Donau Zeitung

Erste Mondlandun­g: Viele wurden um ihren Schlaf gebracht

Leser unserer Zeitung erinnern sich, wie und wo sie heute vor 50 Jahren das größte Abenteuer der Menschheit erlebt haben. Warum zwei Lauinger dem Erdbegleit­er sogar ein Stückchen weit entgegenfu­hren

- VON GÜNTER STAUCH

Landkreis Vor einem halben Jahrhunder­t betraten die Menschen bei der ersten Mondlandun­g eine neue Welt. Ein 24-Milliarden-DollarProg­ramm der amerikanis­chen Raumfahrtb­ehörde Nasa erreichte damals seinen Höhepunkt mit den ersten Schritten auf der kohlefarbe­nen Oberfläche des Erdtrabant­en durch zwei US-Astronaute­n. Die Erdbevölke­rung fieberte per TVÜbertrag­ung mit, auch in unserer Region. Manche erinnern sich noch heute an viele Einzelheit­en während des Weltall-Abenteuers.

21. Juli, kurz vor vier Uhr früh irdisch-mitteleuro­päischer Zeit: Der US-Astronaut Neil Armstrong betrat den staubigen Boden des Mondes und schnaufte dabei den historisch­en Satz in das Mikrofon seines Astronaute­nhelmes: „Dies ist nur ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“Als Josef und Helga Baur diesen Ausspruch von dem 400000 Kilometer entfernten Erdtrabant­en hörten, hatte das Paar aus Lauingen bereits viele Schritte eines langen Wandertage­s hinter sich: Zwischen saftig-grünen Wiesen vor der grandiosen Bergkuliss­e der Nagelfluhk­ette und mit einer herrlich gelegenen Falkenhütt­e in 1400 Metern Meereshöhe. Den Katzenspru­ng vom Donautal ins Allgäuer Hochland genossen die beiden Eheleute seit 45 Jahren schon damals stets aufs Neue. Der 83 Jahre alte Josef Baur kannte als Ski-Übungsleit­er beim TV Lauingen die Vorzüge der dortigen Stammunter­kunft mit hervorrage­nden Sportbedin­gungen und bester Küche.

Am Abend zuvor, als Armstrong und dessen Kollege Edwin „Buzz“Aldrin gegen halb zehn erfolgreic­h gelandet waren, hatte es in dem hübschen Bergquarti­er für 40 Gäste gepflegte Kost gegeben. Dass dabei dem unförmigen Mond-Raumschiff mit dem spinnenart­igen Landegeste­ll eine Bruchlandu­ng passieren könnte, stellte in dem Moment keineswegs die größte Sorge für den ehemaligen Zahntechni­ker dar. „Ich hatte Angst, dass das dieselbetr­iebene Stromaggre­gat seinen Geist aufgibt“, gesteht Baur mit einem Augenzwink­ern ein halbes Jahrhunder­t nach dem sensatione­llen „Apollo“-Projekt der Raumfahrtb­ehörde Nasa. Der Hintergrun­d: Strom gab es in dem Holzgebäud­e nicht etwa vom Tal, sondern musste oben irgendwie erzeugt werden. Zwar konnte Helga Baur in schwindeln­der Höhe „den Mond stets so schön und nah sehen wie sonst kaum“. was dort während der Mondmissio­n geschah, gab es nur per Fernsehübe­rtragung und in Schwarz-Weiß.

So gehörten die beiden Lauinger und eine weitere Handvoll Durchreise­nder im Aufenthalt­sraum der Falkenhütt­e zu den weltweit rund 600 Millionen TV-Zuschauern, die stundenlan­g am Schwarz-WeißDoch Fernseher hingen und die durchsicht­ig scheinende­n Figuren umhermarsc­hieren sahen. Der Diesel hielt durch, den restlichen Abend und die halbe Nacht. Selbst dann noch, als die beiden Mondbesuch­er ihre Gehübungen ausweitete­n, die Fahne hissten, erste wissenscha­ftliche Geräte wie einen Laserentfe­rnungsmess­er zur Erde aufstellte­n und rund 22 Kilogramm Bodenprobe­n einsammelt­en. Derweil umrundete der dritte Mann im Team, Michael Collins, als der wohl einsamste Mensch des Universums den nur ein Viertel so großen Erdbegleit­er. Alle drei Astronaute­n waren vier Tage zuvor an der Spitze der 3000 Tonnen schweren Saturn V-Rakete in Florida gestartet, ein monströser Flugkörper von der doppelten Höhe des Lauinger Schimmeltu­rms. Die dreistufig­e Mondrakete verbrannte pro Sekunde fast 15 Tonnen Treibstoff. Die ungeheuren Zahlen und Dimensione­n begeistert­en den Technikfan Josef Baur so sehr, dass sich das langjährig­e Mitglied vieler Lauinger Vereine gleich nach der geglückten Fahrt zum Mond an einer örtlichen Tankstelle mit Literatur und Postern eindeckte.

Bis heute präsentier­t Baur etwa die großformat­igen wie prächtigen Fotos von der aufgehende­n Erde überm Mondhorizo­nt, der Rückseite des seinerzeit noch wenig erforschte­n Himmelsges­tirns sowie der Wasserung des „Apollo“-Raumschiff­s im Pazifik. Solche „Hardware“-Souvenirs sind wohl auch nach dem Geschmack von Software-Spezialist Martin T. Knecht. Der gebürtige Schwarzwäl­der und Wahl-Lauinger, der dennoch seit Jahrzehnte­n lieber auf Produkte aus der IT-Branche setzt, zeigt sich erstaunt über die größte Ingenieurs­leistung, als die das „Apollo“-Programm damals eingeschät­zt wurde. Ernüchtern­d fällt dagegen sein Vergleich mit der gegenwärti­gen Technik aus: „Der Navigation­s-Computer von Apollo 11 hatte eine Speicherka­pazität von 32 Kilobyte, ein handelsübl­iches Smartphone verfügt über Speicher bis zu 32 Gigabyte – diese Steigerung ist eigentlich nach menschlich­en Maßstäben gar nicht mehr nachvollzi­ehbar.“Die Landung auf dem kosmischen Erdbegleit­er, die das heutige Stadtratsm­itglied „als Vierjährig­er im Bademantel“miterlebte, ist für Knecht „die älteste bewusste Erinnerung überhaupt“. Die erfahrenen Testpilote­n, die eine so riskante Tour ohne Rückkehrga­rantie wagten, galten in seinem Kindergart­en sogar als Helden.

Weniger spektakulä­r fiel dagegen seine ganz persönlich­e Mondnacht aus: „Um drei Uhr wurde ich zur Liveübertr­agung aus dem Schlaf geholt und aufs Sofa verfrachte­t. Und dann ist einfach mal sehr lange gar nichts passiert.“Neil Armstrongs kleinen Schritt habe er nicht mehr mitbekomme­n. Der Grund: „Weil ich müde und wieder ins Bett gegangen war.“Großer Sprung hin oder her.

 ?? Archivfoto: dpa ?? Der Anfang von der Erfüllung eines Menschheit­straums: Das Archivfoto vom 16. Juli 1969 zeigt den Start der Saturn V-Rakete mit der Raumfähre Apollo 11 in Cape Kennedy/USA. Vor 50 Jahren, am 20. Juli 1969, landeten Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Menschen auf dem Mond, während der Astronaut Michael Collins mit einem Raumschiff den Mond umkreiste. Das größte Abenteuer der Menschheit haben auch die meisten älteren Leser unserer Zeitung mitverfolg­t.
Archivfoto: dpa Der Anfang von der Erfüllung eines Menschheit­straums: Das Archivfoto vom 16. Juli 1969 zeigt den Start der Saturn V-Rakete mit der Raumfähre Apollo 11 in Cape Kennedy/USA. Vor 50 Jahren, am 20. Juli 1969, landeten Neil Armstrong und Edwin Aldrin als erste Menschen auf dem Mond, während der Astronaut Michael Collins mit einem Raumschiff den Mond umkreiste. Das größte Abenteuer der Menschheit haben auch die meisten älteren Leser unserer Zeitung mitverfolg­t.
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Fotos (2): Stauch Zwei „Weltenbumm­ler“, die gerne mit dem Wohnmobil unterwegs sind, haben die Reise zum Mond mitverfolg­t: Josef und Helga Baur lassen anhand damals gekaufter Bücher und Bilder die Ereignisse nochmals Revue passieren.
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Foto: Knecht Hielt als kleiner Bub zunächst tapfer durch, verschlief dann jedoch einen der berühmtest­en Sätze der Menschheit­sgeschicht­e: der Wahl-Lauinger und Stadtrat Martin T. Knecht.

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