„Wir wollen in Deutschland zum Zug kommen“
Die USA werfen der chinesischen Telekommunikationsfirma Huawei Spionage vor. Technik-Chef Walter Haas weist das zurück und erklärt, warum Deutschland noch viel aufzuholen hat
Herr Haas, viele kennen Huawei als Smartphone-Hersteller, die Firma ist aber auch als Ausrüster im Gespräch, wenn es darum geht, in Deutschland das Netz für die neue Mobilfunkgeneration 5G aufzubauen. Als chinesisches Unternehmen werden Sie dabei aber auch skeptisch gesehen. Wollen Sie überhaupt noch zum Zug kommen? Haas: Dass wir beim 5G-Aufbau zum Zug kommen wollen, steht außer Frage. Ich bin hier ganz zuversichtlich. Der Prozess läuft derzeit und Huawei ist in den Gesprächen mit den Netzbetreibern dabei. Deutschland schärft zusätzlich bestimmte Sicherheitskonzepte für Netzbetreiber und alle Lieferanten nach. Tatsache ist aber, dass Huawei bereits früher beim Aufbau anderer Netze dabei war und der Sicherheitsstandard bereits hoch ist, den die Netzbetreiber zusammen mit uns Ausrüstern gewährleisten. Wenn manche Privatunternehmen in puncto Cybersicherheit halbwegs auf solch einem hohen Stand wären, hätten wir viele Cyberkriminalitätsthemen nicht. Die Debatte speziell um Huawei ist aus einer politischen Richtung gesteuert. Wir sind seit über 30 Jahren am Markt und auch seit 20 Jahren hier in Deutschland. Zudem gibt es keinen einzigen Fall weltweit, der die uns von den USA unterstellten Sicherheitslücken in Huawei-Technik belegen würde. Die Debatte um Huawei ist kein Sicherheitsthema, sondern ein wirtschaftspolitisches Thema.
Ein Vorwurf aus Amerika lautet ja mögliche Spionage. Es könnte sein, dass über Huawei-Netz Daten nach China gelangen...
Haas: Dazu muss man sich einmal vor Augen halten, von welchen Datenmengen wir reden! Das sind Terrabit pro Sekunde, die im ganzen Land durch unsere Datennetze fließen. Das unentdeckt abzuführen, geht nicht einfach nebenbei. Das gelingt nur einem Land, das die Zugänge zu entscheidenden Punkten hat.
Sie meinen Amerika?
Haas: Natürlich. Alle anderen Länder sind „mühsam“mit Hackermethoden unterwegs, Amerika macht es systematisch, wie man bei Edward Snowden nachlesen kann.
Wieso sollte es technisch nicht so einfach sein, Daten abzusaugen?
Haas: Stellen Sie sich vor, die Daten wären ein Fluss wie die Donau und Sie würden gerne die Hälfte des Donauwassers ableiten wollen. Dann müssten Sie die Hälfte des Donauflussbettes graben – und dies, ohne dass es jemand merkt! Um solche Daten verarbeiten zu können, bräuchte man riesige Rechenanlagen, die Hallen füllen. Ein kleiner Chip und WLAN genügt beileibe nicht, so etwas entspringt eben der naiven Fantasie von Unwissenden. Solche Rechenzentren lassen sich nicht heimlich errichten. Experten schmunzeln deshalb über diese Debatte. Netze sind außerdem aus Komponenten von ein bis zwei dutzend Herstellern gebaut. Huawei ist nur ein Zulieferer.
Also keine Spionagegefahr?
Haas: Nein. Im Netzsicherheitszentrum der Telekom zum Beispiel kann man die Angriffe auf ein Datennetz genau nachverfolgen. Das Netz der Telekom erfährt circa 30 Millionen Angriffe tagtäglich, aber ganz selten auf das Netz selbst, sondern auf die Endgeräte. Die Experten für Sicherheit in Telekommunikationsnetzen sehen das uns fälschlich unterstellte Spionageszenario, wie gesagt, eher gelassen.
Sehen Sie sich bei Huawei als Opfer des Handelskrieges zwischen den USA und China?
Haas: Es ist ein Fakt, dass wir in den Handelskonflikt mit den USA hineingezogen wurden. Das hat mit unserer Relevanz zu tun. Wir sind ein großes Unternehmen und in vielen Technologiebereichen vorne dabei.
Huawei hatte Deutschland ein NoSpy-Abkommen angeboten, also eine Sicherheit, dass keine Daten abfließen. Hat dieses noch Chancen?
Haas: Wir sind bereit, eine No-SpyErklärung zu unterschreiben. Wir werden sehen, was im Rahmen der neuen Sicherheitsregulierung, die derzeit ausgearbeitet wird, von allen Technologieanbietern erwartet wird.
Können Sie trotzdem verstehen, dass die Deutschen vorsichtiger geworden sind, was Investitionen aus China betrifft?
Haas: Dazu ein Beispiel: Ich habe einen guten Bekannten. Er arbeitet in einem mittelständischen Unternehmen, das seit vielen Jahren einen chinesischen Investor hat. Seither ist das Unternehmen in Europa dramatisch gewachsen und hat weitere drei Unternehmen gekauft. Zudem hat es Zugang zum großen chinesischen Markt. Es gibt viele solch positiver Beispiele. Natürlich gibt es auch schwierige Fälle, in denen man auf politische Punkte achten muss. Viel hängt am Ende aber von individuellen unternehmerischen Entscheidungen ab.
Gibt es eine Lösung für HuaweiHandys? Durch die US-Beschlüsse gab es die Sorge, dass das Android-Betriebssystem von Google nicht mehr für Huawei-Handys zur Verfügung stehen könnte und die Nutzer dadurch Probleme bekommen könnten ...
Haas: Im Moment sieht es so aus, als würde sich dieses Thema ins Lot bewegen. Google steht in dieser Frage mit dem US-Handelsministerium in Kontakt, um das Problem zu lösen. Für alle Huawei-Geräte, die dieses Jahr herausgebracht werden, sind wir zuversichtlich. Wir sind überzeugt, dass wir auch in Zukunft mit Google werden zusammenarbeiten können. Des Weiteren haben wir eine spezielle Webseite eingerichtet, die unseren Kunden hier alle relevanten Informationen diesbezüglich zur Verfügung stellt, nämlich unter www.zukunftsversprechen.de.
Kommen wir zurück zu 5G: Ist dies am Ende vor allem eine Technik für die Industrie, weniger für den Privatmann?
Haas: 5G hat einige Vorteile nicht nur im Vergleich zum aktuellen 4G-Netz, sondern auch im Vergleich zu WLAN, welches mal mehr, mal weniger gut funktioniert. 5G hat dagegen eine kalkulierbare Reaktionszeit. Das macht es für anspruchsvolle Anwendungen in der Industrie und in der Fabrikhalle interessant. Es gibt aber auch neue private Anwendungsszenarien wie etwa Mobile Gaming. 5G bringt also sowohl für den Privatverbraucher als auch für Unternehmen neuen Nutzen. 5G-Ausbau, in anderen Ländern wie in Südkorea laufen bereits 5G-Netze. Ist Deutschland zu langsam?
Haas: Wir sind mit Sicherheit nicht ganz vorne dabei. Deutschland hat lange gebraucht, die Frequenzen zu versteigern. Andere Länder haben hier smartere Wege gefunden. Vor allem ist nicht so viel Geld allein in den Erwerb der Frequenzen investiert worden – Geld, das jetzt für den Ausbau fehlt. In Asien ist Korea bei 5G sehr weit, China fängt dieses Jahr an. In Europa sind beispielsweise die Schweiz und Spanien schon beim Ausbau. Deutschland muss bei 5G also endlich in Schwung kommen.
Seit Jahren hört man immer wieder, dass andere Länder bei digitalen Techniken voraus sind. Packt Deutschland das Thema aus Ihrer Sicht beherzt genug an?
Haas: Ich denke, wir müssen in europäischen Dimensionen denken: Europa muss deutlich mehr Einigkeit zeigen und für digitale Themen einen Binnenmarkt schaffen. Einem Start-up muss es zum Beispiel möglich sein, schneller über Landesgrenzen hinaus zu wachsen. China und USA haben von Natur aus einen großen Binnenmarkt, dort passiert das automatisch. Europäische ITStart-ups dagegen wandern nicht selten in das Silicon Valley ab, weil sie innerhalb der Landesgrenzen bald keine neuen Kunden mehr finden, da ein funktionierender europäischer Binnenmarkt für ihre Dienstleistungen noch nicht existiert. Das ist ein großes Problem, wenn es um die Internettechnologien und damit verbundene digitale Geschäftsmodelle geht.
Wo müssten unsere deutschen Politiker ansetzen, um die Informationstechnologie zu fördern?
Haas: Deutschland muss bei neuen Technologien schneller die praktische Umsetzung gelingen. Im Bereich der Künstlichen Intelligenz kommen zum Beispiel bereits heute viele Basistechnologien oder Patente aus Deutschland. Wir schaffen es dann aber nicht wirklich, aus der Forschung rasch Produkte zu entwickeln. In China entsteht da schneller etwas Greifbares, das zu Produkten führt.
Eine letzte Frage noch: Sagen Sie uns noch, wie man Huawei eigentlich genau ausspricht?
Haas: Wa-Wej. Im Endverbrauchergeschäft nutzen wir aber die deutsche Aussprache. Einfach Huawei, so wie man es nach deutscher Schreibweise spricht, um die Verbraucher nicht zu sehr zu strapazieren.