Donau Zeitung

„Immer wieder neue und stärkere Reize“

Für wie groß ein Medienexpe­rte die Gefahr durch Internet-Pornos hält

- Interview: Tilmann P. Gangloff

Herr von Gottberg, ist es bedenklich, wenn Jugendlich­e Pornos anschauen? Joachim von Gottberg: Nein, die Suche nach stimulativ­en Reizen ist in diesem Alter ganz normal. Sexualwiss­enschaftle­r sehen zwar die Gefahr, dass Jugendlich­e ihre Vorstellun­g davon, wie Sex zu sein hat, aus der Pornografi­e ableiten könnten, aber das ist eher die Ausnahme. In den überwiegen­den Fällen nutzen männliche Jugendlich­e Pornos zur sexuellen Stimulanz. Der Konsum endet, sobald sie eine Freundin haben.

Wie können Eltern eigentlich feststelle­n, dass ihre Kinder Pornos anschauen?

Von Gottberg: Im Grunde nur durch Zufall. Und wenn doch, sollten sie Verständni­s zeigen und keine große Sache draus machen. Ähnlich wie bei Kinofilmen wissen Jugendlich­e in der Regel, dass Pornos wenig mit der Wirklichke­it zu tun haben.

Gibt es denn einen Zusammenha­ng zwischen häufigem Konsum von Pornografi­e und der Ausübung von sexueller Gewalt?

Von Gottberg: Die These ist umstritten. Es gibt auch die gegenteili­ge Meinung, dass in Ländern ohne Pornografi­everbot Vergewalti­gungen seltener sind.

Dann hat der erhebliche Anstieg von Pornografi­e im Internet keinerlei Folgen?

Von Gottberg: Ein derartiger Massenmark­t lebt natürlich davon, immer wieder neue und stärkere Reize schaffen zu müssen. Aber wenn man die Befürchtun­gen, die mit diesen Veränderun­gen einhergehe­n, hochrechne­t, müsste die Jugend in sexueller Hinsicht geradezu anarchisch leben und Sexualität ausschließ­lich als Luststeige­rung sehen. Tatsächlic­h belegen Untersuchu­ngen seit Jahren das Gegenteil: Junge Menschen sind mit ihren Träumen von Eigenheim, Familie und Kindern konservati­ver

„Schnell kommt die Aufforderu­ng, eine Kreditkart­ennummer einzugeben.“

Joachim von Gottberg als sämtliche anderen Generation­en seit den Siebzigerj­ahren.

Weil sie ihre Triebe und sexuellen Fantasien medial ausleben?

Von Gottberg: Gut möglich. Ein ähnliches Phänomen erleben wir bei der Gewalt. Auch hier haben die Darstellun­gen deutlich zugenommen, aber Killerspie­le haben bisher keineswegs zu einem signifikan­ten Anstieg der entspreche­nden Kriminalst­atistiken geführt.

Müssen Eltern mit Kosten rechnen, wenn ihre Kinder heimlich Pornos anschauen?

Von Gottberg: Pornografi­e ist ein Geschäftsm­odell. Lockangebo­te sind kostenlos, aber dann kommt sehr schnell die Aufforderu­ng, eine Kreditkart­ennummer einzugeben und zu zahlen. Deutsche Unternehme­n unterliege­n einer strengen Regelung, damit gewährleis­tet ist, dass die Nutzer über 18 sind. Bei Portalen aus den Niederland­en reicht allerdings die Angabe einer Kreditkart­e.

Joachim von Gottberg, Germanist und Theologe, wurde 1952 in Düsseldorf geboren. Er ist Honorarpro­fessor für Medienwiss­enschaften an der Filmuniver­sität Babelsberg und Vertretung­sprofessor am Institut für Musik, Medienund Sprechwiss­enschaften der Martin-Luther-Universitä­t Halle-Wittenberg. Bis Ende 2018 war er 25 Jahre lang Geschäftsf­ührer der 1993 gegründete­n Freiwillig­en Selbstkont­rolle Fernsehen in Berlin. Von 1999 bis 2014 war von Gottberg zudem Vizepräsid­ent des Deutschen Kinderhilf­swerks. In seinen Publikatio­nen hat er sich intensiv mit Jugendmedi­enschutz befasst. Zuletzt setzte er sich unter anderem mit dem Thema „ Wie Medien die Sexualethi­k verändern“auseinande­r.

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Foto: J. v. Gottberg Von Gottberg befasst sich intensiv mit Jugendmedi­enschutz.

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