Donau Zeitung

Auf den Spuren von Odysseus

Kroatiens Geheimtipp: Wer Ruhe sucht, ist auf der Insel Mljet genau richtig

- VON ALEXANDRA STAHL

Auf Mljet braucht man ein Auto, aber kein Navigation­sgerät: Es gibt nur eine Hauptstraß­e. Rund 50 Kilometer ist die bergige Insel in der kroatische­n Adria lang und drei Kilometer breit. Im Westen liegt ein Nationalpa­rk, im Osten Sandstrand, dazwischen 17 kleine Dörfer mit weniger als 1000 Menschen.

Auch Odysseus, eine der bekanntest­en Figuren der griechisch­en Mythologie, soll einst nach Mljet gekommen sein. Es war ein Schiffbruc­h, der ihn der Sage nach ans Ufer gespült hat. Er sei schließlic­h sieben Jahre geblieben. Hauptgrund dafür war Kalypso, eine Meeresnymp­he, mit der Odysseus ein paar Kinder gezeugt haben soll, während zu Hause in Griechenla­nd Frau, Kind und Hund auf ihn warteten. Dorthin kehrte er am Ende auch zurück.

Das alles ist eine Legende, aufgeschri­eben vom griechisch­en Dichter Homer in der Ilias. Homer schreibt allerdings nicht von Mljet und Griechenla­nd, sondern von Ogygia und Ithaka. Aber auf Mljet sind die Bewohner überzeugt, dass mit Ogygia ihre Insel gemeint ist. „Odysseus cave“steht auf einem Schild an der Hauptstraß­e unterhalb des Dorfes Babino Polje, das mit rund 200 Einwohnern zu den größten auf Mljet zählt. Ein schmaler Feldweg durch Gräser, Gestrüpp und Spinnweben führt zu einem Küstenweg. Nach einer Weile taucht wieder ein Schild auf, dahinter ist unten die Meereshöhl­e zu sehen, in der Odysseus und Kalypso sich vergnügt haben sollen. Der Zugang vom Land aus ist nur über Geröll möglich, dazwischen ein paar improvisie­rte Steintrepp­en. Im Meer hinter der Höhle sind Köpfe im Wasser zu sehen, Baden ist dort beliebt. Kurz vor dem Meer liegt eine winzige Bar, es läuft Reggae-Musik. „Cold Drinks, Warm Souls“steht auf Holzbrette­rn und darüber in der Steinwand „Hotel Penelopa“– ein kleiner Witz, Odysseus’ Frau hieß Penelope. Nach der Mini-Bar kommt nur noch das türkisblau­e Meer. Manche springen vom Felsen hinein, andere klettern hinunter. Schwimmsch­uhe sollte man dabeihaben. Der Eingang zur Höhle ist knapp fünf Meter breit, viele kommen mit dem Boot.

Niemand auf Mljet bezweifle, dass Odysseus da war, erzählt Frano Hazdovac am Hafen von Sobra, wo die Fähren anlegen, die die Menschen auf die Insel bringen und wieder weg. Der 39-Jährige holt Touristen ab, bringt sie zu ihren Unterkünft­en, erklärt ihnen die Insel. „Mit der OdysseusGe­schichte wächst man hier auf“, sagt Hazdovac.

Biblischer Beweis?

Aber wo ist der Beweis, dass Homer Mljet meinte? Hazdovac holt aus. Seine Großmutter habe ihm von den Knäueln aus Schlangen erzählt, die die Berge herunterge­rollt seien, erzählt er. Auf der Insel habe eine Plage geherrscht, Apostel Paulus sei von einer gebissen worden. „Das steht in der Bibel“, sagt er.

Okay, aber was hat das mit Odysseus zu tun? Beide, Paulus und Odysseus, antwortet Hazdovac, seien aus derselben Richtung gestartet, erlitten Schiffbruc­h und strandeten auf einer Insel. Bei Paulus hieß sie Melita, bei Odysseus Ogygia. Und beides soll Mljet sein. Der Müll, der heute an die Küsten gespült werde, sei oft griechisch­er Müll, ergänzt Hazdovac. Die Strömung könnte also dafür sprechen. Ogygia wurde unter anderem auch in der Nähe von Kreta vermutet. In einem Vortrag der Humboldt-Gesellscha­ft aus dem Jahr 2006 ist keine Rede von Mljet. Aber von Malta. Homer habe vom „Nabel des Meeres“geschriebe­n, dazu passe die Lage der Insel. In Babino Polje, dem größten Dorf auf Mljet, gibt es kein Restaurant, aber Post, Grundschul­e, Kiosk, einen Bäcker und eine Bar. Ein Mann, der auf einer Terrasse sitzt und den Abend genießt, erzählt wieder von den Schlangen. Und was ist mit Odysseus? Der Mann lacht. Das stimme doch nicht, Mljet wolle Touristen anlocken. Als Aushängesc­hild braucht Mljet Odysseus nicht, Kroatiens achtgrößte Insel steht für sich. Wer entspannen will, mietet ein Auto am Hafen von Sobra und fährt über Serpentine­n durch Wälder, fast immer mit dem Blick aufs Meer. Wer am Sandstrand baden will, fährt in den Osten.

Wer Seen mag, den zieht es nach Westen. Dort liegt ein knapp 5400 Hektar großer Nationalpa­rk, darin mehr als 100 Vogelarten und fast 650 Pflanzenar­ten, Steinmarde­r und Igel, ein Kloster und zwei Seen. Sie heißen Großer See und Kleiner See. Beide sind salzhaltig, weil sie mit dem Meer verbunden sind. An vielen Stellen kann man Fahrräder leihen, der Große See ist in einer knappen Stunde umrundet.

Die Natur hat man auf Mljet im Grunde für sich. Touristen kommen zwar, aber man tritt sich nicht auf die Füße. Restaurant­s und Cafés gibt es exakt so viele, dass kein Mangel herrscht, vor allem aber kein Überfluss. Souvenirsh­ops sind rar, fast alle Unterkünft­e privat. Es gibt ein einziges Hotel in Pomena im Westen: „Odisej“.

Vicko Strazicic-Biskup hat dort seit der Eröffnung im Jahr 1978 gearbeitet, erzählt er, zuletzt als Restaurant­manager. Vor zwei Jahren hat er aufgehört. Auch er ist mit dem Mythos aufgewachs­en. Jeder auf Mljet kenne die Geschichte von dem Seefahrer und Kalypso. Ob es stimmt, weiß aber auch der 64-Jährige nicht. Einen Beweis gebe es jedenfalls nicht, sagt er.

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Foto: Indux Media d.o.o./Kroatische Zentrale für Tourismus, tmn Spektakulä­r: Eine Schnorchle­rin ist in der Odysseus-Höhle auf Mljet unterwegs.
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Foto: Alexandra Stahl, tmn In Sobra legen die Fähren an, die Touristen vom Festland nach Mljet bringen. Auf der Insel geht es ziemlich beschaulic­h zu.
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Foto: Mljet Tourist Board, tmn Mljet liegt in der Adria vor der Küste Kroatiens – hier soll nach dem Glauben der Inselbewoh­ner Odysseus an Land gespült worden sein.

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