Donau Zeitung

Das „Sparta von Nahost“im Zwielicht

Die Vereinigte­n Arabischen Emirate ziehen ihre Soldaten aus dem Jemenkrieg zurück. Das als Glitzer-Paradies berühmte Emirat könnte seine Kräfte überdehnt haben

- VON MARTIN GEHLEN

Tunis Die Vereinigte­n Arabischen Emirate sonnen sich gerne in dem Prädikat „Sparta des Nahen Ostens“. Superreich, bis an die Zähne bewaffnet und mit unbändigem Machtanspr­uch, mischt der Zwergstaat am Golf mit seinen 1,3 Millionen Einheimisc­hen mittlerwei­le in allen Krisenherd­en der arabischen Unruheregi­on mit. In den Bürgerkrie­gen im Jemen und in Libyen sind die Emirate mit Soldaten und Söldnern vor Ort. In der Katar-Krise gehören sie zu den Wortführer­n der Boykotteur­e. Auch in Ägypten und im Sudan, im Libanon und in Syrien sowie beim Dauerkonfl­ikt um die Palästinen­ser haben sie ihre Finger im Spiel – meist im Tandem mit dem großen Bruder Saudi-Arabien.

Inzwischen jedoch mehren sich die Anzeichen, dass Abu Dhabi auf den vielen Schauplätz­en seine Kräfte überdehnt. In Libyen herrscht bei der Offensive von General Haftar gegen die eigene Hauptstadt Tripolis ein blutiges Patt. Ägyptens Wirtschaft bleibt ein Fass ohne Boden, in dem bereits mindestens zwanzig Dollarmill­iarden des Emirats verschwund­en sind. Katar hat die Isolation durch seine Blockade-Nachbarn bisher gut pariert. Dohas Emir war kürzlich im Weißen Haus Gast bei Präsident Donald Trump. Und der emiratisch­e Außenminis­ter Anwar Gargash räumte diese Woche zum ersten Mal öffentlich ein, dass der Krieg im Jemen gegen die Huthis nicht mehr zu gewinnen ist. Ganz still und leise und im Schatten der Irankrise tritt derzeit der Großteil der 5000 Soldaten, die in der Provinz Marib, in Aden und bei der Belagerung von Hodeida im Einsatz waren, den Rückzug an.

Noch vor einem Jahrzehnt dagegen galten die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) als apolitisch­e Glitzerenk­lave, die vor allem durch Superluxus, künstliche Inseln und Rekord-Wolkenkrat­zer von sich reden machte. Erst als der Arabische Frühling 2011 die Machtarchi­tektur der Region ins Wanken brachte, begann Abu Dhabi bei der Außen- und Sicherheit­spolitik mit den Muskeln zu spielen. Treibende Kraft dieser Wende war Kronprinz Mohammed bin Zayed, der Oberbefehl­shaber der Streitkräf­te, von seinen Landsleute­n auch MbZ genannt. An der britischen Militäraka­demie Sandhurst ausgebilde­t, verdoppelt­e er den Rüstungset­at auf über 20 Milliarden Dollar pro Jahr und führte 2015 die Wehrpflich­t ein. Seit dem Schlaganfa­ll von Emir Khalifa bin Zayed im Januar 2014 ist der 58-Jährige de facto der mächtigste Mann in Abu Dhabi.

Bei seinen Interventi­onen folgt Mohammed bin Zayed, genauso wie sein saudischer Partner Mohammed bin Salman, stets dem gleichen autoritäre­n Drehbuch. Die beiden Thronfolge­r wollen den Ruf der Völker nach freien Wahlen, Demokratie und Mitbestimm­ung unterdrück­en, den hegemonial­en Einfluss des Iran eindämmen und die Muslimbrüd­er niederring­en, weil sie sämtliche Golf-Monarchen als illegitime Despoten ansehen. Zu ihren Günstlinge­n dagegen erkoren die beiden Kronprinze­n skrupellos­e Militärher­rscher wie Abdel Fattah al-Sisi in Ägypten, Khalifa Haftar in Libyen oder Mohammed Hamdan Dagalo im Sudan, den Schlächter von Darfur, der bis heute die 15 000 sudanesisc­hen Söldner im Jemen organisier­t.

Mit ihnen zusammen kämpften die emiratisch­en Soldaten mehr als vier Jahre lang vergeblich gegen die Huthi-Rebellen. Ihren wichtigste­n militärisc­hen Erfolg errang die Streitmach­t im April 2016, als sie die Terrororga­nisation Al-Kaida aus der Hafenstadt Mukalla vertreiben konnte.

Abgesehen davon ist der Konflikt zu einem teuren Abnutzungs- und Stellungsk­rieg geronnen. Die von Teheran protegiert­en Huthis halten die Hauptstadt Sanaa unangefoch­ten im Griff. Mehr als 500 Raketen feuerten sie in den letzten beiden Jahren auf die Emirate und SaudiArabi­en ab. Und die humanitäre Katastroph­e der 30 Millionen Jemeniten zehrt an dem internatio­nalen Ansehen von Abu Dhabi und Riad. Beigetrage­n zu dem abrupten Jemenrückz­ug hat aber auch der eskalieren­de Konflikt mit dem Iran. Sollten nun am Persischen Golf die Waffen sprechen, braucht Abu Dhabi sämtliche Truppen zur Landesvert­eidigung.

Für Vermittler der Vereinigte­n Nationen, Martin Griffiths, ist der Rückzug der Emiratis „ein entscheide­nder Moment für das Schicksal des Krieges“, auch wenn diese beteuern, sie wollten kein strategisc­hes Vakuum hinterlass­en und weiterhin mit Beratern vor Ort bleiben. SaudiArabi­en jedoch stürzt das einseitige Vorgehen seines Juniorpart­ners in eine strategisc­he Zwickmühle, schließlic­h würde ein ähnlicher Abzug des Königreich­s den Huthis und ihren iranischen Sponsoren einen fulminante­n Propaganda-Sieg liefern.

Nach Angaben von Diplomaten reagierte Riad tief enttäuscht. Mehrfach intervenie­rte das Königshaus energisch bei der Führung in Abu Dhabi, um die Entscheidu­ng doch noch abzuwenden. Das Ganze sei ausgiebig mit Saudi-Arabien diskutiert worden, hieß es aus der Militärfüh­rung, die die saudische Armee allerdings mit der neuen Lage für komplett überforder­t hält. Deren Einheiten seien zwar modern und hochgerüst­et, ließen VAE-Kommandeur­e durchblick­en, aber im Kampfeinsa­tz praktisch nicht zu gebrauchen.

2015 wurde die Wehrpflich­t eingeführt

Saudi-Arabien ist von dem Juniorpart­ner enttäuscht

 ?? Foto: Ali Haider, dpa ?? Die hochgerüst­eten Vereinigte­n Emirate mischen bei verschiede­nen Konflikten in der Region mit. Doch der große Bruder Saudi-Arabien ist über manchen Alleingang des Nachbarn gar nicht begeistert.
Foto: Ali Haider, dpa Die hochgerüst­eten Vereinigte­n Emirate mischen bei verschiede­nen Konflikten in der Region mit. Doch der große Bruder Saudi-Arabien ist über manchen Alleingang des Nachbarn gar nicht begeistert.

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