Muss man das Meer sehen?
Fliegen ist schlecht für die Umwelt – sollte man lieber daheimbleiben? Wie Menschen aus der Region dazu stehen
Gestern Zeugnis, heute in den Flieger? So stehen die Menschen im Landkreis zu Flugreisen und Urlaub.
Landkreis Muss man überhaupt in den Urlaub fliegen? Erst der Stau auf der Autobahn, dann der Stress am Flughafen – und dann der Blick auf die eigene Ökobilanz: Sollte man da nicht einfach daheimbleiben? Wir haben nachgefragt, unter anderem bei dem Organisator von ‚Fridays for Future‘ im Landkreis, Niklas Zöschinger aus Höchstädt. Er demonstrierte am vergangenen Freitag mit anderen Mitstreitern in Dillingen. Gemeinsam skandierten sie etwa „Kohlestopp, hopp, hopp, hopp“. Sollte man auch seine Reisegewohnheiten stoppen, zugunsten der Umwelt? Zöschinger ist der Meinung: „Man kann nicht pauschal sagen, dass man nicht mehr guten Gewissens in den Urlaub fahren darf.“Es komme immer darauf an. Er selbst etwa mache in diesem Sommer Urlaub in Kroatien. Die Strecke dorthin fährt er mit dem Fernbus. „Das dauert etwas länger, ist aber umweltfreundlicher, als mit dem eigenen Auto zu fahren oder zu fliegen“, sagt Zöschinger. Grundsätzlich der 18-Jährige auch kein Problem damit, wenn jemand mehrfach im Jahr in den Flieger steigt. „Das liegt im Ermessen jedes Einzelnen“, sagt Zöschinger. „Wichtig ist, dass man sich klar macht, welche Auswirkungen das eigene Handeln hat. Vielen ist das gar nicht bewusst.“Und wer das ganze Jahr über unter ökologischen Gesichtspunkten lebe, könne sich selbstverständlich den Urlaub gönnen, den er sich wünscht – auch wenn es dafür mit dem Flieger in die Ferne geht, betont Zöschinger.
Für Gastronom Josef Stark aus Wertingen ist Fliegen einfach zu billig. „Wenn häufig das Taxi zum Flughafen teurer ist als der Flug in den Urlaub, kann etwas nicht stimmen“, sagt der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes. Er selbst hat seinen Urlaub erst im Frühherbst eingeplant. Dieses Jahr gehe es mit dem Auto in die Normandie. Dann sei der Betrieb auch für zwei Wochen geschlossen. Bei seinen Kollegen richte sich der Urlaub nach der persönlichen Situation. Wer schulpflichtige Kinder hat, werde sich nach ihren Ferien richten und dann auch Urlaub machen, sagt Josef Stark. Als Wirt vom Landgasthof Stark merkt er, dass jedes Jahr mehr Urlaubsgäste während der Ferien im Landkreis Dillingen unterwegs sind.
„Der Kreis Dillingen gefällt mir so gut, ich muss nicht weg“, sagt Reinhold Sing aus Wittislingen. Gut, sein Garten sei auch so groß, der spanne ihn von früh bis spät ein. Wenn es zu heiß wird, dann geht es zum Bergheimer Weiher südlich vom Schabringer Sportplatz, sagt der SPD-Kreisrat. Familie Penkert aus Oberbechingen macht höchstens Ausflüge mit dem Fahrrad. Das habe nichts mit Geiz zu tun. „Reisen ist so günstig geworden, wir Rentner könnten jeden Tag woanders sein“, meint Otmar Penkert. Und überlegt, wo sein Pass ist. Braucht er so selten. Höchstens bei einer Busfahrt mit dem Gartenbauverein erreiche er mal Österreich. „Dass wir nicht verreisen, ist eine Frage der Einstellung. Es ist Kopfsache. Alles, was wir brauchen, ist ein schöner Biergarten“, sagt der Vorsitzende des Oberbechinger Gartenbauvereins.
Andere können vielleicht gar nicht in den Urlaub fahren, einfach, weil das Geld fehlt. Schwester Maria Elihabe sabeth sind die Ferien ganz wichtig. Anfangs sei es für die Kinder auch ganz befreiend, dass sie nicht in die Schule müssen. „Dann erscheint ein furchtbares Phänomen: die Langeweile“, sagt Schwester Maria Elisabeth und lacht. Manche Kinder können zu Verwandten oder Freunden fahren, aber eben nur kurz. Alle anderen hätten schnell das Gefühl, sie würden zurückgelassen. Doch das Team des Kinderheimes lässt sich viel einfallen, um die Zöglinge bei Laune zu halten. Sie können im Zelt, im Tipi oder im Erdhaus auf dem Gelände übernachten; Ausflüge mit den Ponys und Eseln des Tierheimes gehören dazu oder der Engeltag am heutigen Samstag: Mit einem Bus fahren alle Kinder mit Studenten und Akademikern nach München und verbringen einen Engeltag. „Jedes Kind hat einen Erwachsenen als Betreuer, einen Engel, der den ganzen Tag nur für es Zeit hat. Das ist etwas ganz Tolles“, erzählt die Leiterin des Kinderheims. Eine ganze Truppe will noch am Georg-Weinhart-Pilgerweg von Nördlingen nach Gersdorf in Mittelfranken laufen. Sogar Sechs- und Siebenjährige seien eifrig dabei. Die Älteren würden sich lieber am Baggersee mit Freunden treffen, Zeit für sich haben. Ein junger Mann spare das ganze Jahr für drei Tage in London. Die einzige Zeit, die er mit seinem Vater verbringt. Natürlich sei das eine Flugreise, sagt Schwester Maria Elisabeth – aber sollte man nicht unterscheiden, wer wie oft wohin fliegt, bevor man ein schnelles Urteil fällt? Früher, da fuhren sie zusammen regelmäßig in ein Haus ins Allgäu. Finanziert, wie viele Freizeitangebote, über Spenden. Bis eines Tages ein Junge zu Schwester Maria Elisabeth sagte: „Ich möchte ein Mal das Meer sehen.“Der Gedanke war geboren. „Jetzt fahren wir mit 50 Kindern vom Säugling bis zum jungen Erwachsenen wieder mit dem Bus für eine Woche nach Kroatien ans Meer“, sagt sie und man spürt die Vorfreude.
In einem einfachen Selbstversorgerhaus sind sie untergebracht. Dort, am Meer, würden alle Kraft tanken für das ganze restliche Jahr. Es sei so wichtig, den Alltagstrott zu durchbrechen und abzuschalten. Und dazu könne eben auch gehören, das Meer zu sehen.