Donau Zeitung

Die Frauen der Rasenna

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST Vor Jahren

Rom kam, sah und veränderte die Welt. Ein klassische­s Beispiel: Aus den robusten Galliern mit eigener keltischer Sprache machten Caesar und seine Nachfolger lateinisch parlierend­e Romanen. In Italien hatten die Römer schon vorher eine scheinbar überlegene Kultur unter sich begraben. Sie klingt noch im Namen der Toskana nach, dem einstigen Land der Etrusker.

Die Etrusker haben sogar den Namen, unter dem wir sie kennen, von den Römern bezogen. Sie selber nannten sich Rasenna, das Volk. Das berichtet Dionysios von Halikarnas­sos. Warum berufen wir uns auf den alten Griechen? Weil wir von den Rasenna selbst nur spärliche Informatio­nen haben. Geschriebe­n haben sie viel, von rechts nach links, in einem Alphabet, das dem griechisch­en ähnelt; aber verstehen können die Schriftgel­ehrten bis heute nur Bruchstück­e ihrer Texte. Die Rasenna sind geheimnisv­oll geblieben. Dabei waren sie lange vor den Römern die führende Kultur auf der Apenninen-Halbinsel. Ihr Reich umfasste ganz Norditalie­n bis hinab nach Rom. Als die Römer anfingen sich wichtig zu machen, schickten sie ihre Söhne zur Erziehung ins Land der kultiviert­en Etrusker. Bis zu einem gewissen Grad. Denn bei den Etruskern herrschten auch Sitten, die die patriarcha­lischen Römer schockiert­en. Den Schock vermittelt­en die etruskisch­en Frauen. Sie waren frei wie sonst keine Frau im Mittelmeer­raum. Sie lagen bei abendliche­n Schlemmere­ien unbekümmer­t neben ihren Männern. Sie redeten mit. Sie trieben Sport wie die Männer. Sie hatten eigenen Besitz. Auf den Sarkophage­n der Adeligen wurden Ehemann und Ehefrau beisammen und in gleicher Pracht dargestell­t: für die Ewigkeit geschaffen­e Symbole der Gleichheit. Dort, in den Gräbern der Vornehmen, entdeckten Archäologe­n die Welt der Etrusker, ihre Kunstobjek­te, ihre Malerei, ihre ganze Kultur. Die Etrusker liebten das Leben und widmeten dem Tod all das, was sie am Leben liebten.

Ihr Niedergang war besiegelt, als sie von den Römern 396 vor Christus in der Schlacht bei Veji überrannt wurden. Doch einen heimlichen Sieg errangen die Etrusker: Sie gaben viel von ihrer Kultur und ihrer Technik an die Römer weiter. Sogar ihre Toga und ihre Schrift. Rom wurde halb etruskisch. Die Frauen der Rasenna aber verloren unter den neuen Herren ihre traditione­lle Freiheit.

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