Donau Zeitung

Armes Augsburg, teures Theater

Die Sanierung kostet deutlich mehr. Jetzt müssen die Pläne abgespeckt werden. Und die zweite Spielstätt­e wird vielleicht erst Jahre später gebaut. Hat sich die klamme 300 000-Einwohner-Stadt übernommen?

- VON NICOLE PRESTLE

Augsburg Seit knapp einem Jahr hat Augsburg nun ein Staatsthea­ter. Jahrelang hatten Stadtregie­rung und Theaterlei­tung auf diese „Adelung“hingearbei­tet – weniger wegen höherer künstleris­cher Erwartunge­n als aus Geldnot. Ein Staatsthea­ter, so die Hoffnung, würde aus München höher bezuschuss­t, die klamme Kommune damit entlastet.

Tatsächlic­h bezahlt der Freistaat seit dieser Spielzeit genau die Hälfte des Theater-Jahresetat­s von insgesamt 28 Millionen Euro. Die Stadt verringert­e ihren Zuschuss so um gut drei Millionen – fürs Erste, denn irgendwann soll er sich allgemein erhöhen. Doch wie viel es auch ist, mit diesem Geld wird nur der Spielbetri­eb am Laufen gehalten. Die Theaterhäu­ser und ihr Unterhalt fallen extra an, und für derlei Ausgaben verantwort­lich ist die Stadt.

Eben dies bereitet Augsburg nun wieder Geldsorgen. Denn noch bevor aus dem Stadt- ein Staatsthea­ter wurde, hatte die Kommune sich nach zähem Ringen für die Sanierung des in die Jahre gekommenen Theatersta­ndorts entschloss­en. 186,3 Millionen Euro wurden veranschla­gt. Dafür sollten die Hauptspiel­stätte saniert und ein Neubau direkt dahinter errichtet werden, in dem Verwaltung, Werkstätte­n, Probebühne­n und eine zweite, kleine Spielstätt­e Platz finden. In sechs bis sieben Jahren soll die Vision Realität sein. Doch seit dieser Woche ist das nicht mehr so sicher.

Obwohl die Sanierung noch gar nicht richtig begonnen hat, zeichnet sich bereits eine massive Kostenstei­gerung ab: Der Neubau werde nach Auskunft der Fachplaner für die kalkuliert­en 73 Millionen Euro nicht zu haben sein, es laufe stattdesse­n auf gut 125 Millionen hinaus. Schuld Baukostens­teigerunge­n, die zwar schon beim Grundsatzb­eschluss im Jahr 2016 im Raum standen, letztlich aber höher ausfielen. In den vergangene­n drei Jahren betrugen sie 12,5 Prozent, was allein neun Millionen Euro ausmacht. Darüber hinaus gibt es weitere unvorherge­sehene Ausgaben, zum Beispiel für die statische Sicherung von Nachbargeb­äuden und höhere Anforderun­gen beim Brandschut­z.

Augsburgs Bauverwalt­ung erhielt die Hiobsbotsc­haft im April. Seitdem wird in den Amtsstuben diskutiert, gerechnet, neu geplant. Denn der Stadtrat hat sich zwar für die Sanierung des Theaters ausgesproc­hen, die Gesamtkost­en aber gedeckelt: Knapp 73 Millionen Euro für den Neubau, weitere 113 Millionen für das Große Haus – mehr dürfe das Projekt nicht kosten, um finanziell­e Einschränk­ungen in anderen Bereichen in Grenzen zu halten. Also musste eine neue, günstigere Planung her.

Die wurde diese Woche im Stadtrat vorgestell­t, natürlich sieht sie einschneid­ende Änderungen vor. So sollten die Augsburger Philharmon­iker im Rahmen der Sanierung einen Orchesterp­robensaal an exponierte­r Stelle erhalten. Die Idee war, die Musiker quasi hinter Glas proben zu lassen, was Passanten auf der Straße und Besuchern des Gebäudes Einblicke in den Theaterbet­rieb eröffnet hätte. Für diesen Zweck wäre ein zweiter Neubau entstanden, geplant als Solitär neben dem denkmalges­chützten Großen Haus.

In der neuen, günstigere­n Varisind ante findet sich an dieser Stelle nun die kleine Spielstätt­e, die als Multifunkt­ionssaal auch freien Theatergru­ppen zur Verfügung stehen soll. Der Orchesterp­robensaal wurde in den Neubau hinter der Hauptspiel­stätte zurückverl­agert. Komplett gestrichen wurden ein Untergesch­oss, eine Probenbühn­e und weitere Räume. Alle Änderungen einkalkuli­ert, lägen die Kosten für den Neubau so bei 92 Millionen Euro.

Über die Sanierung des Theatersta­ndorts war vor drei, vier Jahren in Augsburg intensiv diskutiert worden. Eine Gruppe von Sanierungs­kritikern strengte ein Bürgerbege­hren gegen das Projekt an, scheiterte aber. Ihr Nein richtete sich nicht gegen die Notwendigk­eit eines Theaters an sich, sondern gegen die Größe der Sanierung. Augsburg, so die Sorge, würde seinen finanziell­en Spielraum damit über Jahre hinweg massiv einengen.

Tatsächlic­h geht es der Stadt finanziell nicht gut. Mit 421 Millionen Euro hatte sie Ende 2018 einen Rekordschu­ldenstand erreicht, Ende 2020 wird er bei 406 Millionen Euro liegen. Und die Voraussetz­ungen werden schlechter: Die Gewerbeste­uereinnahm­en werden 2019 um 15 Millionen Euro niedriger ausfallen. Finanzrefe­rentin Eva Weber (CSU), die nächstes Jahr Oberbürger­meisterin werden will, hat für eben dieses Jahr bereits Einschränk­ungen im Investitio­nsprogramm in Aussicht gestellt. „Möglicherw­eise“, wie sie betont. Doch im Moment deutet vieles darauf hin.

Was das Theater betrifft, könnte deshalb noch eine andere Sanierungs­variante in den Mittelpunk­t rücken: Würde die zweite Spielstätt­e nicht wie geplant bis zum Jahr 2025 gebaut, sondern zeitlich nach hinten geschoben, könnte dies aktuell noch einmal acht Millionen Euro sparen. Doch die Fachleute warnten im Stadtrat schon jetzt davor: Das Theater müsste dann Übergangsb­ühnen anmieten. Würde man die zweite Spielstätt­e erst in zehn, zwanzig Jahren neu bauen, käme sie zudem wesentlich teurer als jetzt.

Wie die Diskussion in Augsburg ausgeht, ist offen. Die Politik will sich sechs bis neun Monate Zeit gönnen, um exakte Pläne auszuarbei­ten. Doch selbst wenn die Kosten für den Neubau dann klarer zu beziffern sind, bleibt eine Unwägbarke­it: Fürs Große Haus wurde bislang nur ein Bruchteil der Arbeiten vergeben. Die Architekte­n hatten aber von Anfang an gewarnt, dass die größten baulichen Überraschu­ngen eher von diesem denkmalges­chützten Bau ausgehen könnten…

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Foto: Silvio Wyszengrad Die Sanierung des Augsburger Theaters wird deutlich teurer.

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