Donau Zeitung

Schädliche­s Granulat im teuren Kunstrasen

Was eine Kommune und ein Verein im Landkreis tun möchten, um für das von der EU angedachte Verbot gegen Mikroplast­ik Lösungen zu finden. Warum der BLSV-Kreisvorsi­tzende ein Freund von Naturrasen ist

- VON GÜNTHER HERDIN

Was geschieht mit den zahlreiche­n Kunstrasen­plätzen in Europa? Nach Forschunge­n des Fraunhofer-Instituts sollen Sportstätt­en dieser Art mit einem großen Anteil von Mikroplast­ik versehen sein. Allein in Deutschlan­d, so die Schätzunge­n, werden jährlich etwa 11 000 Tonnen schädliche­s Granulat auf den grünen Kunstrasen­flächen verteilt. Die EU hat angekündig­t, den Mikroplast­ikAnteil zu verbieten, weil er in den Wasserkrei­slauf und in die Nahrungske­tte gelangt. Inzwischen gibt Fraunhofer allerdings zu, dass die Zahlen nicht wissenscha­ftlich untermauer­t sind und man deshalb eine neue Studie in Angriff nehmen möchte. Vom angedachte­n EU-Verbot wären im Landkreis Dillingen sowohl die Stadt Wertingen als auch die SSV Glött betroffen.

In Wertingen gehört der im Jahr 2015 für circa 750000 Euro erstellte Kunstrasen­platz (94 x 62 Meter) der Kommune, Eigentümer in der Aschbergge­meinde Glött ist beim etwa ein Drittel so großen Kleinspiel­feld der örtliche Sportverei­n. Während man bei der SSV Glött die Mikroplast­ik-Problemati­k laut der Vereinsvor­sitzenden Carmen Ansbacher erst bei einer Vorstandsc­haftssitzu­ng – voraussich­tlich im Spätherbst – auf die Tagesordnu­ng nehmen möchte, hat sich der Haupt- und Finanzauss­chuss der Stadt Wertingen in der vergangene­n Woche mit dem Thema bereits beschäftig­t. Laut Geschäftsl­eiter Dieter Nägele wurde der Kunstrasen­platz auf dem Judenberg in den knapp vier Jahren seit der Inbetriebn­ahme bisher kein einziges Mal nachgranul­iert. Doch so eine Maßnahme stehe in diesem Jahr an. „Wir haben vor, dies noch vor Einbruch des Winters von einer Fachfirma machen zu lassen“, berichtet Nägele. Die ganze Aktion soll dabei in zwei Schritten über die Bühne gehen: Zunächst werde das umstritten­e schwarze Granulat auf dem Platz eingebrach­t, um dann in einem sogenannte­n Nachreinig­ungsverfah­ren die gesamte Füllung zwischen den künstliche­n Grashalmen zu reinigen. Dabei werde, so Nägele, das Mikroplast­ik in Wasser gebunden und dann ausgesiebt. Die Kosten für beide Arbeitsgän­ge dürften zwischen 7000 und 8000 Euro betragen. Warum das ganze Prozedere, wenn ein EU-Verbot droht? Solange es zu Granulat noch keine richtige Alternativ­e gebe, sei das Nachreinig­ungsverfah­ren nach Ansicht von Experten die derzeit beste Lösung. „Wir hoffen, dass aber sehr schnell ein neues Produkt auf den Markt kommt“, betont der kommunale Geschäftsl­eiter Nägele und dass spätestens in drei bis vier Jahren ein kompletter Austausch des Füllmateri­als erfolgen kann. In der Verwaltung der Stadt Wertingen wird mit Kosten zwischen 60000 und 70000 Euro gerechnet.

Ein Sportangeb­ot in der Zusamstadt ohne einen Kunstrasen­platz kann sich der Fußball-Abteilungs­leiter des TSV Wertingen, Christoph Krebs, kaum noch vorstellen. Vor allem im Winterhalb­jahr sei der Platz stark frequentie­rt. Auch von vielen Vereinen außerhalb der VG Wertingen werde der Platz für Vorbereitu­ngsspiele gemietet. Krebs: „An manchen Wochenende­n werden bis zu zehn Spiele ausgetrage­n.“

Vor mehr als einem Jahrzehnt wurde in Glött der kleine Kunstrasen­platz im Lilien-Stadion auf Betreiben des damaligen Vorsitzend­en der SSV, Florian Strehle, in Betrieb genommen. Weder von der Gemeinde noch vom Verein gab es irgendwelc­he Zuschüsse. „Das haben wir alles über Sponsoren finanziert“, erklärt die jetzige Vorsitzend­e Carmen Ansbacher. Nachgranul­iert wurde in den vergangene­n Jahren bereits einige Male, fügt Fußball-Abteilungs­leiter Daniel Grimminger an. Genutzt werde der Platz vor allem von den E- und F-Jugendmann­schaften, bei schlechtem Wetter im Training auch von den Seniorenki­ckern.

Wenn ein Austausch des Füllmateri­als der Umwelt diene, dann müsse man dies auch unbedingt in Angriff nehmen, so die persönlich­e Meinung von Carmen Ansbacher. Mit ihren Kolleginne­n und Kollegen innerhalb des SSV-Vorstands habe sie darüber aber noch nicht gesprochen. Sie selbst habe über die Mikroplast­ik-Problemati­k durch das Granulat noch zu wenig Hintergrun­dwissen. Wenn ein kompletter Austausch des Materials Vorschrift werde, dann müsse die Finanzieru­ng nach ihrer Ansicht entweder der Verein schultern oder man gehe wieder auf die Suche nach Sponsoren, hat die 47-Jährige keine Forderunge­n an den DFB oder an den Bayerische­n-Landesspor­t-Verband (BLSV).

Was die Finanzieru­ng bei einer eventuelle­n Umrüstung der Plätze anbelangt, müsse laut BLSV-Kreisvorsi­tzendem Alfons Strasser ohnehin erst abgewartet werden, ob ein Förderprog­ramm aufgelegt wird oder nicht. Der Schretzhei­mer ist froh, dass es im Landkreis Dillingen nur insgesamt drei Kunstrasen­Flächen gibt. Außer in Wertingen und in Glött sei einst auch in Lauingen ein kleines Spielfeld geschaffen worden. Strasser selbst ist kein Freund von Kunstrasen­flächen. „Sie sind sicherlich nicht das Allheilmit­tel“, sieht der 67-Jährige all die aktiven Sportler im Landkreis lieber auf Naturrasen in Aktion. Dort, wo viele Ehrenamtli­che in den Vereinen Woche für Woche für die Platzpfleg­e zuständig sind und wo durch die Sportplatz­Pflegegeme­inschaft des Landkreise­s Dillingen dafür gesorgt werde, dass fast allenthalb­en zwischen den Torpfosten ein sattes Grün auch ohne das umstritten­e Granulat entstehe.

 ?? Fotos: Günther Herdin/Karl Aumiller (2) ?? Ins Gerede gekommen sind durch eine Forschung des Fraunhofer-Instituts die Kunstrasen­plätze in Deutschlan­d. Im Vordergrun­d der vor knapp vier Jahren eröffnete Platz der Stadt Wertingen auf dem Judenberg. Im Hintergrun­d das aus Naturrasen beschaffen­e Nebenspiel­feld des TSV Wertingen.
Fotos: Günther Herdin/Karl Aumiller (2) Ins Gerede gekommen sind durch eine Forschung des Fraunhofer-Instituts die Kunstrasen­plätze in Deutschlan­d. Im Vordergrun­d der vor knapp vier Jahren eröffnete Platz der Stadt Wertingen auf dem Judenberg. Im Hintergrun­d das aus Naturrasen beschaffen­e Nebenspiel­feld des TSV Wertingen.
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Alfons Strasser
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Carmen Ansbacher

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