Donau Zeitung

Wenn im Weltraum Politik gemacht wird

50 Jahre nach der ersten Mondlandun­g ist ein neues Rennen ins All entbrannt. Und die Hintergrün­de ähneln sich auf ernüchtern­de Weise

- VON WOLFGANG SCHÜTZ ws@augsburger-allgemeine.de

Was suchen wir noch im All? Die Wissenscha­ftler dieser Welt könnten auf diese Frage natürlich endlos antworten. Und dass das gar nicht so fachspezif­isch klingen muss, zeigt etwa, was Michio Kaku, der bekanntest­e Physiker unserer Zeit, kürzlich sagte: Wir müssen eine Lösung finden für das Problem, dass die Menschen früher oder später den Planeten Erde verlassen müssen…

Nun könnte man in traditione­ller Manier der Raumfahrt-Skeptiker entgegnen, dass man die Abermillia­rden, die das kostet, doch besser für die Rettung dieses Planeten und für ein besseres Leben der gegenwärti­gen Menschen verwenden würde. Aber eigentlich zielte diese Diskussion – Weltverbes­serung vs. Weltraumer­forschung – von jeher viel höher, als die Motive für die menschlich­en Reisen ins All liegen.

Denn bei nüchterner Betrachtun­g scheint die Triebfeder immer schon ganz schnöde Machtpolit­ik gewesen zu sein, die nach überirdisc­her Symbolik verlangt.

Das jedenfalls war unbestritt­en der Hintergrun­d für jenen legendären Flug zum Mond, dessen 50. Jahrestag an diesem Wochenende großes Thema ist. Erfüllung eines Menschheit­straums? Gewiss. Aber der Wettlauf ins All war der Konkurrenz­kampf der beiden Machtblöck­e der Welt. Und als Neil Armstrong beim Erreichen von einem „großen Schritt für Menschheit“sprach und sein Präsident Richard Nixon hinzufügte, es solle ein friedliche­s Zeichen für das Miteinande­r aller Menschen sein: Da steckte Armstrong in uralter Geste der Besitznahm­e die US-Flagge in den Mond, da tönte Nixon im Heldenteno­r des gönnerhaft­en Siegers. Und allzu lange erhielt man das teure Unterfange­n dann ja auch nicht mehr aufrecht. Obwohl es noch so viel zu erforschen gegeben hätte.

Nun hätte man in der Zwischenze­it vielleicht meinen können, das hätte sich geändert. Denn mit der internatio­nalen Raumstatio­n ISS schwebte ein Symbol im Raum, das tatsächlic­h für die Zusammenar­beit stand. Selbst wenn sich Amerikaner, Russen, Europäer auf der Erde mal wieder in bedenklich­e machtpolit­ische Spannungen manövriert­en – dort oben kooperiert­e man. Mit unterschie­dlichen Flaggen auf dem Raumanzug, aber unter wechselnde­r Führung in einem gemeinsame­n Projekt. Fast schien es, als könnte sich zumindest diese Verheißung der Science-Fiction erfüllen: Wenn es in unendliche Weiten geht, werden die Unterschie­de zwischen den Bewohnern dieses kleinen Planeten belanglos. Es geht um die Menschheit.

Aber inzwischen ist nun ja ein neuer Wettlauf ins All entbrannt. Und die Hintergrün­de sind offenbar wieder die gleichen. Rüsteten sich in jener zweipolige­n Welt von damals eben die zwei Supermächt­e für überirdisc­he Reisen – in der multipolar­en Welt von heute rüsten eben viele. Die Russen wieder, nun dazu die Chinesen natürlich, aber auch die Inder, mit der Verheißung, bald einen Spross ihrer großen Nation auf dem Mond stehen zu sehen – samt Fahne, versteht sich. Und darum fordert der Präsident einer um ihr Alleinstel­lungsmerkm­al fürchtende­n USA von der Nasa, besser gleich an den Mars, also groß zu denken.

Es ist geradezu armselig: Ausgerechn­et auf dem Weg ins All duellieren sich die Nationalis­ten. Trump, Putin, Xi, Modi… – sie wollen halt ihre Fähnchen stecken. Und machen dabei den Menschen auf seinem winzigen Staubkorn im All noch kleiner, als er eh schon ist. Wahrschein­lich fallen dabei für die Wissenscha­ft wieder spannende Erkenntnis­se ab. Aber sehr unwahrsche­inlich, dass das ganze Gewese irgendetwa­s mit der Rettung der Menschheit zu tun hat. Die Konkurrenz mag den Menschen weiter, höher vorantreib­en – aber sie bringt uns wohl auch schneller um.

Die Nationalis­ten wollen ihre Fähnchen stecken

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