So kommt man Tacho-Betrügern auf die Spur
Fast jeder dritte Gebrauchtwagen wird laut ADAC mit manipuliertem Kilometerstand verkauft. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern oft auch gefährlich. Aber es gibt ein paar Tricks, um eine falsche Laufleistung aufzudecken
Angebot klingt verlockend: Der VW Golf VII hat deutlich weniger Laufleistung als vergleichbare Fahrzeuge und kostet ein paar hundert Euro weniger. Doch der Innenraum spricht eine andere Sprache: abgewetzte Sitzwangen, stark abgegriffenes Lenkrad und eingerissene Gummis an den Pedalen. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei solchen Autos der Verkäufer am Tachostand gedreht hat, ist hoch. Nach Angaben des ADAC und der Polizei stimmt bei jedem dritten in Deutschland verkauften Gebrauchtwagen der Kilometerstand nicht. Was können Gebrauchtwagenkäufer tun?
„Ein genauer Blick auf die Reparaturrechnungen oder ins Serviceheft lohnt immer. Dort sind die Wartungsintervalle, Kilometerleistung und das Datum vermerkt“, sagt Ulrich Köster vom Deutschen Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK). Auch auf Protokollen der Hauptund Abgasuntersuchung (HU) werden Kilometerstand und Laufleistung eingetragen, ebenso auf Ölwechsel-Aufkleber oder -Anhänger am Fahrzeug. Sehen allerdings in einem alten Serviceheft alle Stempel und Eintragungen gleich neu aus, ist Vorsicht geboten.
Tachomanipulationen sind für den Käufer nicht nur teuer, sie können auch Motorschäden herbeiführen. Das passiert, wenn die anstehende Wartung mit einem Bauteilwechsel nicht eingehalten wird. Motoren mit Zahnriemen für den Ventiltrieb benötigen nach einer vorgeschriebenen Zeit einen neuen Riemen, auch ein Ölwechsel folgt bestimmten Intervallen. „Wenn anstehende Serviceintervalle deutlich überschritten werden, kann das zu Schäden führen“, sagt Köster.
Deshalb zählen Tachomanipulationen auch als Straftat. Ein verfälschter Kilometerstand führt pro Fahrzeug im Durchschnitt zu einer illegalen Wertsteigerung von 3000 Euro. Kommt die Fälschung heraus, empfiehlt Köster, eine Strafanzeige gegenüber den Fälschern zu stellen und wenn möglich einen entsprechenden Schadenersatz vom Verkäufer des Fahrzeugs zu fordern.
Verwohnte Innenräume sowie fehlende oder schlampig ausgefüllte Servicehefte sind aber keine eindeuDas Beweise für Manipulationen. Weiterhelfen können digitale Hilfsmittel wie spezielle Adapter für die Schnittstelle der Fahrzeugdiagnose. Die sitzt meist in der A-Säule auf der Fahrerseite und hat direkten Zugriff mit der Bordelektronik. Mit speziellen Apps lässt sich überprüfen, ob die Airbags bei einem Unfall ausgelöst wurden.
Auch können manche Apps Daten über Kilometerstände, Wegstrecken und Fehlerspeicher ablesen. Doch auch diese Ergebnisse sind nur so gut wie die hinterlegten Daten in den einzelnen Steuerungsmodulen. Weichen diese ab, weil sie vorher manipuliert wurden, stimmen die Angaben nicht mehr.
Deshalb bringt nur eine tief gehende Recherche Klarheit über den wahren Tachostand. Dazu gehört die Kontrolle von Belegen oder Ölkarten im Motorraum beziehungsweise dem kleinen Aufkleber auf der A-Säule. Steht darauf, dass der nächste Wechsel in über 50000 Kilometer fällig ist, kann etwas nicht stimmen. Denn üblicherweise wird ein Ölwechsel spätestens nach 30000 Kilometern, in seltenen Fällen nach 40000 Kilometern, fällig. Ein Anruf beim Vorbesitzer des Verkäufers gibt Auskunft darüber, mit wie viel Kilometern er sein Auto verkauft hat. Der Name steht in der Zulassungsbescheinigung Teil II.
Auch die Fahrt in eine Fachwerktigen statt deckt eventuell einen Betrug auf. Sie kann den Fehler- und Wartungsintervall-Speicher auslesen. Damit lassen sich die teilweise mitprotokollierten Kilometerstände mit dem im Tacho angezeigten Stand vergleichen. Auch den Produktionszeitraum von Tacho und Steuergeräten ermittelt die Werkstatt. Sind sie jünger als der Produktionstag (nicht Tag der ersten Zulassung) des Autos, kann etwas nicht stimmen.
„Tachomanipulation betrifft vor allem ältere Gebrauchtwagen, ist jedoch selten auf den ersten Blick erkennbar. Eine geringe Laufleistung und ein vergleichsweise günstiger Preis können ein erster Hinweis sein“, sagt Gert Schleichert vom Auto Club Europa (ACE). Lassen sich bei älteren Fahrzeugen mit einer mechanischen Tachowelle noch die Kilometerstände zurückdrehen, funktioniere das bei neueren nur mit digitalen Hilfsmitteln: Profis mit Computerkenntnissen können über digitale Schnittstellen zum Auto die Tachoanzeige manipulieren.
Oft passiere dies bei Fahrzeugen, die überdurchschnittlich viel gefahren werden, wie Autos von Außendienstmitarbeitern. Häufig legen die bis zu 80000 Kilometer im Jahr zurück, die Autos werden nach zwei Jahren veräußert. Ein Betrüger könne den Kilometerstand auf rund 25000 Kilometer zurückdrehen, ohne dass auf den ersten Blick ein Verdacht aufkommt. Denn im Schnitt fahre ein Auto in Deutschland rund 12 000 Kilometer im Jahr.