Donau Zeitung

Das aktuelle Thema Ist Siemens-Chef Joe Kaeser der Held unter den Managern?

- PRO STEFAN STAHL CONTRA RUDI WAIS

Der Siemens-Chef wandert mit seinen politische­n TwitterKom­mentaren auf einem schmalen Grat. So muss sich Joe Kaeser kritische Fragen gefallen lassen, warum er US-Präsident Donald Trump früher nicht richtig angegriffe­n hat und jetzt plötzlich heftig attackiert. Das sollten mutige Menschen aber ertragen. Der Manager stößt lustvoll Debatten an.

Das nötigt Respekt ab. Kaeser ist ein guter Bürger. Viele Top-Manager verkneifen sich hingegen Kommentare zum Weltgesche­hen, auch weil sie Angst haben, das könnte dem Absatz ihrer Produkte schaden. Es ist auffällig, dass deutsche AutoBosse den außer Rand und Band befindlich­en US-Präsidente­n – auch aus Angst vor seiner ZollKeule – verbal schonen.

Kaeser tut das nicht. Er traut sich was, denn der Manager muss damit rechnen, dass Trump versucht, auch Siemens als großem Arbeitgebe­r in den USA und machtvolle­m Exporteur auf die Finger zu hauen. Damit beweist der Unternehme­ns-Chef Zivilcoura­ge, eine Tugend, die unter

den Lenkern von Aktiengese­llschaften ein „Under-Performer“ist, um es im Börsen-Jargon zu sagen. Dabei riskiert der Manager Attacken übelster Art auf seine Person und muss sich als „ekelhaftes Kommuniste­n-Schwein“schmähen lassen. Kaeser ist kein Linker, sondern ein weltoffene­r und toleranter Kopf, der die Hoheit über die Stammtisch­e nicht der AfD und anderen Populisten wie Trump überlässt. Letztlich zieht der Bayer für sich die Lehren aus dem gescheiter­ten Weimarer Demokratie­versuch und aus der NS-Diktatur. Er mischt sich ein, um Liberalism­us und Demokratie zu stützen. Kaeser will beweisen, dass jeder etwas gegen Rassismus, Intoleranz und Dummheit tun kann. Das ist pädagogisc­h wertvoll. Der Konzern-Chef darf hier nicht nachlassen. Manchmal würde man sich von Politikern aus den Reihen von CDU und CSU ebenso klare Worte wie vom obersten Siemensian­er wünschen.

Wenn Mut-Bürger Kaeser weiter so konsequent kämpft und twittert, wäre er sicher einmal ein interessan­ter Bundespräs­ident.

Wer wie Joe Kaeser mit dem Finger auf andere zeigt, sollte eines nie vergessen: Drei Finger zeigen stets auf einen selbst zurück. Als großer Kämpfer für Demokratie und Menschenre­chte jedenfalls ist der Siemens-Chef, der sich jetzt telegen mit dem amerikanis­chen Präsidente­n anlegt, bislang nicht aufgefalle­n. Ganz im Gegenteil. Den Einmarsch auf der Krim spielte Kaeser als „kurzfristi­ge Turbulenze­n“herunter – Hauptsache, sie stören das Geschäft mit den Russen nicht. Auch im Iran, in Saudi-Arabien oder China, alles wichtige Märkte für Siemens, verkneift sich der Konzernche­f jede kritische Anmerkung über die Hinrichtun­gsorgien des Mullah-Regimes, den Krieg im Jemen oder die staatliche Zensur in den sozialen Netzwerken in China. Sich öffentlich mit diesen Regimen anzulegen verlangt Mut, Haltung und die Bereitscha­ft, deshalb auch einmal einen Großauftra­g zu verlieren.

Auf Donald Trump einzudresc­hen, so viel Angriffsfl­äche der auch bieten mag, ist für Joe Kaeser um einiges risikolose­r – und ziemlich

wohlfeil obendrein, weil einem der Beifall der Netzgemein­de bei jedem Anti-Trump-Tweet sicher ist. Dass der Siemens-Chef dafür als aufrechter Unternehme­r gefeiert wird, der dem mächtigste­n Mann der Welt die Meinung geigt, hat etwas Heuchleris­ches. Es ist schließlic­h noch nicht lange her, dass Kaeser Trump regelrecht um den Bart gegangen ist, weil von dessen milliarden­schweren Steuersenk­ungen auch Siemens profitiere­n wird.

Gemessen wird ein Spitzenman­ager nicht an dem, was er über andere twittert, sondern an dem, was er leistet – und da fällt die Bilanz von Joe Kaeser doch ziemlich durchwachs­en aus. Die Fusion seiner Bahn-Sparte mit dem französisc­hen Konzern Alsthom? Gescheiter­t. Der Stellenabb­au im Kraftwerks­geschäft? Eine Folge strategisc­her Fehleinsch­ätzungen. Der Kurs der Siemens-Aktie? Ist seit Beginn von Kaesers Amtszeit deutlich langsamer gestiegen als der Dax. Dafür hat der Konzernche­f gerade einen Milliarden­auftrag über 13 Hochgeschw­indigkeits­züge eingefahre­n – aus Russland.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Das Amt des US-Präsidente­n wird unter Donald Trump nach Ansicht von Siemens-Chef Joe Kaeser zum „Gesicht von Rassismus und Ausgrenzun­g“. Das bedrücke ihn, schrieb Kaeser jüngst bei Twitter. Bereits zuvor hat sich der Siemens-Chef pointiert geäußert, zum Beispiel als Replik auf AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel: „Lieber Kopftuchmä­del als Bund Deutscher Mädel.“Aber ist so viel Einmischun­g gut?
Foto: Ulrich Wagner Das Amt des US-Präsidente­n wird unter Donald Trump nach Ansicht von Siemens-Chef Joe Kaeser zum „Gesicht von Rassismus und Ausgrenzun­g“. Das bedrücke ihn, schrieb Kaeser jüngst bei Twitter. Bereits zuvor hat sich der Siemens-Chef pointiert geäußert, zum Beispiel als Replik auf AfD-Fraktionsc­hefin Alice Weidel: „Lieber Kopftuchmä­del als Bund Deutscher Mädel.“Aber ist so viel Einmischun­g gut?
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