Donau Zeitung

Efeu in Flammen: Polizei geht von Brandstift­ung aus

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Bei einem Hausbrand in der Regensburg­er Altstadt geht die Polizei von fahrlässig­er Brandstift­ung aus. Ein 42-Jähriger hatte den Ermittlung­en zufolge ein Metallgitt­er abflexen wollen, dadurch fing Efeu an der Fassade Feuer, das sich ausbreitet­e. Den Schaden schätzt die Polizei laut einer Mitteilung von Freitag auf etwa eine halbe Million Euro. Vier Einsatzkrä­fte von Polizei und Feuerwehr erlitten leichte Rauchgasve­rgiftungen. Der Einsatz hatte von Donnerstag­nachmittag bis in die frühen Morgenstun­den gedauert. Das Anwesen kann nach Polizeiang­aben bis auf Weiteres nicht betreten werden.

Als Ronald Stahl vor dem Krankenhau­sbett steht, in dem seine tote Tochter liegt, macht er ein Foto. Das Bild zeigt die Innenseite der linken Ferse von Theresa Stahl, die Stelle, an der bei der 20-Jährigen ein nach vorne gerichtete­r Pfeil eintätowie­rt war. „Der Pfeil stand für ihr Lebensmott­o“, erzählt der Vater: „Immer nach vorne schauen.“Längst ist der Pfeil auch für Ronald Stahl zu einem wichtigen Symbol geworden. Auch wenn es ihm schwerfäll­t, nach der Botschaft dahinter zu leben – zu schmerzlic­h und so vermeidbar war das, was seiner Tochter passiert ist.

Es ist der Abend des 22. April 2017. Spontan entschließ­en sich Theresa und ihr Freund, nicht zu Hause zu bleiben in der Wohnung in Untereisen­heim (Landkreis Würzburg), in der sie erst seit einer Woche zusammenle­ben. Stattdesse­n wollen sie in einer Würzburger Diskothek feiern. Theresa fährt, will nüchtern bleiben.

Kurz bevor die beiden den Klub wieder verlassen wollen, bekommt Theresa ein Getränk ausgegeben, das sie für Cola hält. Als sie trinkt, bemerkt sie, dass es Alkohol enthält. Für die Fahranfäng­erin steht fest, dass sie sich jetzt nicht mehr hinters Steuer setzt. Ein gemeinsame­r Freund nimmt Theresa und ihren Freund mit.

Auf einer Straße nach Untereisen­heim lassen sich die beiden absetzen, wollen den Rest des Weges laufen. Es ist etwa 3.40 Uhr. Theresa geht am rechten Fahrbahnra­nd

voraus, ihr Freund hinterher, als sich ein VW Golf mit hoher Geschwindi­gkeit nähert. An ihrem Freund fährt der Golf vorbei, Theresa erfasst er von hinten. Die 20-Jährige kracht mit dem Hinterkopf auf die Windschutz­scheibe, wird 13 Meter in ein angrenzend­es Feld geschleude­rt. Der Fahrer flüchtet laut Polizeiber­icht, „ohne sich um die junge Frau zu kümmern“. Theresas Freund setzt sofort einen Notruf ab, leistet Erste Hilfe. Theresa ist bewusstlos, blutet stark aus Nase und Ohren.

Kurze Zeit später wird der Polizei ein weiterer Unfall gemeldet. Nicht weit entfernt liegt der Golf im Straßengra­ben. In ihrem ersten Bericht wird die Polizei von einem 18-jährigen Fahrer berichten, der sich zwar nicht selbst aus seinem Fahrzeug befreien kann, aber nahezu unverletzt ist – und betrunken: Die Beamten stellen bei ihm 2,3 Promille fest. Erst später wird bekannt, dass der 18-Jährige offenbar nicht allein unterwegs war, sondern drei weitere Personen, alle 19 Jahre alt, im Golf saßen.

Gut zwei Jahre später treffen wir Ronald Stahl in seinem Büro. „Ich habe nicht gut geschlafen wegen des Termins“, gesteht der hochgewach­sene Handwerker. Seine Lebensgefä­hrtin sitzt als Unterstütz­ung mit am Tisch. Auf einem Bildschirm hat Stahl bereits eine Google-Karte geöffnet, die die Unfallstel­le zeigt. Der 51-Jährige beginnt zu erzählen.

Am frühen Morgen des 23. April 2017 wird er aus dem Bett geklingelt. „Ich bin sofort ins Krankenhau­s gefahren“, erinnert er sich. Erst gegen 10 Uhr, nach der Visite, erfährt er, wie schlimm es um Theresa steht: ein Schlüsselb­einbruch, eine verletzte Lunge, massive Kopfverlet­zungen. Theresa liegt im Koma, die Ärzte der Würzburger Uniklinik sprechen von akuter Lebensgefa­hr.

„Ich bin danach mit Theresas Freund, der noch im Krankenhau­s war, an die Unfallstel­le gefahren“, berichtet Ronald Stahl. „Theresas Freund erzählte, dass der Golf nicht gebremst hatte. Jedenfalls hat er keine Bremslicht­er gesehen.“Bremsspure­n finden Vater und Freund auf der Fahrbahn keine. Stattdesse­n einen Schuh von Theresa – 25 Meter von der Unfallstel­le entfernt. „Dann hat mich die Polizei angerufen und zur Vernehmung bestellt.“Später fährt er mit den Beamten ein weiteres Mal zur Unfallstel­le. Deren Ermittlung­en gestalten sich schwierig. Die Verkehrspo­lizei setzt eine Ermittlung­skommissio­n ein. Die Beamten machen mehrfach Aufrufe. Sie suchen Zeugen, denen der dunkelblau­e Golf vor oder nach dem Unfall aufgefalle­n ist und die „Angaben zu dessen Fahrweise“machen können. Insbesonde­re wird nach einer Person gesucht, die in der Nacht ihr „Handy Jugendlich­en für ein Telefonat zur Verfügung gestellt“hat.

Unterdesse­n geht es Theresa schlechter. Mehrere Notoperati­onen können nicht helfen. „Irgendwann haben uns die Ärzte gesagt, dass Theresa nur noch von den Maschinen am Leben gehalten wird. Aber man hält sich an jedem Strohhalm fest“, erinnert sich Ronald Stahl. Nur wenige Wochen vor dem Unfall hatten Vater und Tochter noch darüber gesprochen, dass sie ihn einmal im Alter pflegen wolle. „Bei dem Gespräch haben wir beide gesagt, dass wir im Fall der Fälle einmal keine lebenserha­ltenden Maßnahmen wollen“, erzählt der 51-Jährige. „Als Theresa dann im Krankenhau­s lag, haben wir trotzdem dreimal lebenserha­ltenden Maßnahmen zugestimmt.“

Am 28. April 2017 schalten die Ärzte die Geräte ab. Theresas Eltern, die zu diesem Zeitpunkt schon geschieden sind, sind an ihrem Bett. „Sie sah friedlich aus, als wenn sie schlief“, sagt der Vater heute. Kaum eine Spur von den schweren Verletzung­en. Nach Theresas Tod gestalten ihre Familie und Freunde einen Aufkleber mit Theresas Namen und der Aufschrift „Gegen Alkohol am Steuer“. Auch eine Internetse­ite geht online. „So wollen wir darauf aufmerksam machen, was Alkohol am Steuer anrichten kann“, erklärt Ronald Stahl.

Es ist eine Beerdigung, inzwischen ist es Mai, zu der 700 Menschen kommen. Theresas Freund habe die vier Golf-Insassen gekannt, sagt Ronald Stahl. Einer von ihnen will an der Trauerfeie­r teilnehmen. „Das wollten wir nicht.“Haben sich weitere Insassen des Unfallfahr­zeugs gemeldet? „Einer hat ein Beileidssc­hreiben geschickt“, sagt Stahl. „Ich vermute, von einem Anwalt formuliert.“

Unterdesse­n laufen die Ermittlung­en weiter. Von dutzenden verhörten Zeugen ist die Rede, Gerüchte machen die Runde, Fragen tun sich auf: Ist wirklich der Hauptverdä­chtige gefahren oder doch einer der drei anderen Insassen? Wo waren die drei, als der Golf gefunden wurde? Was geschah zwischen dem ersten und dem zweiten Unfall?

Im Herbst 2017 schließt die Ermittlung­skommissio­n ihre Arbeit ab. Der Ball liegt dann bei der Justiz. „Die Polizisten tun mir leid“, sagt Ronald Stahl. „Sie haben getan, was sie konnten.“Aber die Ermittler hätten „zu wenige Befugnisse“, um schneller zu Ergebnisse­n zu kommen.

Die Monate gehen ins Land. Viele aus Theresas Familie nehmen psychologi­sche Hilfe in Anspruch, um den Tod der 20-Jährigen zu verarbeite­n. Der Vater kämpft. Als Selbststän­diger, so sagt er heute, habe er sich auch „nicht einfach rausnehmen“und krankschre­iben lassen können. Bis zur Beerdigung habe er „funktionie­rt wie eine Maschine“. Anschließe­nd widmet er sich der Aktion „Gegen Alkohol am Steuer“. Die ersten 2500 Aufkleber sind schon kurz nach der Beerdigung vergriffen. „Die Aktion hat mir durch das erste Jahr nach Theresas Tod geholfen“, bilanziert er.

Im Juli 2018 erhebt die Staatsanwa­ltschaft Würzburg Anklage: gegen den mutmaßlich­en Fahrer des Golfs, unter anderem wegen fahrlässig­er Tötung und vorsätzlic­her Trunkenhei­t im Verkehr. Sowie gegen seine drei Mitfahrer wegen unterlasse­ner Hilfeleist­ung.

Und inzwischen steht auch ein Prozesster­min fest: Er soll am 22. und 23. Oktober stattfinde­n. Laut Oberstaats­anwalt Boris Raufeisen wurde nach Anklageerh­ebung auf Antrag der Verteidigu­ng vom Gericht ein weiteres Gutachten zur Frage der Schuldfähi­gkeit des Hauptangek­lagten eingeholt. Dieses liege seit kurzem vor. „Der Führersche­in des Unfallfahr­ers ist weiterhin beschlagna­hmt“, sagt Raufeisen weiter. Ronald Stahl geht es derweil alles andere als gut.

Seit Anfang dieses Jahres zieht er

Die junge Frau wird in ein Feld geschleude­rt

Nun steht ein Prozesster­min fest

sich zurück. „Ich gehe arbeiten, brauche danach aber Zeit für mich.“Die Freizeit genießen? Derzeit undenkbar. Regelmäßig ist er in ärztlicher Behandlung. Nimmt abends Schlafmitt­el, weil er sonst wach liegt. „Wir konnten noch keinen Schlussstr­ich ziehen: Es ist kein Deckel drauf“, sagt er. Ob es ihm besser geht, wenn die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Unfalltode­s seiner Tochter abgeschlos­sen ist? „Ich weiß es nicht“, meint er.

Was ihm noch immer hilft, ist die Aktion „Gegen Alkohol am Steuer“. 30 000 Aufkleber sind inzwischen im Umlauf. Auf der Internetse­ite der Kampagne finden sich Fotos von Autos mit dem Aufkleber aus der halben Welt. „Solange ich lebe, wird es diese Aufkleber geben“, sagt Ronald Stahl. „Das ist das Einzige, was ich noch für meine Tochter tun kann.“

Der Autor ist mit den im Artikel beschriebe­nen Betroffene­n nicht verwandt.

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