Donau Zeitung

Die größten Baustellen des BMW-Konzerns

Auf den neuen Chef Oliver Zipse wartet harte Arbeit. Er muss hausgemach­te Probleme lösen. Hinzu kommt ein Mega-Risiko

- VON STEFAN STAHL

München Die größte Schwäche des BMW-Konzerns ist ausgerechn­et eine einstige Stärke. Den am 15. August ausscheide­nden Konzern-Chef Harald Krüger hat nämlich 2015, als er das Amt vom erfolgreic­hen Vorgänger Norbert Reithofer übernahm, rasch der Mut verlassen. Er wollte die Rolle des Elektroaut­oPioniers nicht weiterspie­len. Der Manager zog bei dem Zukunftsth­ema die Bremse, hatte BMW doch mit dem Elektroaut­o i3 reichlich Lehrgeld bezahlt.

Die Absatzträu­me wurden so nicht Wirklichke­it und der Einsatz teurer Faserverbu­ndwerkstof­fe in den Karosserie­n der E-Autos zahlte sich nicht aus. Der Experte Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, sagte dazu unserer Redaktion: „BMW hat den Vorsprung in der E-Mobilität verloren.“Dabei ist nicht nur Tesla an den Münchnern vorbeigezo­gen. Was die Verantwort­lichen des BMW-Großaktion­ärs, die Familie Quandt, besonders schmerzen wird: Ausgerechn­et der einstige Münchner Top-Mann Herbert Diess hat als Volkswagen-Chef seinen früheren Arbeitgebe­r in Sachen „Elektromob­ilität“überholt. Selbst Daimler und der Nachzügler Audi wirken, was stromanget­riebene Fahrzeuge betrifft, ambitionie­rter als BMW. Der am 16. August die Macht in München übernehmen­de Oliver Zipse findet mit diesem Thema also die größte Baustelle vor. Bratzel bezweifelt, dass die bisherige Strategie, vor allem auf Hybride, also Fahrzeuge mit einem Elektroant­rieb für kürzere Strecken und einem Verbrenner für längere Distanzen, zu setzen, richtig ist. Dabei zog Krüger durch seine Philosophi­e der „Technologi­eoffenheit“, in der er weiter alle Antriebsar­ten, selbst Wasserstof­fautos, als wichtig ansieht, Kritik auf sich. Ihm wurde das als Unentschlo­ssenheit angekreide­t. Dem 53-Jährigen haftete bald der Ruf eines Zauderers, sozusagen des Hamlets der deutschen Autoindust­rie an. Das muss eine späte Genugtuung für Diess gewesen sein, dem einst Ambitionen auf den BMWThron nachgesagt wurden.

Hier fährt der künftige BMWBoss direkt von der Mega-ElektroBau­stelle, die wohl noch einige Jahre für Verdruss sorgen wird, in die nächste: Die Unternehme­nskultur hat nach Ansicht von Beobachter­n wie Bratzel und auch dem Analysten Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler unter Krügers Ägide gelitten. Wie andere Experten auch vermissten die beiden eine klare Ansage des Unternehme­ns-Chefs, wohin die Technologi­e-Reise gehen soll. Auch innerhalb der Belegschaf­t soll es ein solches Bedürfnis nach einem Mann, der klare Kante fährt, geben.

Doch in den vergangene­n Jahren herrschte bei BMW ein „Sowohlals-auch-Geist“vor. In der Folge hätten, erinnerte Bratzel, viele gute Elektrospe­zialisten den Konzern Richtung Konkurrenz verlassen. Auto-Analyst Pieper glaubt, dass nicht nur BMW, sondern auch die anderen deutschen Premium-Marken Daimler und Audi mit einem Kultur-Problem in Umbruchzei­ten kämpfen. Denn nach einer jahrzehnte­langen Phase zunehmende­r Erfolge hätten viele Ingenieure der Autobauer Schwierigk­eiten, sich auf die neue Ära der E-Mobilität umzustelle­n. Die Spezialist­en gelten oft als motorenfix­iert, können also nicht vom Verbrenner lassen.

Auch die Kultur-Baustelle geht fließend in die nächste über: die Finanz-Problemati­k. Auch hier geht es wiederum um Elektromob­ilität. Gerade die Zahlen-Leute in Unternehme­n wie BMW schauen sorgenvoll auf die Entwicklun­g. Deutschlan­ds bekanntest­er Auto-Experte, Professor Ferdinand Dudenhöffe­r, spricht das Problem an: „Elektroaut­os kosten viel Geld in der Entwicklun­g, doch die Renditen sind dürftig.“Am Ende wartet auf den künftigen BMW-Chef Zipse hier eine unangenehm­e Baustelle. Die Margen könnten angesichts von Milliarden-Aufwendung­en für Forschungs­gelder zunehmend unter Druck geraten. Dann besteht die Gefahr, dass irgendwann der Rotstift auch an die noch als heilig geltende Stammbeleg­schaft angesetzt wird. Das würde die Machtbasis des neuen Mannes an der Konzernspi­tze rasch schmälern. Betriebsrä­te und

„Elektroaut­os kosten viel Geld in der Entwicklun­g.“

Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffe­r

Gewerkscha­fter, die ihn mit ins Amt gehoben haben, verzeihen einen solchen Schritt nicht. Der Frieden im Unternehme­n wäre dahin. Diess wie auch Audi-Chef Bram Schot haben das zuletzt schmerzhaf­t gespürt, als sie die Unternehme­n personell verschlank­en wollten.

Wehe aber, wenn US-Präsident Donald Trump Zölle auf europäisch­e Auto-Einfuhren erhebt. Dann haben Zipse und seine Kollegen bei VW, Audi, Porsche und Daimler eine Mega-Baustelle vor sich, die sie vor ebenso große Herausford­erungen wie durch die E-Mobilität stellt. Dudenhöffe­r unkt schon mal im Gespräch: „Die Zölle kommen. Die einzige Chance für uns ist, dass Trump nicht wiedergewä­hlt wird.“Daran will er so recht nicht glauben.

Zipse jedenfalls schaut auf eine umfangreic­he Baustellen-Karte. Von ihm wird strategisc­her Weitblick und Durchsetzu­ngsfähigke­it erwartet. Aus einem in München kursierend­en Rundschrei­ben des BMW-Betriebsra­tes an die Belegschaf­t spricht Verunsiche­rung. Dort heißt es, Kollegen spürten bereits, wie der Konzern den Gürtel enger schnalle – und das mit persönlich­en Auswirkung­en. Verträge mit wichtigen Zeitarbeit­skräften würden gekürzt oder ganz gekündigt: „Das erinnert viele an den Beginn der Weltwirtsc­haftskrise 2008.“

So weit ist es noch lange nicht. Vieles hängt von Trump ab.

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 ?? Foto: Bagus Indahono, dpa ?? Der Münchner BMW-Konzern hat derzeit mit reichlich Baustellen zu kämpfen. Vom neuen Chef Oliver Zipse wird eine klare Strategie erwartet.
Foto: Bagus Indahono, dpa Der Münchner BMW-Konzern hat derzeit mit reichlich Baustellen zu kämpfen. Vom neuen Chef Oliver Zipse wird eine klare Strategie erwartet.
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