Donau Zeitung

So kommt man Tacho-Betrügern auf die Spur

Fast jeder dritte Gebrauchtw­agen wird laut ADAC mit manipulier­tem Kilometers­tand verkauft. Das ist nicht nur ärgerlich, sondern oft auch gefährlich. Aber es gibt ein paar Tricks, um eine falsche Laufleistu­ng aufzudecke­n

- Fabian Hoberg, dpa

Angebot klingt verlockend: Der VW Golf VII hat deutlich weniger Laufleistu­ng als vergleichb­are Fahrzeuge und kostet ein paar hundert Euro weniger. Doch der Innenraum spricht eine andere Sprache: abgewetzte Sitzwangen, stark abgegriffe­nes Lenkrad und eingerisse­ne Gummis an den Pedalen. Die Wahrschein­lichkeit, dass bei solchen Autos der Verkäufer am Tachostand gedreht hat, ist hoch. Nach Angaben des ADAC und der Polizei stimmt bei jedem dritten in Deutschlan­d verkauften Gebrauchtw­agen der Kilometers­tand nicht. Was können Gebrauchtw­agenkäufer tun?

„Ein genauer Blick auf die Reparaturr­echnungen oder ins Servicehef­t lohnt immer. Dort sind die Wartungsin­tervalle, Kilometerl­eistung und das Datum vermerkt“, sagt Ulrich Köster vom Deutschen Kraftfahrz­euggewerbe (ZDK). Auch auf Protokolle­n der Hauptund Abgasunter­suchung (HU) werden Kilometers­tand und Laufleistu­ng eingetrage­n, ebenso auf Ölwechsel-Aufkleber oder -Anhänger am Fahrzeug. Sehen allerdings in einem alten Servicehef­t alle Stempel und Eintragung­en gleich neu aus, ist Vorsicht geboten.

Tachomanip­ulationen sind für den Käufer nicht nur teuer, sie können auch Motorschäd­en herbeiführ­en. Das passiert, wenn die anstehende Wartung mit einem Bauteilwec­hsel nicht eingehalte­n wird. Motoren mit Zahnriemen für den Ventiltrie­b benötigen nach einer vorgeschri­ebenen Zeit einen neuen Riemen, auch ein Ölwechsel folgt bestimmten Intervalle­n. „Wenn anstehende Serviceint­ervalle deutlich überschrit­ten werden, kann das zu Schäden führen“, sagt Köster.

Deshalb zählen Tachomanip­ulationen auch als Straftat. Ein verfälscht­er Kilometers­tand führt pro Fahrzeug im Durchschni­tt zu einer illegalen Wertsteige­rung von 3000 Euro. Kommt die Fälschung heraus, empfiehlt Köster, eine Strafanzei­ge gegenüber den Fälschern zu stellen und wenn möglich einen entspreche­nden Schadeners­atz vom Verkäufer des Fahrzeugs zu fordern.

Verwohnte Innenräume sowie fehlende oder schlampig ausgefüllt­e Servicehef­te sind aber keine eindeuDas Beweise für Manipulati­onen. Weiterhelf­en können digitale Hilfsmitte­l wie spezielle Adapter für die Schnittste­lle der Fahrzeugdi­agnose. Die sitzt meist in der A-Säule auf der Fahrerseit­e und hat direkten Zugriff mit der Bordelektr­onik. Mit speziellen Apps lässt sich überprüfen, ob die Airbags bei einem Unfall ausgelöst wurden.

Auch können manche Apps Daten über Kilometers­tände, Wegstrecke­n und Fehlerspei­cher ablesen. Doch auch diese Ergebnisse sind nur so gut wie die hinterlegt­en Daten in den einzelnen Steuerungs­modulen. Weichen diese ab, weil sie vorher manipulier­t wurden, stimmen die Angaben nicht mehr.

Deshalb bringt nur eine tief gehende Recherche Klarheit über den wahren Tachostand. Dazu gehört die Kontrolle von Belegen oder Ölkarten im Motorraum beziehungs­weise dem kleinen Aufkleber auf der A-Säule. Steht darauf, dass der nächste Wechsel in über 50000 Kilometer fällig ist, kann etwas nicht stimmen. Denn üblicherwe­ise wird ein Ölwechsel spätestens nach 30000 Kilometern, in seltenen Fällen nach 40000 Kilometern, fällig. Ein Anruf beim Vorbesitze­r des Verkäufers gibt Auskunft darüber, mit wie viel Kilometern er sein Auto verkauft hat. Der Name steht in der Zulassungs­bescheinig­ung Teil II.

Auch die Fahrt in eine Fachwerkti­gen statt deckt eventuell einen Betrug auf. Sie kann den Fehler- und Wartungsin­tervall-Speicher auslesen. Damit lassen sich die teilweise mitprotoko­llierten Kilometers­tände mit dem im Tacho angezeigte­n Stand vergleiche­n. Auch den Produktion­szeitraum von Tacho und Steuergerä­ten ermittelt die Werkstatt. Sind sie jünger als der Produktion­stag (nicht Tag der ersten Zulassung) des Autos, kann etwas nicht stimmen.

„Tachomanip­ulation betrifft vor allem ältere Gebrauchtw­agen, ist jedoch selten auf den ersten Blick erkennbar. Eine geringe Laufleistu­ng und ein vergleichs­weise günstiger Preis können ein erster Hinweis sein“, sagt Gert Schleicher­t vom Auto Club Europa (ACE). Lassen sich bei älteren Fahrzeugen mit einer mechanisch­en Tachowelle noch die Kilometers­tände zurückdreh­en, funktionie­re das bei neueren nur mit digitalen Hilfsmitte­ln: Profis mit Computerke­nntnissen können über digitale Schnittste­llen zum Auto die Tachoanzei­ge manipulier­en.

Oft passiere dies bei Fahrzeugen, die überdurchs­chnittlich viel gefahren werden, wie Autos von Außendiens­tmitarbeit­ern. Häufig legen die bis zu 80000 Kilometer im Jahr zurück, die Autos werden nach zwei Jahren veräußert. Ein Betrüger könne den Kilometers­tand auf rund 25000 Kilometer zurückdreh­en, ohne dass auf den ersten Blick ein Verdacht aufkommt. Denn im Schnitt fahre ein Auto in Deutschlan­d rund 12 000 Kilometer im Jahr.

 ?? Foto: Oliver Berg, dpa ?? Illegale Gewinnmaxi­mierung: Mit der Manipulati­on des Kilometers­tandes erhoffen sich Betrüger höhere Gewinne beim Gebrauchtw­agenverkau­f.
Foto: Oliver Berg, dpa Illegale Gewinnmaxi­mierung: Mit der Manipulati­on des Kilometers­tandes erhoffen sich Betrüger höhere Gewinne beim Gebrauchtw­agenverkau­f.

Newspapers in German

Newspapers from Germany