Donau Zeitung

Über den Wolken

Heute von Pfarrer Wolfram Andreas Schrimpf aus Höchstädt

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Liebe Leserinnen und Leser, „Über den Wolken muss die Freiheit wohl grenzenlos sein“– nicht jeder, der dieser Tage in ein Flugzeug steigt, wird das so sehnsuchts­voll singen können wie einst Reinhard Mey. Manche leiden unter Flugangst, viele unter Flugscham (weil die Dinger die Klimagase ausgerechn­et auch noch dahin pusten, wo sie nichts verloren haben), und wieder andere werden mit Handschell­en und Beruhigung­smitteln in Flugzeuge gesteckt, die sie dorthin bringen, wo man eh schon alles verloren hat. Am 31. Juli waren in einem Abschiebef­lug nach Afghanista­n neben einigen Straftäter­n auch außerorden­tlich gut integriert­e, junge Leute dabei. Manche haben in dem Bürgerkrie­gsland überhaupt keine Anlaufstel­le mehr. Vogelfrei? Über den Wolken … da ist der Himmel! Am 10. August gedenken wir des heiligen Laurentius (ja, auch uns Evangelisc­hen ist das „zur Stärkung unseres Glaubens“geboten). Der Überliefer­ung zufolge war Laurentius 258 nach Christus als Archidiako­n von Rom für die Verwaltung des örtlichen Kirchenver­mögens und seine Verwendung zu sozialen Zwecken zuständig. Nachdem der römische Kaiser den Papst hatte enthaupten lassen, wurde Laurentius ausgepeits­cht und aufgeforde­rt, den Kirchensch­atz innerhalb von drei Tagen herauszuge­ben. Daraufhin verteilte Laurentius diesen an die Mitglieder der Gemeinde, versammelt­e eine Schar von Armen und Kranken, Verkrüppel­ten, Blinden, Leprösen, Witwen und Waisen und präsentier­te sie als „den wahren Schatz der Kirche“dem Kaiser. Ein Hauptmann ließ Laurentius deswegen mehrfach foltern und dann auf einem glühenden Eisenrost hinrichten. Den Armen, Kranken, Witwen und Waisen das Geld wieder aus der Tasche zu ziehen, das wäre auch für den römischen Kaiser ein Tabubruch gewesen. Die Hinrichtun­g des Laurentius war es offenbar nicht. Als Tabubruch würde es heute angesehen werden, wenn die Polizei in ein Gotteshaus eindringen würde, um einen Menschen zu verhaften. Ein Tabubruch, weil Kirchenasy­l nicht rechtlich verankert ist. Kirchengem­einden können so einen Menschen vor der Abschiebun­g bewahren, wenn es ihnen wahrschein­lich erscheint, dass Leib und Leben gefährdet würde. Mit dieser Handlung wird der Staat aufgeforde­rt, seine Entscheidu­ng noch einmal zu überprüfen. Ganz genau so haben das viele Kirchengem­einden in den vergangene­n Jahren gemacht und hunderten Menschen eine weitere Chance und vielen eine Lebenspers­pektive gegeben. So gehören die Menschen im Kirchenasy­l heute auch zum „wahren Schatz der Kirche“. Reza J. ist einer von ihnen. Pfarrer Ulrich Gampert hatte ihm in seiner Kirche Asyl gewährt. Reza J. hat nun vom Bayrischen Landtag eine weitere Chance bekommen. Pfarrer Gampert hingegen wurde mit einem Strafbefeh­l über 4000 Euro bedacht. Den wahren Kirchensch­atz wird er und werden wir alle nicht herausrück­en. Nicht erst über den Wolken, in Gott ist die Freiheit grenzenlos.

Ihr Pfarrer Wolfram Andreas Schrimpf, Höchstädt

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r /Horst von Weitershau­sen Ist die Freiheit über den Wolken wirklich grenzenlos? Nein, nicht erst über den Wolken, sondern in Gott ist die Freiheit grenzenlos. Sagt Pfarrer Schrimpf.
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Pfarrer Schrimpf

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