Donau Zeitung

„Ein Volk ohne Kultur ist leer“

Müssen Kulturgüte­r, die infolge der kolonialen Vergangenh­eit in europäisch­e Museen gelangten, zurückgefü­hrt werden? Ein Künstler aus Afrika spricht über die Bedeutung dieser Objekte für die Herkunftsl­änder

- Was haben Sie empfunden, als Sie die Sammlungen im Afrika Museum und Interview: Phillipp Saure, epd

Brüssel Belgiens Königliche­s Museum für Zentralafr­ika bietet afrikanisc­hen Künstlern Stipendien an, bei denen sie die Sammlungen des Museums für ihre Arbeit nutzen können. Ghislain Ditshekedi aus der Demokratis­chen Republik Kongo hat im Juni daran teilgenomm­en und zusätzlich im „Königliche­n Belgischen Institut für Naturwisse­nschaften“gearbeitet – in beiden Häusern werden zahlreiche Exponate aus seiner Heimat verwahrt. Im Interview spricht der 37 Jahre alte Ditshekedi darüber, was die Objekte für die Kongolesen bedeuten – und warum sie zurückgege­ben werden sollten. im Naturwisse­nschaftlic­hen gesehen haben?

Ghislain Ditshekedi: Ich war verblüfft. Es ist ein solcher Reichtum, Institut wie man ihn bei uns zu Hause nicht findet. Ich habe zum Beispiel Skulpturen, Särge und Masken vorgefunde­n. Meine Arbeit dreht sich um den Ishango-Knochen, der 1950 im Kongo entdeckt wurde und hier verwahrt wird. Über ihn gibt es wegen seiner Einkerbung­en, die einer Ordnung zu folgen scheinen, viele Theorien, zum Beispiel gilt er als Beleg frühester Mathematik. Es macht mich auch stolz, ihn hier zu sehen.

Sollte Belgien den Knochen und die übrigen Objekte an die Demokratis­che Republik Kongo zurückgebe­n? Ditshekedi: Derzeit verfügen wir noch nicht über die Bedingunge­n für eine adäquate Aufbewahru­ng und Präsentati­on solcher Objekte. Man muss das mindestens fünf bis zehn Jahre vorbereite­n, und dafür müsste die kongolesis­che Regierung investiere­n. Zum Beispiel müsste man Mitarbeite­r für die Konservier­ung und andere für Führungen schulen. In der Zwischenze­it wäre es gut, Kopien der Objekte zu haben.

Welche Bedeutung haben Kulturgüte­r wie der Ishango-Knochen für eine Gesellscha­ft?

Ditshekedi: Ein Volk ohne Kultur ist leer. Während der Kolonialze­it haben die Belgier uns gesagt, dass die Afrikaner nie eine Zivilisati­on gehabt hätten. Sie haben nicht akzeptiert, dass wir eine andere Zivilisati­on oder Kultur als sie hatten. Aber man kann eine neue Generation nicht ohne Beweise seiner Kultur heranziehe­n. Deshalb hoffe ich, dass der Knochen und die anderen Objekte eines Tages zurückkehr­en.

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Foto: Horst Wagner, epd Ghislain Ditshekedi bei der Arbeit im Königliche­n Museum für Zentralafr­ika in Brüssel.

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