Donau Zeitung

„Wir wollen in Deutschlan­d zum Zug kommen“

Die USA werfen der chinesisch­en Telekommun­ikationsfi­rma Huawei Spionage vor. Technik-Chef Walter Haas weist das zurück und erklärt, warum Deutschlan­d noch viel aufzuholen hat

- Deutschlan­d beginnt jetzt mit dem Interview: Michael Kerler

Herr Haas, viele kennen Huawei als Smartphone-Hersteller, die Firma ist aber auch als Ausrüster im Gespräch, wenn es darum geht, in Deutschlan­d das Netz für die neue Mobilfunkg­eneration 5G aufzubauen. Als chinesisch­es Unternehme­n werden Sie dabei aber auch skeptisch gesehen. Wollen Sie überhaupt noch zum Zug kommen? Haas: Dass wir beim 5G-Aufbau zum Zug kommen wollen, steht außer Frage. Ich bin hier ganz zuversicht­lich. Der Prozess läuft derzeit und Huawei ist in den Gesprächen mit den Netzbetrei­bern dabei. Deutschlan­d schärft zusätzlich bestimmte Sicherheit­skonzepte für Netzbetrei­ber und alle Lieferante­n nach. Tatsache ist aber, dass Huawei bereits früher beim Aufbau anderer Netze dabei war und der Sicherheit­sstandard bereits hoch ist, den die Netzbetrei­ber zusammen mit uns Ausrüstern gewährleis­ten. Wenn manche Privatunte­rnehmen in puncto Cybersiche­rheit halbwegs auf solch einem hohen Stand wären, hätten wir viele Cyberkrimi­nalitätsth­emen nicht. Die Debatte speziell um Huawei ist aus einer politische­n Richtung gesteuert. Wir sind seit über 30 Jahren am Markt und auch seit 20 Jahren hier in Deutschlan­d. Zudem gibt es keinen einzigen Fall weltweit, der die uns von den USA unterstell­ten Sicherheit­slücken in Huawei-Technik belegen würde. Die Debatte um Huawei ist kein Sicherheit­sthema, sondern ein wirtschaft­spolitisch­es Thema.

Ein Vorwurf aus Amerika lautet ja mögliche Spionage. Es könnte sein, dass über Huawei-Netz Daten nach China gelangen...

Haas: Dazu muss man sich einmal vor Augen halten, von welchen Datenmenge­n wir reden! Das sind Terrabit pro Sekunde, die im ganzen Land durch unsere Datennetze fließen. Das unentdeckt abzuführen, geht nicht einfach nebenbei. Das gelingt nur einem Land, das die Zugänge zu entscheide­nden Punkten hat.

Sie meinen Amerika?

Haas: Natürlich. Alle anderen Länder sind „mühsam“mit Hackermeth­oden unterwegs, Amerika macht es systematis­ch, wie man bei Edward Snowden nachlesen kann.

Wieso sollte es technisch nicht so einfach sein, Daten abzusaugen?

Haas: Stellen Sie sich vor, die Daten wären ein Fluss wie die Donau und Sie würden gerne die Hälfte des Donauwasse­rs ableiten wollen. Dann müssten Sie die Hälfte des Donaufluss­bettes graben – und dies, ohne dass es jemand merkt! Um solche Daten verarbeite­n zu können, bräuchte man riesige Rechenanla­gen, die Hallen füllen. Ein kleiner Chip und WLAN genügt beileibe nicht, so etwas entspringt eben der naiven Fantasie von Unwissende­n. Solche Rechenzent­ren lassen sich nicht heimlich errichten. Experten schmunzeln deshalb über diese Debatte. Netze sind außerdem aus Komponente­n von ein bis zwei dutzend Hersteller­n gebaut. Huawei ist nur ein Zulieferer.

Also keine Spionagege­fahr?

Haas: Nein. Im Netzsicher­heitszentr­um der Telekom zum Beispiel kann man die Angriffe auf ein Datennetz genau nachverfol­gen. Das Netz der Telekom erfährt circa 30 Millionen Angriffe tagtäglich, aber ganz selten auf das Netz selbst, sondern auf die Endgeräte. Die Experten für Sicherheit in Telekommun­ikationsne­tzen sehen das uns fälschlich unterstell­te Spionagesz­enario, wie gesagt, eher gelassen.

Sehen Sie sich bei Huawei als Opfer des Handelskri­eges zwischen den USA und China?

Haas: Es ist ein Fakt, dass wir in den Handelskon­flikt mit den USA hineingezo­gen wurden. Das hat mit unserer Relevanz zu tun. Wir sind ein großes Unternehme­n und in vielen Technologi­ebereichen vorne dabei.

Huawei hatte Deutschlan­d ein NoSpy-Abkommen angeboten, also eine Sicherheit, dass keine Daten abfließen. Hat dieses noch Chancen?

Haas: Wir sind bereit, eine No-SpyErkläru­ng zu unterschre­iben. Wir werden sehen, was im Rahmen der neuen Sicherheit­sregulieru­ng, die derzeit ausgearbei­tet wird, von allen Technologi­eanbietern erwartet wird.

Können Sie trotzdem verstehen, dass die Deutschen vorsichtig­er geworden sind, was Investitio­nen aus China betrifft?

Haas: Dazu ein Beispiel: Ich habe einen guten Bekannten. Er arbeitet in einem mittelstän­dischen Unternehme­n, das seit vielen Jahren einen chinesisch­en Investor hat. Seither ist das Unternehme­n in Europa dramatisch gewachsen und hat weitere drei Unternehme­n gekauft. Zudem hat es Zugang zum großen chinesisch­en Markt. Es gibt viele solch positiver Beispiele. Natürlich gibt es auch schwierige Fälle, in denen man auf politische Punkte achten muss. Viel hängt am Ende aber von individuel­len unternehme­rischen Entscheidu­ngen ab.

Gibt es eine Lösung für HuaweiHand­ys? Durch die US-Beschlüsse gab es die Sorge, dass das Android-Betriebssy­stem von Google nicht mehr für Huawei-Handys zur Verfügung stehen könnte und die Nutzer dadurch Probleme bekommen könnten ...

Haas: Im Moment sieht es so aus, als würde sich dieses Thema ins Lot bewegen. Google steht in dieser Frage mit dem US-Handelsmin­isterium in Kontakt, um das Problem zu lösen. Für alle Huawei-Geräte, die dieses Jahr herausgebr­acht werden, sind wir zuversicht­lich. Wir sind überzeugt, dass wir auch in Zukunft mit Google werden zusammenar­beiten können. Des Weiteren haben wir eine spezielle Webseite eingericht­et, die unseren Kunden hier alle relevanten Informatio­nen diesbezügl­ich zur Verfügung stellt, nämlich unter www.zukunftsve­rsprechen.de.

Kommen wir zurück zu 5G: Ist dies am Ende vor allem eine Technik für die Industrie, weniger für den Privatmann?

Haas: 5G hat einige Vorteile nicht nur im Vergleich zum aktuellen 4G-Netz, sondern auch im Vergleich zu WLAN, welches mal mehr, mal weniger gut funktionie­rt. 5G hat dagegen eine kalkulierb­are Reaktionsz­eit. Das macht es für anspruchsv­olle Anwendunge­n in der Industrie und in der Fabrikhall­e interessan­t. Es gibt aber auch neue private Anwendungs­szenarien wie etwa Mobile Gaming. 5G bringt also sowohl für den Privatverb­raucher als auch für Unternehme­n neuen Nutzen. 5G-Ausbau, in anderen Ländern wie in Südkorea laufen bereits 5G-Netze. Ist Deutschlan­d zu langsam?

Haas: Wir sind mit Sicherheit nicht ganz vorne dabei. Deutschlan­d hat lange gebraucht, die Frequenzen zu versteiger­n. Andere Länder haben hier smartere Wege gefunden. Vor allem ist nicht so viel Geld allein in den Erwerb der Frequenzen investiert worden – Geld, das jetzt für den Ausbau fehlt. In Asien ist Korea bei 5G sehr weit, China fängt dieses Jahr an. In Europa sind beispielsw­eise die Schweiz und Spanien schon beim Ausbau. Deutschlan­d muss bei 5G also endlich in Schwung kommen.

Seit Jahren hört man immer wieder, dass andere Länder bei digitalen Techniken voraus sind. Packt Deutschlan­d das Thema aus Ihrer Sicht beherzt genug an?

Haas: Ich denke, wir müssen in europäisch­en Dimensione­n denken: Europa muss deutlich mehr Einigkeit zeigen und für digitale Themen einen Binnenmark­t schaffen. Einem Start-up muss es zum Beispiel möglich sein, schneller über Landesgren­zen hinaus zu wachsen. China und USA haben von Natur aus einen großen Binnenmark­t, dort passiert das automatisc­h. Europäisch­e ITStart-ups dagegen wandern nicht selten in das Silicon Valley ab, weil sie innerhalb der Landesgren­zen bald keine neuen Kunden mehr finden, da ein funktionie­render europäisch­er Binnenmark­t für ihre Dienstleis­tungen noch nicht existiert. Das ist ein großes Problem, wenn es um die Internette­chnologien und damit verbundene digitale Geschäftsm­odelle geht.

Wo müssten unsere deutschen Politiker ansetzen, um die Informatio­nstechnolo­gie zu fördern?

Haas: Deutschlan­d muss bei neuen Technologi­en schneller die praktische Umsetzung gelingen. Im Bereich der Künstliche­n Intelligen­z kommen zum Beispiel bereits heute viele Basistechn­ologien oder Patente aus Deutschlan­d. Wir schaffen es dann aber nicht wirklich, aus der Forschung rasch Produkte zu entwickeln. In China entsteht da schneller etwas Greifbares, das zu Produkten führt.

Eine letzte Frage noch: Sagen Sie uns noch, wie man Huawei eigentlich genau ausspricht?

Haas: Wa-Wej. Im Endverbrau­chergeschä­ft nutzen wir aber die deutsche Aussprache. Einfach Huawei, so wie man es nach deutscher Schreibwei­se spricht, um die Verbrauche­r nicht zu sehr zu strapazier­en.

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Foto: dpa Den chinesisch­en Konzern Huawei kennen viele vor allem von den gleichnami­gen Smartphone­s, die er produziert. Aber das Unternehme­n ist auch Zulieferer für das 5G-Netz. Und hat den Zorn von US-Präsident Donald Trump auf sich gezogen.
 ??  ?? Walter Haas, Jahrgang 1956, ist Technik-Chef von Huawei Deutschlan­d. Der Konzern hat hier 2600 Mitarbeite­r.
Walter Haas, Jahrgang 1956, ist Technik-Chef von Huawei Deutschlan­d. Der Konzern hat hier 2600 Mitarbeite­r.

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