Die Frauen der Rasenna
Rom kam, sah und veränderte die Welt. Ein klassisches Beispiel: Aus den robusten Galliern mit eigener keltischer Sprache machten Caesar und seine Nachfolger lateinisch parlierende Romanen. In Italien hatten die Römer schon vorher eine scheinbar überlegene Kultur unter sich begraben. Sie klingt noch im Namen der Toskana nach, dem einstigen Land der Etrusker.
Die Etrusker haben sogar den Namen, unter dem wir sie kennen, von den Römern bezogen. Sie selber nannten sich Rasenna, das Volk. Das berichtet Dionysios von Halikarnassos. Warum berufen wir uns auf den alten Griechen? Weil wir von den Rasenna selbst nur spärliche Informationen haben. Geschrieben haben sie viel, von rechts nach links, in einem Alphabet, das dem griechischen ähnelt; aber verstehen können die Schriftgelehrten bis heute nur Bruchstücke ihrer Texte. Die Rasenna sind geheimnisvoll geblieben. Dabei waren sie lange vor den Römern die führende Kultur auf der Apenninen-Halbinsel. Ihr Reich umfasste ganz Norditalien bis hinab nach Rom. Als die Römer anfingen sich wichtig zu machen, schickten sie ihre Söhne zur Erziehung ins Land der kultivierten Etrusker. Bis zu einem gewissen Grad. Denn bei den Etruskern herrschten auch Sitten, die die patriarchalischen Römer schockierten. Den Schock vermittelten die etruskischen Frauen. Sie waren frei wie sonst keine Frau im Mittelmeerraum. Sie lagen bei abendlichen Schlemmereien unbekümmert neben ihren Männern. Sie redeten mit. Sie trieben Sport wie die Männer. Sie hatten eigenen Besitz. Auf den Sarkophagen der Adeligen wurden Ehemann und Ehefrau beisammen und in gleicher Pracht dargestellt: für die Ewigkeit geschaffene Symbole der Gleichheit. Dort, in den Gräbern der Vornehmen, entdeckten Archäologen die Welt der Etrusker, ihre Kunstobjekte, ihre Malerei, ihre ganze Kultur. Die Etrusker liebten das Leben und widmeten dem Tod all das, was sie am Leben liebten.
Ihr Niedergang war besiegelt, als sie von den Römern 396 vor Christus in der Schlacht bei Veji überrannt wurden. Doch einen heimlichen Sieg errangen die Etrusker: Sie gaben viel von ihrer Kultur und ihrer Technik an die Römer weiter. Sogar ihre Toga und ihre Schrift. Rom wurde halb etruskisch. Die Frauen der Rasenna aber verloren unter den neuen Herren ihre traditionelle Freiheit.