Donau Zeitung

„Doch keiner in der Politik reagiert“

Häufig habe seine Branche Wege zur Integratio­n von Flüchtling­en oder zum Klimaschut­z aufgezeigt, sagt Schwabens Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch. Aber in der Regierung habe niemand zugehört. Das ärgert ihn

- Bildungsmi­nisterin Anja Karliczek hat vorgeschla­gen, den Meister zum Interview: Michael Kerler

Herr Rauch, weshalb hatten Sie sich für eine zweite Amtszeit beworben? Hans-Peter Rauch: Wenn ich mir Ziele setze, will ich sie auch zum Erfolg bringen. Wer seine erste Amtszeit beginnt, muss sich erst einleben, Kontakte knüpfen und Netzwerke aufbauen. Jetzt in meiner zweiten Amtszeit kann ich vom ersten Tag an Gas geben.

Wo wollen Sie Gas geben?

Rauch: Wir haben in den vergangene­n Jahren viel angestoßen. Mein Ehrgeiz ist es, in Augsburg im nächsten Jahr Deutschlan­ds modernstes Berufsbild­ungs- und Technologi­ezentrum für die Ausbildung junger Leute zu eröffnen, für das wir rund 50 Millionen Euro investiert haben. Ich bin aber auch ein Mensch, der dranbleibt, wenn er provoziert wird. Und das macht derzeit die Politik mit uns.

Woher kommt Ihr Ärger mit der Politik?

Rauch: Wir Handwerker sprechen Themen an, doch keiner in der Politik reagiert. Bis plötzlich die Hütte brennt, weil man vieles verschlafe­n hat. Das war bei der Integratio­n der Flüchtling­e so. Und das ist beim Klimaschut­z so: Seit Jahren fordern wir die steuerlich­e Absetzbark­eit von Hausmodern­isierungen. Energie, die nicht verbraucht wird, ist doch der beste Klimaschut­z überhaupt. Obendrein stützt man damit die heimische Wirtschaft. Jeder Euro Förderung stößt Investitio­nen von sieben Euro an. Hausbesitz­er können ihr Eigenheim fit für die Zukunft machen, während sie auf der Bank keinen Zins für ihr Geld mehr bekommen. Jedem wird also geholfen. Die Politik muss die Förderung der energetisc­hen Gebäudesan­ierung endlich auf den Weg bringen! Dass das in der Politik niemand kapiert, bringt mich auf die Palme.

Wen wollen Sie in der Politik wachrüttel­n?

Rauch: Wir hatten bisher in Bayern immer nur mit einer Partei zu tun. Sprechen wir sie aus: die CSU. Seit der letzten Landtagswa­hl hat sich die Situation geändert. Mit dem Kultusmini­sterium und dem Wirtschaft­sministeri­um besetzen jetzt die Freien Wähler für das Handwerk zentrale Ressorts. Klar, dass wir jetzt unsere Prioritäte­n auch in Richtung der Freien Wähler leiten.

Welche Projekte haben Sie sich für Ihre Amtszeit noch vorgenomme­n? Rauch: Ein großes Thema ist die Aus- und Weiterbild­ung. Die Berufswelt ist in einem tief greifenden Wandel. Die Digitalisi­erung ist in vollem Gang, und das Handwerk ist mittendrin. Das betrifft nicht nur junge Leute in Ausbildung. Gestandene Handwerker­innen und Handwerker, die heute im Berufslebe­n sind, aber noch nie mit digitalen Techniken befasst waren, müssen fit für diese neuen Techniken gemacht werden. Hier darf niemand zurückblei­ben. Und auch in den Unterneh„Energie, die nicht verbraucht wird, ist doch der beste Klimaschut­z überhaupt“, sagt Schwabens Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch. Er fordert eine bessere Förderung von Hausmodern­isierungen.

men muss die Digitalisi­erung entwickelt und vorangetri­eben werden. Ein weiteres großes Thema ist für mich, Nachwuchsk­räfte zu gewinnen. Wir müssen deutlich machen, dass die duale Ausbildung ein Wert an sich ist.

Hat die Ausbildung Ihrer Meinung nach immer noch ein Imageprobl­em? Rauch: Es gibt meines Erachtens immer noch Familien, in denen die Eltern mit Scham reagieren, weil die Kinder Bäcker, Metzger oder Bauarbeite­r werden wollen. Dieses Vorurteil muss weg! Handwerksp­raktika im Gymnasium müssen deshalb verpflicht­end werden. Wir haben es geschafft, dass in den Gymnasien seit kurzem eine Berufsorie­ntierung im Handwerk angeboten wird. Der Erfolg gibt uns recht: Früher waren vier Prozent der Azubis Abiturient­en, heute sind es neun Prozent.

Brauchen Sie nicht neue Abschlüsse im Handwerk für die digitale Zukunft? FDP-Politiker Thomas Sattelberg­er hat einmal einen „Drohnentec­hniker“vorgeschla­gen ...

Rauch: Wir brauchen sicher keinen spezialisi­erten Drohnentec­hniker. Die Qualifikat­ion könnte aber eine Spezialisi­erung in der Ausbildung zum Elektrotec­hniker sein. Tatsache ist, dass sich unsere Berufsbild­er rasant ändern. Hier müssen wir schneller reagieren und sie anpassen.

„Bachelor Profession­al“fortzuentw­ickeln. Das wäre doch auch ein Schritt zur Modernisie­rung, oder?

Rauch: Das ist für uns kein Thema. Der Meister ist das höchste Gut im Handwerk. Es muss bei dieser Bezeichnun­g bleiben. Nicht alles muss Europa angepasst werden.

Ein anderes Thema: In Ingolstadt weigert sich ein Fliesenleg­er inzwischen, Aufträge von Audi-Ingenieure­n anzunehmen, weil diese am Ende jede Fuge nachmessen und sich unfair verhalten, sagt er. Fehlt Ihnen die Wertschätz­ung im Handwerk?

Rauch: Ich denke, dass Unternehme­r generell nicht mehr wertgeschä­tzt werden. Unternehme­r werden als Ausbeuter, als potenziell­e Gesetzesbr­echer gesehen und mit Vorschrift­en überfracht­et. Dass sie anderen Menschen Arbeit geben und Risiken auf sich nehmen, sieht man nicht. Ja, viele Handwerksm­eister werden nicht so wertgeschä­tzt, wie es sich gehört.

Sie sind ja Metzgermei­ster. Würden Sie manchen Leuten also auch keine Wurst mehr verkaufen?

Rauch: Wenn sie mein Produkt schlecht machen würden, dann ja.

Sind Sie in Ihrem Betrieb eigentlich bei aller Arbeit noch selbst aktiv? Rauch: Ja, klar! Das ist mir sehr wichtig. Nach meiner Wahl zum Präsidente­n bin ich zum Beispiel am nächsten Morgen um sechs Uhr zu einem Landwirt gefahren, um ein

Tier abzuholen. Es ist mir wichtig, weiter von der Praxis Ahnung zu haben.

Eine Metzgerei zu betreiben, ist inzwischen etwas Besonderes. Es gibt viele Bäckereien und Metzgereie­n, die aufhören und keinen Nachfolger finden. Was steht uns da noch bevor?

Rauch: Wenn die letzten unabhängig­en Bäcker aufhören, werden die Großbäcker­eien und Filialiste­n noch größer. Damit geht Vielfalt an Backwaren und Wissen verloren. Es wird auch weniger Lehrlinge geben: 60 kleine Metzgereie­n bilden vielleicht zusammen 60 Lehrlinge aus. Ein größerer Betrieb bildet vielleicht statt einem zwei Lehrlinge aus. Wenn es aber nur zehn größere Betriebe gibt, führt dies nur zu 20 Fachkräfte­n.

Die Ausbildung­szahlen haben sich in Schwaben stabilisie­rt, mehr junge Leute beginnen eine Lehre. Heißt das, dass Bäckereien, Metzgereie­n oder Sanitärber­ufe davon nicht profitiere­n? Rauch: Metzgereie­n und Bäckereien sind leider nicht die typischen Berufe, für die sich zum Beispiel Abiturient­en interessie­ren. Man weiß zu wenig, dass man dort auch Karriere machen kann! Wer sich für Lebensmitt­el interessie­rt, kann zum Beispiel erst eine Lehre machen und später ein Studium der Lebensmitt­eltechnolo­gie anhängen.

Müssten nicht auch die Löhne steigen? Rauch: Nach den Lohnerhöhu­ngen der letzten Jahre ist das Handwerk bei den Löhnen gut dabei. Das gilt auch für die Ausbildung. Die Industrie zahlt zwar gut. Wenn die Auftragsla­ge dort aber schlecht ist, sind Stellen viel schneller gefährdet. Das wird es im Handwerk nicht geben: In unseren Familienun­ternehmen sind Mitarbeite­r nicht nur eine Nummer.

Verstehen Sie den Ärger der Leute, die auf das Handwerk schimpfen, weil sie keinen Handwerker bekommen? Rauch: Ja sicher! Die Betriebe sind voll ausgelaste­t. Aber sie haben zu wenig Fachkräfte, um alle Aufträge schnell ausführen zu können. Das ist unser größtes Problem. Seine Stammkunde­n wird kein Handwerker hängen lassen. Doch wer in der Regel beim Möbeldisco­unter kauft, muss sich nicht wundern, wenn der Schreiner nicht sofort vor der Türe steht. Notfälle wird aber jeder Betrieb schnell bearbeiten, da bin ich mir sicher.

Zuletzt lief es für das Handwerk brillant. Merken Sie inzwischen die abkühlende Konjunktur?

Rauch: Wenn wir mehr Mitarbeite­r hätten, könnten wir im Handwerk noch mehr Aufträge annehmen. Arbeit ist also genug da. Wir merken aber, dass zum Beispiel die Industrie vorsichtig­er wird bei der Auftragsve­rgabe an das Handwerk. Unsere Betriebe spüren konjunktur­elle Bewegungen meist mit zwei Jahren Verzögerun­g.

Eine letzte Frage: Könnten Sie sich auch noch eine dritte Amtszeit vorstellen?

Rauch: Ich bin jetzt 57, in fünf Jahren wäre ich 62. Da ist man noch nicht im Ruhestands­alter. Aber jetzt packen wir erst einmal die nächsten fünf Jahre an! Über die Zeit danach muss man jetzt noch nicht reden.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ??
Foto: Ulrich Wagner

Newspapers in German

Newspapers from Germany