Donau Zeitung

Bauern fühlen sich am Pranger

Das Allgäu kommt nach dem Tierquäler-Skandal nicht zur Ruhe. Nun warnt die Politik, wegen einzelner schwarzer Schafe eine ganze Branche unter Generalver­dacht zu stellen

- VON ULI BACHMEIER UND MARGIT HUFNAGEL

Augsburg Die Bilder gleichen sich: Schon wieder rückten Polizisten und Veterinäre bei Bad Grönenbach an und durchsucht­en einen Bauernhof. Ein Milchviehb­etrieb im Landkreis Unterallgä­u wurde diesmal auf den Kopf gestellt, auch hier sollen Tiere gequält worden sein – wie schon im Juli auf einem Betrieb im gleichen Ort. Fälle, die auch vom Bayerische­n Bauernverb­and heftig kritisiert werden. Zugleich warnt der Verbandspr­äsident vor einem Generalver­dacht: „Verallgeme­inerungen oder ein Generalver­dacht gegen die gesamte Landwirtsc­haft sind deshalb aber nicht gerechtfer­tigt“, sagt Walter Heidl unserer Redaktion. „Und sie tun verdammt weh. Schwarze Schafe gibt es in jeder Branche.“Bauern hätten Respekt und Wertschätz­ung verdient.

Unter den bayerische­n Regierungs­fraktionen von CSU und Freien Wählern im Landtag herrscht Einigkeit, dass nicht die Mehrheit der Landwirte, sondern die industriel­l organisier­ten Großbetrie­be das Problem sind. „Das sind einige wenige, die nur die Dollars im Blick haben. Die schaden der ganzen Branche“, sagt der Vorsitzend­e des Agraraussc­husses, Martin Schöffel (CSU). Wer nur noch auf Gewinnmaxi­mierung aus sei und das Tierwohl missachte, müsse aus der Produktion aussteigen. Umgekehrt müsse die Politik für jene Landwirte eintreten, „die sich mit Liebe und Herzblut um ihre Tiere kümmern“.

„Das Übel des Ganzen ist die Massenprod­uktion“, sagt auch der Vize-Vorsitzend­e des Agraraussc­husses, der Allgäuer Abgeordnet­e Leopold Herz (Freie Wähler). Es müsse klargemach­t werden, „dass das Heil nicht in der Größe liegt, sondern in der Regionalit­ät und im Bewusstsei­n“. Herz rät den Landwirten in der aktuellen Debatte zu größtmögli­cher Transparen­z: „In die Offensive gehen, die Höfe öffnen, nix verbergen.“Die Stimmung unter den Bauern im Allgäu sei „sehr niedergesc­hlagen“, sagt Herz. Er sei seit vielen Jahren Agrarpolit­iker, habe aber noch nie eine „derartige Weltunterg­angsstimmu­ng erlebt“. Nahezu täglich bekomme er Mitteilung­en von Landwirten, die nicht weitermach­en wollen, oder von angehenden Bauern, die ihre Ausbildung abbrechen.

Der Allgäuer Biobauer und VizeChef des Umweltauss­chusses im Landtag, Eric Beißwenger (CSU), bestätigt das. Die Stimmung sei „sehr schlecht, sehr gedrückt“. Die Allgäuer Bauern verurteilt­en die Praktiken in den Großbetrie­ben, „aber alle bemängeln: Das bleibt wieder alles an allen Landwirten hängen“. Beißwenger plädiert dafür, die Agrarförde­rung stärker mit dem Tierwohl zu verknüpfen, um bäuerliche Betriebe zu stärken.

In diese Richtung denkt auch der Fraktionsc­hef der Freien Wähler im Landtag, Florian Streibl. „Je größer die Betriebe sind, umso größer ist die Gefahr, dass etwa schiefläuf­t“, sagt Streibl. Er fordert ein hartes Durchgreif­en des Staates bei Tierschutz­verstößen, sowohl bei Kontrollen als auch in der Strafverfo­lgung. Und er kündigt an, dass die Freien Wähler im Herbst ein „Aktionsbün­dnis ländlicher Raum“auf den Weg bringen wollen, „um das Image des ländlichen Raums und der Landwirtsc­haft wieder zu verbessern“.

Die Umweltorga­nisation Greenpeace nimmt hingegen sowohl Politik als auch die Landwirte in die Pflicht. „Viel zu lange wurden Missstände in den Ställen unter der Decke gehalten oder in Allianz von Politik und Bauernverb­and einfach negiert“, sagt Martin Hofstetter, Landwirtsc­haftsexper­te von Greenpeace. Er hoffe, dass sich durch den Druck, der nun aufgebaut wird, etwas Grundlegen­des ändere. Vor allem die Politik sei nun gefordert. Die mache nämlich keine klaren Vorgaben in Bezug auf die Tierhaltun­g. Zudem sei sie mitschuldi­g an der finanziell­en Misere vieler Betriebe. „Und drittens werden die landwirtsc­haftlichen Betriebe nicht ausreichen­d kontrollie­rt“, sagt Hofstetter.

Doch immerhin für den Großbetrie­b im Unterallgä­u, der den Skandal losgetrete­n hat, gilt: Er wurde in den vergangene­n fünf Jahren insgesamt über 30 Mal kontrollie­rt – der fortlaufen­den Tierquäler­ei machte das indes kein Ende.

Wie der Polizeiein­satz bei Bad Grönenbach ablief:

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