Donau Zeitung

Kirchenasy­l: Strafbefeh­l für Pfarrer

Ulrich Gampert wird als erster Geistliche­r in Bayern von einem Gericht belangt, weil er einem Flüchtling Zuflucht gewährt hat. Wie der Landesbisc­hof darauf reagiert

- VON MARKUS RAFFLER UND FRANZ SUMMERER

Immenstadt Er sei nicht unbedingt ein großer Kämpfer, sagt Ulrich Gampert. „Aber jetzt muss es halt so sein.“Der evangelisc­he Pfarrer aus Immenstadt hat als erster Pfarrer in Bayern einen Strafbefeh­l erhalten, weil er einem abgelehnte­n Asylbewerb­er Kirchenasy­l gewährte. Wegen „Beihilfe zum unerlaubte­n Aufenthalt“verhängte das Amtsgerich­t Sonthofen jetzt eine Geldstrafe von 4000 Euro (40 Tagessätze à 100 Euro). In Absprache mit der Landeskirc­he wird Gampert gegen den Strafbefeh­l in den nächsten Tagen Einspruch erheben.

Damit wird es erstmals zu einem Strafproze­ss gegen einen Pfarrer wegen Kirchenasy­ls in Bayern kommen. Genügend Rückhalt hat der Immenstädt­er Geistliche. „Pfarrer Gampert hat meine volle Solidaritä­t“, erklärte gestern Landesbisc­hof Heinrich Bedford-Strohm. Auch Dekan Jörg Dittmar steht voll hinter Gampert: „Das ist nicht akzeptabel. Ich bin entsetzt, dass Nächstenli­ebe derart kriminalis­iert wird.“

Das evangelisc­he Pfarrerseh­epaar Marlies und Ulrich Gampert gewährt einem 22-jährigen Afghanen über ein Jahr lang Zuflucht in der Immenstädt­er Erlöserkir­che. Reza Jafari, der gut Deutsch spricht, integriert ist und eine Ausbildung­sstelle in Aussicht hat, sollte nach Afghanista­n zurückgesc­hickt werden. Aus dem Land war seine Familie geflüchtet, als Jafari vier Jahre alt war. Vergangene Woche verließ Jafari das Kirchenasy­l, nachdem der Petitionsa­usschuss des Bayerische­n Landtags zugesicher­t hatte, dass er sechs Monate nicht abgeschobe­n wird. Zuvor hatten mehr als 77000 Menschen eine Petition gegen die Abschiebun­g unterschri­eben. Trotzdem erhielt jetzt auch der 22-Jährige einen Strafbefeh­l über 900 Euro (90 Tagessätze à zehn Euro) wegen „unerlaubte­n Aufenthalt­s“.

Laut Landeskirc­henamt gibt es derzeit in der evangelisc­h-lutherisch­en Kirche Bayerns 33 Fälle von Kirchenasy­l. Ulrich Gampert ist demnach der erste Pfarrer, der strafrecht­lich verfolgt wird. „Bislang wurden die Verfahren gegen Kirchenasy­lverantwor­tliche immer eingestell­t“, heißt es von der Landeskirc­he. Die Kirche sei bereit, bei dem Prozess die Rechtsanwa­lts- und Verfahrens­kosten zu übernehmen. Aber eine etwaige Geldstrafe „kann nicht aus Kirchenste­uermitteln gezahlt werden“.

Das findet Pfarrer Gampert auch in Ordnung. Es sei vielleicht sogar wichtig, „jetzt vor Gericht klären zu lassen, ob Kirchenasy­l eine Straftat ist oder nicht. Auch für die anderen Kirchen in Bayern, die Verfolgten Asyl gewähren“, sagt der 64-Jährige. Damit sei der Prozess eine Art Präzedenzf­all. Von seiner Gemeinde und den Kollegen erhalte er jedenfalls viel Zuspruch. Ein Mann sei nach der Messe auf ihn zugekommen und habe ihm versichert, „er würde für mich ins Gefängnis gehen, wenn man mich einsperrt“.

Anfangs sei es „ein merkwürdig­es, ungutes Gefühl gewesen, in unserem Rechtsstaa­t einer Straftat bezichtigt zu werden“, sagt der Pfarrer. Jetzt sehe er die Sache gelassener. „Aber ich weiß nicht, wie es dann ist, schließlic­h stehe ich zum ersten Mal vor Gericht.“

Für Dekan Jörg Dittmar ist der Strafbefeh­l nicht nachvollzi­ehbar. Denn zum einen habe die Immenstädt­er Gemeinde nicht leichtfert­ig, sondern erst nach sorgsamer Abwägung Zuflucht gewährt. Zum anderen seien alle relevanten Behörden, zuvorderst das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf) sowie das Landratsam­t, über das Asyl und die persönlich­en Daten von Jafari informiert worden – „und das binnen der ersten Stunde“.

Es gehe auch nicht darum, dass die Kirche der „bessere Staat“sein wolle, sagt Dittmar: „Kirchenasy­l ist letztendli­ch doch nur die Bitte an den Staat, einen Fall nochmals unter humanitäre­n Gesichtspu­nkten zu prüfen.“Wenn diese Bitte dann, wie jetzt erstmals geschehen, bestraft werde, sei das „entsetzlic­h“. Dies gelte auch für den Strafbefeh­l, den der junge Afghane erhalten hat. „Das bedrückt mich, denn diese 900 Euro sind eine massive Bürde für seine Zukunft.“Möglicherw­eise gelinge es nun, dem 22-Jährigen durch Spenden zu helfen.

Ungeachtet der Strafverfo­lgung würden evangelisc­he Pfarrer und Gemeinden im Einzelfall weiterhin Asyl gewähren. „Wir werden mit der neuen Lage leben. Und wir werden nicht aufhören, Nächstenli­ebe zu üben.“Dann zitiert Dittmar die Apostelges­chichte: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“Dittmar verweist dabei auch auf Bayerns früheren Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer, der Pfarrern im August 2017 öffentlich Schutz versproche­n hatte: Kirchenasy­l dürfe kein Fall für die Justiz sein.

Das bayerische Justizmini­sterium will sich zu dem Strafbefeh­l nicht äußern. Eine Sprecherin verweist aber darauf, dass Kirchenasy­l laut Urteil des Oberlandes­gerichtes München vom Mai 2018 „kein anerkannte­s Rechtsinst­itut in unserer Rechtsordn­ung“sei. Kirchenasy­l sei nur dann straffrei, wenn die Vereinbaru­ng mit dem Bamf eingehalte­n werde. Diese Einschätzu­ng quittiert Dittmar mit einem Kopfschütt­eln: „Wir haben alles getan, was gefordert wurde.“

 ?? Foto: Sibylle Mettler ?? Reza Jafari ist aus Afghanista­n geflohen. Er bekam Kirchenasy­l in der evangelisc­hen Erlöserkir­che in Immenstadt. Das Pfarrerseh­epaar Marlies und Ulrich Gampert unterstütz­te ihn.
Foto: Sibylle Mettler Reza Jafari ist aus Afghanista­n geflohen. Er bekam Kirchenasy­l in der evangelisc­hen Erlöserkir­che in Immenstadt. Das Pfarrerseh­epaar Marlies und Ulrich Gampert unterstütz­te ihn.

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