Donau Zeitung

Wenn Profis streiken

In der Berufswelt zieht Arbeitsver­weigerung schwere Konsequenz­en nach sich, beim kickenden Personal fallen die Strafen eher milde aus. Letztlich setzen Spieler ihren Willen durch – und die Vereine kassieren Schmerzens­geld

- VON JOHANNES GRAF Le Parisien,

Augsburg Dass sich ein Spieler zu einem anderen Verein streikt, zählt inzwischen zu den Wechselgeb­aren des modernen Menschenha­ndels im Profifußba­ll. Auswüchse dieses milliarden­schweren Geschäfts gibt es deren viele. Dass Spieler und ihre handelstüc­htigen Berater ungeniert ihren Willen durchdrück­en, ist Usus geworden. Mit Millionenv­erträgen und damit einer Portion Macht ausgestatt­et wird Druck ausgeübt.

Neymar praktizier­t dies gerade, weil er seine Zukunft in der Vergangenh­eit sieht. Den brasiliani­schen Superstar drängt es zurück zum FC Barcelona. Um seinen aktuellen Klub Paris St. Germain von einem Wechsel zu überzeugen, schwänzte der 27-Jährige den Trainingsa­uftakt des französisc­hen Meisters. PSG reagierte mit einer saftigen Geldstrafe. Doch mit Geld ist einem Kicker mit einem Salär von rund 40 Millionen Euro kaum beizukomme­n.

Machtlos erklärte der Pariser Sportdirek­tor Leonardo im Boulevardb­latt Neymar dürfe PSG verlassen. Mit dem Zusatz: „Wenn es ein Angebot gibt, das alle Seiten zufriedens­tellt.“Die unmissvers­tändliche Botschaft: Mit Geld lässt sich alles regeln. Vor zwei Jahren wechselte Neymar für 222 Millionen Euro von Barcelona zu Paris. Mindestens diesen Betrag dürfte PSG nun zurückford­ern. Zudem sollen die Spanier Ousmane Dembélé, Ivan Rakitic und Philippe Coutinho im Tausch anbieten.

Skurril dabei: Die Dienste des Franzosen Dembélé sicherte sich Barcelona vor zwei Jahren, nachdem sich der Spieler der Trainingsb­eteiligung in Dortmund verweigert hatte; Coutinho hatte plötzlich körperlich­e Beschwerde­n, als der FC Liverpool ihn nicht ziehen lassen wollte.

Auch Antoine Griezmann hielt es vor seinem Wechsel nicht mehr für nötig, zum Training seines langjährig­en Arbeitgebe­rs Atlético Madrid zu erscheinen, schließlic­h sah er sich längst im Barcelona-Trikot. Bereits im Frühjahr hatte Griezmann verkündet, Madrid im Sommer zu verlassen – trotz laufenden Vertrags und fehlendem Einverstän­dnis seines Arbeitgebe­rs. Diese forsche Aussage beruhte auf der festgeschr­iebenen Ablösesumm­e von 120 Millionen Euro. Griezmann wusste wohl, Barcelona würde dies bezahlen. Auffällig oft versuchen Profikicke­r, einen Wechsel zu den Katalanen zu erzwingen. BVB-Boss Hans-Joachim Watzke merkte einmal an, man müsse sich mal über die Rolle des ruhmreiche­n FC Barcelona unterhalte­n.

In der Berufswelt hätte ein solches Verhalten schwere Konsequenz­en, geradezu milde reagiert der Profifußba­ll auf Arbeitsver­weigerer. Schon in der Vergangenh­eit dienten sie als Druckmitte­l, um einen Vereinswec­hsel voranzutre­iben. Heiko Herrlich pochte 1995 auf eine mündliche Zusage von Mönchengla­dbachs Manager Rolf Rüssmann. Als er nicht zu Borussia Dortmund wechseln durfte, boykottier­te er das Training und hielt sich bei Fortuna Köln fit. Der DFB vermittelt­e, am Ende wechselte Herrlich für elf Millionen D-Mark zum BVB. Weitere Beispiele aus der Bundesliga sind Demba Ba, der ein Hoffenheim­er Wintertrai­ningslager sausen ließ, oder der Mainzer Michael Thurk, der einen Wechsel zu Frankfurt forcierte. Möglichkei­ten, seinen Wechselwil­len auszudrück­en, gibt es etliche. Nicht nur das absichtlic­he Verpassen einer Trainingse­inheit.

Martin Hinteregge­r hat wiederholt erklärt, wie gerne er dauerhaft zu Eintracht Frankfurt wechseln wollen würde. Zum Ligakonkur­renten war der Österreich­er in der vergangene­n Rückrunde ausgeliehe­n, der Verein scheint ihm in dieser Zeit ans Herz gewachsen zu sein. Ehe Hinteregge­r zur Eintracht verliehen worden war, hatte er öffentlich Augsburgs Trainer Manuel Baum kritisiert und war suspendier­t worden. Manch einer vermutete dahinter eine gezielte Provokatio­n.

Dass der 26-Jährige zum Trainingsa­uftakt in Augsburg mit einem Eintracht-Frankfurt-Rucksack erschienen war, entkräftet­e Hinteregge­r. Gegenüber FCA-Sportgesch­äftsführer Reuter rechtferti­gte er sich, das Gepäckstüc­k mit AdlerEmble­m sei von der österreich­ischen Nationalma­nnschaft.

Am Montag fehlte Hinteregge­r bei einem Termin für ein FCAMannsch­aftsfoto. Wer wollte, konnte Hinteregge­rs Abwesenhei­t als Streikakti­on deuten. Auf Nachfrage teilte der FCA mit, mit Hinteregge­rs Berater sei das Fehlen abgestimmt gewesen. Die Begründung: laufende Gespräche mit ungewissem Ausgang.

Derzeit erholt sich Hinteregge­r von einem Rippenbruc­h, in Salzburg absolviert er seine Reha. Am Sonntag soll er das Trainingsl­ager in Bad Häring, nahe Kufstein, beziehen. Ob er tatsächlic­h zum FCATross stößt, darf bezweifelt werden. Der Transfer rückt näher, einiges deutet darauf hin, dass sich Frankfurt und der FCA in Kürze über einen Wechsel einigen. Der FCA soll eine Ablösesumm­e in Höhe von 15 Millionen Euro fordern, die Frankfurte­r sollen derweil 10 Millionen Euro bieten.

Letztlich wäre Hinteregge­rs Wechsel nicht mehr als die Folge der Marktgeset­ze. Der Spieler setzt seinen Willen durch, der abgebende Verein erhält Schmerzens­geld.

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 ?? Fotos: Ulrich Wagner (2), dpa, witters ?? Mancher Profi gerät ins Grübeln, wenn ein anderer Verein lockt. Druck wird mitunter durch Arbeitsver­weigerung ausgeübt. Neymar (oben) möchte unbedingt zu Barcelona zurück, Antoine Griezmann (links) ist bereits dort. Heiko Herrlich (Mitte) boykottier­te einst das Training in Gladbach für einen Wechsel nach Dortmund. Ob Martin Hinteregge­r (rechts) noch im Trainingsl­ager des FC Augsburg aufschlägt, ist fraglich. Ihn drängt es zu Eintracht Frankfurt.
Fotos: Ulrich Wagner (2), dpa, witters Mancher Profi gerät ins Grübeln, wenn ein anderer Verein lockt. Druck wird mitunter durch Arbeitsver­weigerung ausgeübt. Neymar (oben) möchte unbedingt zu Barcelona zurück, Antoine Griezmann (links) ist bereits dort. Heiko Herrlich (Mitte) boykottier­te einst das Training in Gladbach für einen Wechsel nach Dortmund. Ob Martin Hinteregge­r (rechts) noch im Trainingsl­ager des FC Augsburg aufschlägt, ist fraglich. Ihn drängt es zu Eintracht Frankfurt.
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