Armes Augsburg, teures Theater
Die Sanierung kostet deutlich mehr. Jetzt müssen die Pläne abgespeckt werden. Und die zweite Spielstätte wird vielleicht erst Jahre später gebaut. Hat sich die klamme 300 000-Einwohner-Stadt übernommen?
Augsburg Seit knapp einem Jahr hat Augsburg nun ein Staatstheater. Jahrelang hatten Stadtregierung und Theaterleitung auf diese „Adelung“hingearbeitet – weniger wegen höherer künstlerischer Erwartungen als aus Geldnot. Ein Staatstheater, so die Hoffnung, würde aus München höher bezuschusst, die klamme Kommune damit entlastet.
Tatsächlich bezahlt der Freistaat seit dieser Spielzeit genau die Hälfte des Theater-Jahresetats von insgesamt 28 Millionen Euro. Die Stadt verringerte ihren Zuschuss so um gut drei Millionen – fürs Erste, denn irgendwann soll er sich allgemein erhöhen. Doch wie viel es auch ist, mit diesem Geld wird nur der Spielbetrieb am Laufen gehalten. Die Theaterhäuser und ihr Unterhalt fallen extra an, und für derlei Ausgaben verantwortlich ist die Stadt.
Eben dies bereitet Augsburg nun wieder Geldsorgen. Denn noch bevor aus dem Stadt- ein Staatstheater wurde, hatte die Kommune sich nach zähem Ringen für die Sanierung des in die Jahre gekommenen Theaterstandorts entschlossen. 186,3 Millionen Euro wurden veranschlagt. Dafür sollten die Hauptspielstätte saniert und ein Neubau direkt dahinter errichtet werden, in dem Verwaltung, Werkstätten, Probebühnen und eine zweite, kleine Spielstätte Platz finden. In sechs bis sieben Jahren soll die Vision Realität sein. Doch seit dieser Woche ist das nicht mehr so sicher.
Obwohl die Sanierung noch gar nicht richtig begonnen hat, zeichnet sich bereits eine massive Kostensteigerung ab: Der Neubau werde nach Auskunft der Fachplaner für die kalkulierten 73 Millionen Euro nicht zu haben sein, es laufe stattdessen auf gut 125 Millionen hinaus. Schuld Baukostensteigerungen, die zwar schon beim Grundsatzbeschluss im Jahr 2016 im Raum standen, letztlich aber höher ausfielen. In den vergangenen drei Jahren betrugen sie 12,5 Prozent, was allein neun Millionen Euro ausmacht. Darüber hinaus gibt es weitere unvorhergesehene Ausgaben, zum Beispiel für die statische Sicherung von Nachbargebäuden und höhere Anforderungen beim Brandschutz.
Augsburgs Bauverwaltung erhielt die Hiobsbotschaft im April. Seitdem wird in den Amtsstuben diskutiert, gerechnet, neu geplant. Denn der Stadtrat hat sich zwar für die Sanierung des Theaters ausgesprochen, die Gesamtkosten aber gedeckelt: Knapp 73 Millionen Euro für den Neubau, weitere 113 Millionen für das Große Haus – mehr dürfe das Projekt nicht kosten, um finanzielle Einschränkungen in anderen Bereichen in Grenzen zu halten. Also musste eine neue, günstigere Planung her.
Die wurde diese Woche im Stadtrat vorgestellt, natürlich sieht sie einschneidende Änderungen vor. So sollten die Augsburger Philharmoniker im Rahmen der Sanierung einen Orchesterprobensaal an exponierter Stelle erhalten. Die Idee war, die Musiker quasi hinter Glas proben zu lassen, was Passanten auf der Straße und Besuchern des Gebäudes Einblicke in den Theaterbetrieb eröffnet hätte. Für diesen Zweck wäre ein zweiter Neubau entstanden, geplant als Solitär neben dem denkmalgeschützten Großen Haus.
In der neuen, günstigeren Varisind ante findet sich an dieser Stelle nun die kleine Spielstätte, die als Multifunktionssaal auch freien Theatergruppen zur Verfügung stehen soll. Der Orchesterprobensaal wurde in den Neubau hinter der Hauptspielstätte zurückverlagert. Komplett gestrichen wurden ein Untergeschoss, eine Probenbühne und weitere Räume. Alle Änderungen einkalkuliert, lägen die Kosten für den Neubau so bei 92 Millionen Euro.
Über die Sanierung des Theaterstandorts war vor drei, vier Jahren in Augsburg intensiv diskutiert worden. Eine Gruppe von Sanierungskritikern strengte ein Bürgerbegehren gegen das Projekt an, scheiterte aber. Ihr Nein richtete sich nicht gegen die Notwendigkeit eines Theaters an sich, sondern gegen die Größe der Sanierung. Augsburg, so die Sorge, würde seinen finanziellen Spielraum damit über Jahre hinweg massiv einengen.
Tatsächlich geht es der Stadt finanziell nicht gut. Mit 421 Millionen Euro hatte sie Ende 2018 einen Rekordschuldenstand erreicht, Ende 2020 wird er bei 406 Millionen Euro liegen. Und die Voraussetzungen werden schlechter: Die Gewerbesteuereinnahmen werden 2019 um 15 Millionen Euro niedriger ausfallen. Finanzreferentin Eva Weber (CSU), die nächstes Jahr Oberbürgermeisterin werden will, hat für eben dieses Jahr bereits Einschränkungen im Investitionsprogramm in Aussicht gestellt. „Möglicherweise“, wie sie betont. Doch im Moment deutet vieles darauf hin.
Was das Theater betrifft, könnte deshalb noch eine andere Sanierungsvariante in den Mittelpunkt rücken: Würde die zweite Spielstätte nicht wie geplant bis zum Jahr 2025 gebaut, sondern zeitlich nach hinten geschoben, könnte dies aktuell noch einmal acht Millionen Euro sparen. Doch die Fachleute warnten im Stadtrat schon jetzt davor: Das Theater müsste dann Übergangsbühnen anmieten. Würde man die zweite Spielstätte erst in zehn, zwanzig Jahren neu bauen, käme sie zudem wesentlich teurer als jetzt.
Wie die Diskussion in Augsburg ausgeht, ist offen. Die Politik will sich sechs bis neun Monate Zeit gönnen, um exakte Pläne auszuarbeiten. Doch selbst wenn die Kosten für den Neubau dann klarer zu beziffern sind, bleibt eine Unwägbarkeit: Fürs Große Haus wurde bislang nur ein Bruchteil der Arbeiten vergeben. Die Architekten hatten aber von Anfang an gewarnt, dass die größten baulichen Überraschungen eher von diesem denkmalgeschützten Bau ausgehen könnten…