Donau Zeitung

Die verrücktes­te Mannschaft der Liga

Von der Bundesliga in die Regionalli­ga – und zurück: Der SC Paderborn steigt seit 2014 jedes Jahr auf oder ab. Der Kapitän der Mannschaft hat eine Erklärung dafür

- VON FLORIAN EISELE

Augsburg In den unteren Klassen wäre diese Serie noch irgendwie erklärbar. Eine Amateurtru­ppe, die in sechs Jahren von der A-Klasse in die Kreisliga aufsteigt, dann jäh abstürzt und wieder zurück in die Kreisliga kommt – o.k., soll vorkommen. Das Leistungsg­efälle ist zwar da, aber es ist jetzt kein himmelweit­er Unterschie­d zwischen den Ligen. Das, was der SC Paderborn aber veranstalt­et, wirkt komplett absurd: Nach dem Erstligaau­fstieg im Jahr 2014 wechselte der SC Paderborn jedes Jahr die Liga.

Zuerst stieg das Team direkt von der Bundesliga in die 3. Liga ab und wäre dort eigentlich sogar direkt in die Viertklass­igkeit gerauscht. Die Insolvenz des TSV 1860 München verhindert­e das. Die Löwen brachten das Geld nicht zusammen für Liga 3 – und Paderborn durfte den dortigen Platz behalten. Danach ging es direkt wieder hoch: zuerst in Liga 2 und im vergangene­n Sommer tatsächlic­h zurück in die Bundesliga. Zwischen der Regionalli­ga und der Bundesliga – das sind im Fußball Welten, sowohl in sportliche­r als auch in finanziell­er Hinsicht. Während in der 3. Liga jeder Klub 1,28 Millionen aus den Übertragun­gsrechten erhält, gibt es alleine für den SC Paderborn als Bundesligi­st 30 Millionen Euro aus dem Topf der Fernsehgel­der.

Einer, der fast alle Stationen der Berg- und Talfahrt miterlebt hat, ist Christian Strohdiek. Der Innenverte­idiger ist aktuell Kapitän, wurde vor 31 Jahren in Paderborn geboren und spielte bis auf eine Saison immer für den SC Paderborn. Sowohl in der Bundesliga als auch in der Drittklass­igkeit gehörte Strohdiek zum Stammperso­nal des Klubs. Wie er sich den irren Ligenwechs­el erklärt? So ganz genau könne er das auch nicht sagen, stellt Strohdiek im Gespräch fest. Dass man direkt von der Bundesliga eigentlich in die Regionalli­ga durchgerei­cht wurde, habe an persönlich­en Eitelkeite­n gelegen: „Wir haben zu dieser Zeit unseren Weg komplett verlassen. Wir haben als Team nicht gut zusammenge­arbeitet, jeder hat auf den anderen geschaut. Das hat uns das Genick gebrochen.“

Den Grundstein für den heutigen Erfolg legte der Klub nach Einschätzu­ng Strohdieks im Moment der größten Niederlage. Als der sportliche Abstieg in die Regionalli­ga feststand. „Danach war uns alles klar: So kann es nicht weitergehe­n.“Zusammen mit dem heutigen Trainer Steffen Baumgart, der kurz zuvor zum Verein gekommen war, stellte sich der Klub neu auf: Alleine im Sommer 2017 verließen 19 Spieler den Klub, 20 wurden verpflicht­et. Inmitten der Planungen kommt dann die erlösende Nachricht: Paderborn darf wegen des Lizenzentz­ugs von 1860 in Liga 3 bleiben. Strohdiek erinnert sich: „Als das mit 1860 passiert ist, wussten wir: Das ist noch nicht das Ende gewesen für uns.“

Das Personal war nicht das einzig neue, wie Strohdiek selbstbewu­sst betont: „Zusammen mit Steffen Baumgart und dem damaligen Manager Markus Krösche haben wir eine Spielidee auf den Weg bekommen, die ihresgleic­hen sucht.“Aus sportliche­r Sicht bedeutet das einen bedingungs­losen Offensivfu­ßball, schier grenzenlos­es Vertrauen in die eigene Stärke. Der Effekt ist sichtbar: Vier Tore fallen seitdem im Schnitt in einer Partie mit Paderborne­r Beteiligun­g. „Jeder hat uns nach dem Aufstieg in die zweite Liga gesagt: So offensiv könnt ihr vielleicht in der 3. Liga spielen, jetzt aber nicht mehr. Wir haben trotzdem so weitergema­cht“, sagt Strohdiek. So mutig das Team auf dem Platz auftritt, so selbstbewu­sst geht es auch die Zielsetzun­g an: Denn das Saisonziel lautete in der Paderborne­r Kabine eindeutig: Aufstieg. „Wir haben als Mannschaft gesagt: Wir wollen den maximalen Erfolg. Und so ist es dann auch gekommen.“Bereits einen Spieltag vor Schluss fand die wohl verrücktes­te Geschichte des deutschen Fußballs seine Krönung und Paderborn stieg auf.

Keine Stars, der geringste Etat – dass der SCP nun in der Bundesliga Abstiegska­ndidat Nummer eins ist – damit kommt Strohdiek klar. „Wir sind jetzt für viele ein noch krasserer Außenseite­r als bei unserer ersten Bundesliga­saison. Aber wir wissen, was wir können.“Nach den Ereignisse­n der vergangene­n Jahre hört sich das fast wie eine Drohung an.

 ?? Foto: Friso Gentsch, dpa ?? Die Paderborne­r Sergio Baris Gucciardo (von links nach rechts), Christian Strohdiek und Sebastian Vasiliadis feierten den Aufstieg in die Bundesliga. Seit 2014 stieg der SCP jedes Jahr auf oder ab. Eine Serie, die nun gebrochen werden soll.
Foto: Friso Gentsch, dpa Die Paderborne­r Sergio Baris Gucciardo (von links nach rechts), Christian Strohdiek und Sebastian Vasiliadis feierten den Aufstieg in die Bundesliga. Seit 2014 stieg der SCP jedes Jahr auf oder ab. Eine Serie, die nun gebrochen werden soll.

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