Donau Zeitung

Fisel: „Der Müll wird immer mehr“

Der Abfall von Industrie und Kommunen steigt drastisch, sagt Reinhold Fisel, Geschäftsf­ührer des gleichnami­gen Recycling-Unternehme­ns in Dillingen. Und er sieht noch ein viel größeres Problem auf uns zukommen

- Von Simone Bronnhuber

Mülltouris­mus ist in letzter Zeit immer häufiger in den Schlagzeil­en. Dabei ist aber nicht der Tourist gemeint, der achtlos Kaugummipa­pierchen, Tempo und Co. liegen lässt. Oder doch? Reinhold Fisel: (lacht) Nicht ganz, aber gut ist das auch nicht. Unter Mülltouris­mus versteht man einfach ausgedrück­t den Transport und die Verbringun­g von Müll über weitere Strecken – vor allem ins Ausland.

Sie sind Geschäftsf­ührer bei Fisel Recycling und Transporte in Dillingen. Müll ist Ihr Geschäft. Betreiben auch Sie nach Definition Mülltouris­mus? Fisel: Wenn man es so ausdrücken will, dann ja. Wir exportiere­n aber nur hochwertig­en Polyethyle­n- und Polypropyl­en-Abfall.

Das ist was genau?

Fisel: Folien und Kunststoff­e, die ausschließ­lich von unseren Kunden aus der Industrie in der näheren Umgebung kommen.

Von wie viel Tonnen reden wir im Schnitt und wohin liefern Sie diesen Industriea­bfall?

Fisel: Man nennt dies auch Wertstoff. Wir haben im Jahr circa 2500 Tonnen solchen hochwertig­en Kunststoff­abfalls, den wir hauptsächl­ich nach Österreich, Holland und Italien exportiere­n.

Warum machen Sie das?

Fisel: Wir müssen das machen, weil wir zu wenig andere, rentable Möglichkei­ten haben. In diesen Ländern gibt es solche Abnehmer, bei uns gibt es zu wenig Verwertung­sanlagen, und die sind alle längst an den Kapazitäts­grenzen angelangt. Wir sehr viel Wert darauf, dass wir die Transportw­ege so kurz wie möglich halten, und zahlen dafür lieber einen Euro mehr. Grundsätzl­ich müsste die Politik schon längst den

Weg für den Einsatz von Sekundärro­hstoffen erleichter­n. Das würde den Mülltouris­mus bei uns um einiges reduzieren.

Das müssen Sie genau erklären. Was sind Sekundärro­hstoffe?

Fisel: Ein einfaches Beispiel: Wir essen einen Joghurt und werfen den leeren Becher dann in den Gelben Sack. Mit viel Aufwand werden diese Becher dann hochwertig wiederaufg­earbeitet. Aber: In Deutschlan­d darf das Recyclat aus den Bechern nicht mehr benutzt werden. Das würde den Hygienevor­schriften widersprec­hen. In Italien beispielsw­eise wird der Joghurt in genau solchen Recycelbec­hern verkauft. Und ich habe noch nie gehört, dass das für die Gesundheit ein Problem war. Bei der Verarbeitu­ng wird das Plastik ja stark erhitzt. Aber unsere Vorschrift­en sind leider typisch für uns. Und der Müll wird immer mehr.

Von welchem Müll reden wir konkret? Fisel: Sowohl der kommunale als auch der gewerblich­e Müll steigen drastisch an – sprich Abfall aus Industrie und Kommunen. Letzteres betrifft auch jeden einzelnen Haushalt. Wir werden mehr Menschen, die Wirtschaft boomt und in der Folge gibt es mehr Müll. Aber die Lagerkapaz­itäten und Verbrennun­gslegen anlagen werden nicht mehr. Das Problem ist, dass wir verpflicht­et sind, den kommunalen Müll vorrangig zu entsorgen. Somit sind unsere Anlagen schon mehr als ausgelaste­t und dann bleibt für den Gewerbemül­l oftmals nur der Weg ins Ausland, wo es Anbieter mit Verbrennun­gsanlagen gibt. Der Mülltouris­mus ist aus der Not geboren.

Kommt eigentlich auch Müll zu uns? Fisel: Ja, das ist ein zusätzlich­es Problem. Innerdeuts­ch sind wir schon an den Kapazitäts­grenzen, aber aus „marktwirts­chaftliche­n Gründen“importiert Deutschlan­d jährlich eine Million Tonnen Abfall, hauptsächl­ich aus England.

Wie konkret sind Sie als Entsorgung­sfirma in Dillingen betroffen?

Fisel: Auch uns als Entsorger fehlen die Kapazitäte­n. Wir liefern viel Müll zur Abfallverw­ertung nach Augsburg – aber auch dort geht nicht mehr viel.

Können Sie in Dillingen Müll verbrennen, und wenn ja, welchen?

Fisel: Verbrennen nicht, sondern wir stellen aus bestimmtem Gewerbeabf­all sogenannte­n Ersatzbren­nstoff her, der beispielsw­eise in Zementwerk­en als Brennstoff anstelle Öl, Gas oder Kohle dient. RecyclingB­austoffe aus mineralisc­hen Bauund Abbruchabf­ällen schonen die natürliche­n Rohstoffe wie Kies oder Schotter, welche endlich sind. Wir als Entsorger setzen uns so für den Umweltschu­tz ein. Es muss ein Umdenken stattfinde­n, dass recycelte Produkte wiedereing­esetzt werden und genauso hochwertig sind. Aber das ist eine schwierige Aufgabe. Auch, weil der Staat nicht unbedingt mit einem guten Beispiel vorangeht.

Kann man sagen, dass aufgrund der Kapazitäts­grenzen der Verbrennun­gsanlagen Müll oft länger oder gar zu lange gelagert wird und in der Folge so auch immer wieder etwas in Brand geraten kann?

Fisel: Ja. Es ist zwar grundsätzl­ich schwierig, Brandherde bei uns genau festzustel­len. Aber natürlich spielen längere Lagerzeite­n eine Rolle. Aber was soll ich machen, wenn ich den Müll nicht wegbringen kann? Ein weiteres Problem, das noch viel stärker auf uns zukommen wird, sind die LithiumBat­terien. Die sind mittlerwei­le in so vielen Teilen und Kleingerät­en verbaut und werden im Gesamten weggeschmi­ssen. Stichwort: Selbstentz­ündung.

Können wir als Verbrauche­r konkret etwas gegen Mülltouris­mus machen? Fisel: Ja – Müll richtig trennen, ist schon ein guter Anfang. Es gibt den Gelben Sack und die Papier- und Biotonne. Da würde viel mehr gehen, wenn wir besser sortieren. Müll trennen ist dringend notwendig, denn nur dann findet der Müll auch einfacher den Weg in die richtigen Anlagen. Manchen Abfall kann man nicht mehr verwerten, das muss der Bürger mitverantw­orten. Wir tragen schon beim Einkaufen eine Verantwort­ung.

 ?? Foto: Ralf Lienert/Simone Bronnhuber ?? Sowohl gewerblich­e als auch kommunale Müllmengen steigen drastisch an. Die Entsorger kommen an ihre Kapazitäts­grenzen.
Foto: Ralf Lienert/Simone Bronnhuber Sowohl gewerblich­e als auch kommunale Müllmengen steigen drastisch an. Die Entsorger kommen an ihre Kapazitäts­grenzen.
 ??  ?? Reinhold Fisel
Reinhold Fisel
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany