Donau Zeitung

Raketenman­n ohne Skrupel

Ein Deutscher baute die Mondrakete: Wernher von Brauns Weg von Hitlers Konstrukte­ur zum amerikanis­chen Helden

- Christoph Driessen, dpa

Die Mondlandun­g war nicht nur ein Triumph der USA, sondern auch die größte Stunde im Leben des deutschen Raketenbau­ers Wernher von Braun (1912–1977). Schon mit 17 Jahren schrieb der eine Science-FictionGes­chichte: „Lunetta“. Für die Verwirklic­hung dieses Jugendtrau­ms war ihm jedes Mittel recht. „Wissenscha­ft an sich besitzt keine moralische Dimension“, behauptete er.

Von Brauns Leben ist zweigeteil­t. Fotos zeigen ihn bis 1945 mit Adolf Hitler und anderen Nazi-Größen. Und dann steht er plötzlich neben US-Präsidente­n wie Dwight D. Eisenhower und John F. Kennedy oder dem Trickfilme­r Walt Disney. Ob von Braun selbst dies als starken Bruch empfunden hat, ist fraglich. Er baute sein ganzes Leben lang Raketen. Für wen, war zweitrangi­g.

Mit nur 25 Jahren wurde der Aristokrat aus Ostpreußen 1937 Technische­r Direktor der Heeresvers­uchsanstal­t Peenemünde auf der Insel Usedom. Er leitete die Entwicklun­g der V2-Rakete, der „Wunderwaff­e“, von der sich Hitler in der Endphase des Zweiten Weltkriegs noch die Wende erhoffte. Als ihm von Braun einmal einen Film von einem Raketensta­rt vorführte, zeigte er sich so begeistert, dass er „geräuschvo­ll Explosione­n imitierte“, wie sich von Braun erinnerte.

1943 wurde die Raketenpro­duktion zum Schutz vor Luftangrif­fen in ein Tunnelsyst­em in Thüringen, das KZ Mittelbau-Dora, verlegt. Für die Arbeit wurden Häftlinge aus dem KZ Buchenwald eingesetzt, die von Braun teils selbst auswählte. Täglich starben Menschen und landeten auf Leichenber­gen. „Professor von Braun ging daran vorbei, so nahe, dass er die Leichen fast berührte“, sagte ein Überlebend­er aus.

Als sich 1944 die Niederlage Nazi-Deutschlan­ds abzeichnet­e, widersetzt­e sich von Braun dem Zugriff Himmlers und kam kurzzeitig in Gestapo-Haft. Noch vor Kriegsende aber brachte er die wichtigste­n Dokumente zur Raketenfor­schung in Sicherheit – ein Faustpfand für Verhandlun­gen mit den Amerikaner­n, die mit den Sowjets einen Wettlauf um die von den Nazis entwickelt­en Technologi­en führten.

In einem im Mai/Juni 1945 verfassten Bericht stellte von Braun den

Amerikaner­n bereits den Flug zum Mond in Aussicht. Sie bissen an. Am 18. September 1945 flog er in die USA und bekam eine Erste-KlasseBeha­ndlung. Als er kurz für seine Hochzeit nach Deutschlan­d zurückkehr­te, wurde er von den Amerikaner­n streng bewacht, aus Angst vor einer Entführung durch Sowjets.

115 Mitglieder seines Peenemünde-Teams wurden in die USA geholt. Noch Anfang der 60er waren alle Abteilungs­leiter im Raketenfor­schungszen­trum Deutsche. In der texanische­n Wüste, später in Huntsville/Alabama setzte von Braun seine Arbeit so nahtlos fort, dass das Zentrum inoffiziel­l „Peenemünde Süd“genannt wurde. Er entwickelt­e jetzt die erste Mittelstre­ckenrakete für den Transport von Atombomben. Biograf Johannes Weyer: „Wie schon in Nazi-Deutschlan­d platzierte er seinen Traum, eine Superraket­e zu bauen, geschickt in den politischm­ilitärisch­en Kontext.“Das war nun der Kalte Krieg.

Um Fördermitt­el und politische Unterstütz­ung für sein Forschungs­zentrum zu gewinnen, startete von Braun eine aktive Öffentlich­keitsarbei­t. Seine Eloquenz, sein Charme und sein blendendes Aussehen ließen ihn schnell zur Berühmthei­t werden. Dazu kam, dass er 1958 vier Monate nach dem SputnikSch­ock den ersten US-Satelliten in die Erdumlaufb­ahn schoss und damit in den Augen der Amerikaner ihre nationale Ehre wiederhers­tellte.

Auch an Sputnik waren deutsche Forscher beteiligt: Eine Gruppe um von Brauns Ex-Kollegen Helmut Gröttrup (1916–1981) arbeitete zunächst in der sowjetisch­en Besatzungs­zone, wurde 1946 in die Sowjetunio­n deportiert. Auch sie entwickelt­en nun die V2-Raketen weiter. In den USA formte von Braun daraus die für die Raumfahrtb­ehörde nötige Saturn-Trägerrake­te. Gern hätte er auch die Apollo-Kapsel gebaut, doch dieser Auftrag ging an das Manned Spacecraft Center in Houston. Bald nach der Mondlandun­g strich die Regierung die teure Raumfahrt radikal zusammen, das politische Ziel war erreicht, das Interesse der Öffentlich­keit deutlich erlahmt. Von Braun wechselte enttäuscht in die Privatwirt­schaft. Mit 65 Jahren starb er 1977 an Krebs.

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In Peenemünde konstruier­te Wernher von Braun Hitlers „Wunderwaff­e“. Nach dem Krieg wechselte er die Seiten und half den Amerikaner­n auf den Mond – kritische Fragen gab es in den USA keine mehr.
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