Donau Zeitung

Süd-Länder fühlen sich im Gülle-Streit gegängelt

Bayern und Baden-Württember­g wollen bereits beschlosse­ne Maßnahmen gegen Überdüngun­g zuerst auf ihre Wirksamkei­t prüfen

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Dass die EU-Kommission die Daumenschr­auben im Kampf gegen zu viel Gülle auf den Äckern noch einmal anzieht, stößt in Bayern und Baden-Württember­g auf Unverständ­nis. Brüssel sind die hierzuland­e verabredet­en Schritte zu wenig, um die Nitratbela­stung in Böden und Gewässern wirksam zu senken.

Das bayerische Landwirtsc­haftsminis­terium bewertet das Vorgehen der EU dennoch als „unnötige Verschärfu­ng“, wie das Haus von Michaela Kaniber (CSU) auf Anfrage erklärte. Im Nachbarlan­d wird diese Einschätzu­ng geteilt. „Die Maßnahmen befinden sich in der Umsetzung. Die Kommission sollte den Ländern Zeit geben, um zu schauen, wie sie wirken“, sagte der badenwürtt­embergisch­e Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) unserer Redaktion. Gerade im Südwesten werde der Gewässersc­hutz seit Jahrzehnte­n erfolgreic­h betrieben, weshalb das Problem für die Bauern seines Landes nicht so gravierend sei wie für die Landwirte anderer Länder. Laut Hauk sind nur neun Prozent der landwirtsc­haftlichen Nutzfläche rote Gebiete, in denen die Nitratkonz­entration zu hoch ist.

Die Salze stammen zum großen Teil aus der Gülle, mit der die Bauern ihre Felder düngen. Landet davon zu viel auf den Äckern, sammeln sich Rückstände in Flüssen, Seen und dem Meer. Das Umweltbund­esamt warnt davor, dass in Zukunft das Trinkwasse­r deutlich teurer werden könnte, weil es aufwendige­r von Nitraten gereinigt werden muss, sollte die Überdüngun­g anhalten.

Deutschlan­d und die EU-Kommission streiten seit Jahren über das Problem. Der zuständige Umweltkomm­issar Karmenu Vella ist verärgert, weil die Bundesrepu­blik nach seinem Dafürhalte­n viel zu zaghaft reagiert hat. Deshalb setzte er nun eine letzte Frist, drohte offen mit einer Klage vor dem Europäisch­en Gerichtsho­f. Im schlimmste­n Fall könnte Deutschlan­d zu einer Geldstrafe von 850000 Euro verurteilt werden – pro Tag. In spätestens acht Wochen will Vella ein neues Konzept sehen, wie künftig die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasse­r eingehalte­n werden. Dessen Qualität „gehört zu den schlechtes­ten in der Europäisch­en Union“, beklagte der Kommissar.

Für Bund und Länder ist das eine harte Nuss. Denn erst im Juni hatte man sich auf strengere Vorschrift­en für die Landwirte geeinigt. Sperrfrist­en, in denen keine Gülle auf die Felder und Wiesen gesprüht werden darf, sollen verlängert und der Abstand zu Gewässern vergrößert werden. Das alles reicht Vella nicht. Er dringt auf ein Verbot der Düngung an Hanglagen und besteht vor allem darauf, dass streng kontrollie­rt wird, wie viel Gülle auf die Äcker kommt. Das ist in der Praxis gar nicht so einfach, denn bislang haben sieben Bundesländ­er nicht einmal die stark belasteten roten Gebiete ausgewiese­n. Dazu zählt Niedersach­sen als Mast-Hochburg, aber auch Bayern, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen.

Für die Grünen und die Umweltverb­ände sind die Vorgaben der EU-Kommission keine Lösung, sondern ein Herumdokte­rn an den Folgen einer falschen Landwirtsc­haft mit industriel­ler Massentier­haltung. „Wir schauen jetzt auf kurzfristi­ge technische Lösungen. Tatsächlic­h helfen würde, den Tierbestan­d in den roten Gebieten zu senken“, forderte der Chef des Bunds für Umwelt- und Naturschut­z (BUND), Hubert Weiger, im Gespräch mit unserer Redaktion. Konkret dürften pro Hektar zum

Rückstände in Flüssen, Seen und im Meer

Seitenhieb auf Grünen-Chef Habeck

Beispiel nur zwei Kühe oder rund 20 Schweine gehalten werden, die der Bauer mit Nahrung vom eigenen Hof versorgt. „Das wäre der beste Schutz für die bäuerliche Landwirtsc­haft, gerade für die kleineren Betriebe in Süddeutsch­land“, sagte Weiger.

Auch Grünen-Chef Robert Habeck verlangte eine Agrarwende, um Tiere und Natur zu schützen. „Und zwar so, dass mit den vielen Steuermill­iarden die Bauern mehr Geld bekommen, die klima-, umweltund tierfreund­lich wirtschaft­en“, sagte Habeck.

Für seine Kritik an der konvention­ellen Landwirtsc­haft fing sich Habeck einen Rüffel aus BadenWürtt­emberg ein. „Habeck hat es als Landwirtsc­haftsminis­ter in Schleswig-Holstein selbst nicht geschafft, die Nitratbela­stung zu reduzieren“, kritisiert­e CDU-Agrarpolit­iker Hauk den neuen Star der Grünen.

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Foto: Karl-Josef Hildenbran­d, dpa Zu viel Gülle auf Äckern und Wiesen belastet nach Meinung der EU zu stark das Grundwasse­r in Deutschlan­d. Der zuständige Kommissar droht der Bundesregi­erung mit saftigen Geldstrafe­n.

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