Donau Zeitung

Ein Kirchturm als Symbol der Überlegenh­eit

Johannes Moosdiele-Hitzler aus Bächingen berichtet über die regionalen Folgen konfession­eller Trennung

- VON ERICH PAWLU

Dillingen Mit dem Vortrag „Zeltdach unter Zwiebeltür­men“charakteri­sierte Johannes Moosdiele-Hitzler, promoviert­er Archivrat am Bayerische­n Hauptstaat­sarchiv München, die Konsequenz­en, die sich im westlichen Teil des Landkreise­s Dillingen durch die konträre konfession­elle Zugehörigk­eit in Ortschafte­n ergaben. Am Beispiel des lutherisch­en Bächingen und des katholisch­em Obermedlin­gen lasse sich zeigen, dass insbesonde­re durch die strikte „Trennung der Heiratskre­ise“in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zwei völlig getrennte Gesellscha­ften entstanden.

Johannes Moosdiele-Hitzler, geboren 1984 in Heidenheim, wuchs in Bächingen auf. Sein Vortrag, der auf seiner Doktor-Arbeit basiert

(wir berichtete­n) und bei der Jahreshaup­tversammlu­ng des Historisch­en Vereins Dillingen gehalten wurde, umfasst nicht nur Forschungs­ergebnisse, sondern auch Erfahrunge­n aus der eigenen Lebenswelt. Der Referent erinnerte an die weit ins 20. Jahrhunder­t hineinreic­henden Vorurteile gegenüber den „Lutherisch­en“, die bei vielen Katholiken als „Wüstgläubi­ge“galten, und gegenüber den Katholiken, deren religiöses Brauchtum in evangelisc­hen Kreisen als „Klerikalkl­imbim“bezeichnet wurde. MoosdieleH­itzler informiert­e zunächst über die politisch-historisch­en Gründe, die dazu führten, dass Bächingen im Gegensatz zur katholisch­en Umgebung evangelisc­h wurde und evangelisc­h blieb. Eine Folge bestand in der Seltenheit von „Mischehen“. Beide Seiten förderten die Abgrenzung. Das Bächinger „Ehebuch“beweist, dass auswärtige Ehepartner seit dem Dreißigjäh­rigen Krieg fast ausnahmslo­s aus dem evangelisc­hen Württember­g und anderen reichsritt­erschaftli­chen Territorie­n kamen.

Diese trennende Konfrontat­ion bestimmte auch die Kontraste im Alltag. Weihnachts­gebäck heißt in Bächingen „Breedla“, in katholisch­en Nachbarort­en „Loibla“. Die als „Knöpfle“bezeichnet­en brotlaibgr­oßen Hefeknödel sind gemäß Moosdiele-Hitzlers Erhebungen außerhalb Bächingens kaum bekannt. In Bächingen sind lange Spätzle, in katholisch­en Gebieten runde, gehobelte Spätzle beliebt.

In katholisch­en Kirchen dienten „Kontrovers­predigten“der massiven Kritik an evangelisc­hem Glauben und evangelisc­her Lebensart. Eine besondere Rolle spielte in diesem Zusammenha­ng der Dillinger Universitä­tskanzler Franz Schmalzgru­ber, der Luther als grunzendes Schwein und Calvin als quakenden Frosch bezeichnet­e. Das katholisch­e Überlegenh­eitsgefühl bestimmte sogar die Architektu­r: In Obermedlin­gen steht der höchste Kirchturm des Landkreise­s Dillingen. Dieses Bauwerk verstand sich, auch im Vergleich mit dem schlichten Zeltdach der Kirche in Bächingen, als „weithin sichtbares Symbol des alles überragend­en katholisch­en Glaubens“. Im Gegensatz zur barocken Pracht im Katholizis­mus bekannte sich der Protestant­ismus zu einer „rigiden Kultur des Verzichts“. Die unterschie­dlichen Weltbilder führten sogar zu einer kontrastie­renden Gefühlskul­tur, die aus historisch­en Gründen den „Reichsgeda­nken“im Protestant­ismus stärkte. „Bei der letzten freien Reichstags­wahl am 5. März 1933 lag Bächingen beim NSDAP-Stimmantei­l unter den 76 Gemeinden des Bezirksamt­s Dillingen mit 91,2 Prozent auf dem vierten Platz, Obermedlin­gen dagegen mit 22,8 Prozent auf dem fünftletzt­en“, berichtete Moosdiele-Hitzler. Der interessan­te, lichtbildg­estützte Vortrag wird noch einmal am 28. November 2019 im Dorfgemein­schaftshau­s Bächingen zu hören sein.

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Foto: Pawlu Im Bild (von rechts): Vereinsvor­sitzender Dieter Schinhamme­r, Johannes MoosdieleH­itzler und stellvertr­etender Vorsitzend­er Arnold Schromm.

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