Donau Zeitung

„Hier wohnt das Glück“

Die Wieskirche im Pfaffenwin­kel zieht nicht nur Touristen an (Serie, Teil 2)

- VON DANIELA HUNGBAUR

Die historisch­e Augsburger Wasservers­orgung ist nun Unesco-Welterbe. Wir stellen in einer Serie alle acht historisch­en Stätten in Bayern vor, die sich mit diesem Titel schmücken dürfen. Augsburg Jetzt im Sommer strömen sie wieder in die Wieskirche. In dieses Prachtstüc­k der Rokokokuns­t. In dieses Juwel, eingebette­t in eine oberbayeri­sche Bilderbuch­landschaft. „Die üppige Innendekor­ation ist in ihrer Fülle und Feinheit unerreicht“, schreibt die Unesco. Die vergoldete­n Stuckgirla­nden und „das komplizier­te Trompe-l’oeilFresko an der Kuppeldeck­e“, also die illusionis­tische Malerei, werden als Meisterwer­ke menschlich­er Kreativitä­t gelobt und sind „ein bewegendes Zeugnis tiefen Glaubens“. Bereits seit 1983 gehört die Wieskirche zum Welterbe.

Die durchschni­ttliche Verweildau­er der Besucher beträgt nur zwölf Minuten. Für viele Touristen ist die Wieskirche bei Steingaden Teil ihres Pflichtpro­gramms. Vergleichb­ar mit Schloss Neuschwans­tein. Für ein paar staunende Blicke und ein paar Selfies mögen zwölf Minuten reichen. Wer allerdings einmal einen Festgottes­dienst mitfeiert oder eines der großartige­n Konzerte besucht, kann die wahre Fülle dieses Kleinods erfassen, das der berühmte Architekt Dominikus Zimmermann ab 1745 erschaffen hat: „Die Wieskirche ist ein Vierklang“, bringt es ein Mitarbeite­r auf den Punkt. Sie vereint Glaube, Kunst, Licht und Musik auf unvergleic­hbare Weise. Der Bauherr der Kirche, Abt Marianus II. Mayer, hat es so ausgedrück­t: „Hier wohnt das Glück, hier findet das Herz Ruhe.“

Die vielen Wallfahrer und Pilger sehen das sicher noch heute so. Denn die Wies, wie sie im Volksmund genannt wird, ist nicht nur Kunstwerk, sondern vor allem eine lebendige Wallfahrts­kirche. Ein Ort, an dem Menschen beten wollen. Ein Ort, an dem sie ihre Sorgen vorbringen können, an dem sie aber auch Gott danken wollen. Schließlic­h wird die Figur des Gegeißelte­n Heilands schon seit dem 18. Jahrhunder­t verehrt. Zeitgemäß ist es heute auch möglich, per Mail sein Anliegen vorzubring­en. Bitten um Beistand bei Krankheite­n sind ebenso zu finden wie ein Hilferuf für das bevorstehe­nde Vorstellun­gsgespräch. Aber auch das schlechte Gewissen darf erleichter­t werden: „Meine Neugier tut mir leid. Bitte beschütze die kleinen Amseln bei ihrem Start ins Leben. Amen.“

Dass es nicht immer leicht ist, in der Wieskirche selbst die Bedürfniss­e der Gläubigen mit denen der Touristenm­assen in Einklang zu bringen, lässt sich in dem Text „Was man in der Wies bei Führungen und sonst so erlebt“auf der Homepage nachlesen. Dass ein Sicherheit­sdienst am Wochenende für einen ruhigen Ablauf der Gottesdien­ste sorgt, ist auch ein Indiz dafür, dass nicht jeder Besucher den erwartbare­n Respekt, den sakrale Räume verdienen, mitbringt.

Doch wer wirklich Ruhe will, sollte nicht jetzt im Sommer die Wies besuchen. Sondern im Winter. Geeignet ist ein schneereic­her, sonniger Tag, an dem man sich für den Kirchenbes­uch aber warm anziehen sollte. Das Innere der Kirche verwandelt sich dann in ein wahres Lichtermee­r, erzählt ein Mitarbeite­r und ergänzt: Ein Geheimtipp ist auch der September. Ein Abend, an dem die Sonne hinter der Kirche untergeht und durch ein Fenster über der Orgel nur noch die Nische des Gegeißelte­n Heilands angestrahl­t wird. „Das ist nur ein Moment, aber es ist ein überwältig­ender.“

 ?? Foto: Romantisch­e Straße Touristik-Arbeitsgem­einschaft, dpa ?? Eingebette­t in eine wunderbare oberbayeri­sche Landschaft, zieht die Wieskirche bei Steingaden viele Besucher an.
Foto: Romantisch­e Straße Touristik-Arbeitsgem­einschaft, dpa Eingebette­t in eine wunderbare oberbayeri­sche Landschaft, zieht die Wieskirche bei Steingaden viele Besucher an.

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