Verloren in der Sommersonne
Polizeiruf 110: Mann mischt ein Dorf auf
Ein Autobesitzer ist in den sonnigen Feldern rund um Magdeburg verschwunden und taucht nicht mehr auf. Der Eigentümer des Wagens, der Russe Jurij Rehberg, ist ein Wolf im Schafspelz, der als eine Art Rattenfänger für unerfüllte Träume und Sehnsüchte steht. Es sind Menschen, die im Lauf des Krimis ihre Grausamkeit aus Unzulänglichkeiten und ihrer Bosheit beziehen.
Der windige Jurij ist in den Augen der Kommissare Doreen Brasch und Dirk Köhler bei „Mörderische Dorfgemeinschaft“ein Charmeur, Nichtsnutz, Lebemann, Verführer und Schuldner. Die Story entwickelt sich im Lauf der fein gesponnenen Handlung zu einem Drama, das aus dem Dörfler Rehberg zusehends einen bösen Menschen macht.
Fast nebenbei erzählt der Magdeburger Polizeiruf viel über Gruppendynamik und die Soziologie eines Minikosmos. „Mörderische Dorfgemeinschaft“ist dennoch ein beeindruckender, auch unterhaltender „Polizeiruf 110“geworden, voller gelungener Bilder, die jede Menge Sonnenstrahlen atmen und sich in Metaphern ergehen. Erpressung, Körperverletzung und Diebstahl bestimmen das Leben des Russen, aus dem nicht viel herauszubekommen ist – trotz intensiver Befragungen der Dorfbewohner.
Die schönsten Szenen aber gehören Brasch (Claudia Michelsen) und ihrem Chef, dem Kriminalrat Lemp (Felix Vörtler), der im Gespräch mit der Kollegin ins Grübeln kommt: „Am Ende wollen wir alle doch nur geliebt werden.“Die resigniert da schon längst, auch wenn sich gegen Ende ein Puzzle aus Tätern, Mitwissern, Helfern und Verrätern zusammenfügt.
Ein Lob verdient der Bilderfluss der filmästhetischen Gestaltung, wie man sie in einem „Tatort“selten findet. Die Wiesen und Felder in Sachsen-Anhalt bestimmen die Szenerie, warmes Licht fängt sich in den Bauernhäusern. Schöner noch ist Katharina Heyer als schwangere, der Realität entrückte Verlobte des Ermordeten im verspielten Flatterkleid – Nachtschattengewächs und Elfe zugleich.