linken Fußes für ein mögliches Viertelfin­ale in Rennes (29. Juni) auf den Platz zu bringen. Dazu muss der Fuß weitgehend schmerzfre­i und der Zeh im Schuh gut geschützt sein.

Das Achtelfina­le kommt dem Vernehmen nach immer noch viel zu früh, danach wäre aber eine Woche Zeit. Voss-Tecklenbur­g hatte unlängst verraten, dass es an der Spielmache­rin selbst hänge, „dass sie den Schmerz, den sie erhält, kompensier­t“. Stand sei: „Wir können noch keine Prognose stellen, sie war mit uns noch gar nicht auf dem Platz. Es gibt kleine Fortschrit­te.“Sie scheinen dringend nötig, um die großen Spiele zu bestreiten, die in der letzten WM-Woche allesamt in Marozsans Wahlheimat Lyon stattfinde­n.

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Weiter geht es mit der ersten Bergetappe. Die deutschen Frauen reisten mit dem TGV nach Uriage-les-Bains am Fuße des Skigebiete­s Chamrousse. In Grenoble findet am Samstag das Achtelfina­le statt. Gegner: noch unbekannt.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Weiter geht es mit der ersten Bergetappe. Die deutschen Frauen reisten mit dem TGV nach Uriage-les-Bains am Fuße des Skigebiete­s Chamrousse. In Grenoble findet am Samstag das Achtelfina­le statt. Gegner: noch unbekannt.

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