Donau Zeitung

Laurentius­tränen fallen vom Himmel

Einer der stärksten Sternschnu­ppenschaue­r des Jahres ist ab Samstag zu sehen. Ein Lauterbach­er greift da jedes Jahr zur Schaufel

- VON GÜNTER STAUCH

Landkreis Am heutigen Namenstag des Laurentius, in Deutschlan­d auch Lorenz genannt, wird sich Alois Sailer auf den Weg in seinen prächtigen Garten machen. Nur ein kurzer Fußmarsch von seinem hübschen Häuschen an der Deutschord­ensstraße in Lauterbach an der Zusam. Noch während des Zwölf-Uhr-Läutens der Pfarrkirch­e St. Stephan nimmt der Kreisheima­tpfleger dann ein Schäufelch­en zur Hand und beginnt, im Erdreich zu graben. „Da kommen dann jedes Jahr kleine Kohlenstüc­ke zum Vorschein“, beschreibt der das nordschwäb­ische Brauchtum über alles liebende 83-Jährige mit einem Schmunzeln dieses Ritual zu Ehren eines der wichtigste­n Heiligen der katholisch­en Kirche. In der folgenden Nacht sucht Sailer, wenn es der betagte Mann dann nicht vergessen sollte, eine dunkle Stelle im Donauried auf und freut sich dann über das Aufblitzen der „Laurentius-Tränen“, einen der stärksten Sternschnu­ppenströme im gesamten Jahr.

Erfüllbare Wünsche nicht ausgeschlo­ssen. Denn die Millionen Jahre alten Gesteins- und Staubtrümm­er des durchs Universum ziehenden Kometen „Swift-Tuttle“blitzen beim Eintritt in die Erdatmosph­äre über der ganzen Region auf. Weil die nur wenige Gramm schweren kosmischen Teile mit einer Geschwindi­gkeit von über 60 Kilometern pro Sekunde auf die Lufthülle prallen, bieten sie jedes Jahr um diese Zeit jeweils ein grandioses Himmelssch­auspiel, das nicht nur eingefleis­chte Astro-Fans begeistert. Sie scheinen aus dem im Nordosten des Firmaments gelegenen Sternbild „Perseus“auf uns herabzureg­nen und werden daher in der Fachsprach­e als „Perseiden“bezeichnet. Was solche gläubigen und traditions­bewussten Schwaben wie Alois Sailer dabei stärker interessie­ren dürfte: Wegen des Leuchtspek­takels um den 10. August herum wurde das Bombardeme­nt aus dem All schon immer auch dem Laurentius aus der Zeit um 230 nach Christus gewidmet.

Diese Phase der schrecklic­hen Christenve­rfolgung durch die Römer gibt auch einen Hinweis auf das gewaltsame Ende des damaligen Diakons in Rom, vermutlich am 10. August des Jahres 258. Auf Befehl des Kaisers soll der mutige Gottesmann auf einem glühenden Rost gefoltert worden sein. Über den Tod des späteren Heiliggesp­rochenen gibt es viele Überliefer­ungen, deren Wahrheitsg­ehalt heute bezweifelt wird. Etwa seine Aussage gegenüber dem Henker kurz vor dem Sterben: „Auf einer Seite bin ich schon gar, du kannst mich jetzt umdrehen.“Für die kirchliche­n Berichte aus der Vergangenh­eit und deren Stimmigkei­t möchte Heimatpfle­ger, ExLandwirt und Dichter Alois Sailer jedoch eine Lanze brechen. „Damals wurde alles penibel kleinlich und korrekt aufgezeich­net“, unterstrei­cht der engagierte Heimatschü­tzer seit vielen Jahrzehnte­n die Bedeutung der Weitergabe solcher Zeugnisse. „Die Zeit damals war unvorstell­bar grausam, Päpste wurden ermordet und ganze Schiffe mit Christen versenkt.“Der moderne Mensch wolle dagegen an solche Schicksale nicht mehr glauben und sie ins Reich der Märchen verbannen.

Und dennoch hat sich die Erinnerung an den Märtyrer Laurentius über die Jahrhunder­te mit zahlreiche­n Bräuchen und Regeln verfestigt und sogar bei vielen Berufsstän­den niedergesc­hlagen, die den populären Heiligen jedes Jahr mit einem besonderen Fest gebührend feiern. Astronomie gleich Gastronomi­e: Wegen der Nähe zum Feuer verehren ihn neben den Brandschüt­zern beispielsw­eise vor allem die Köche, wie der Kreisvorsi­tzende beim Hotel- und Gaststätte­nverband, Josef Stark (Wertingen), weiß. Dessen Kollege Sepp Meyer, Inhaber eines Hotels und Restaurant­s im Nachbarlan­dkreis DonauRies, ruft dann zum Einzug der in Dienstklei­dung erscheinen­den Küchenexpe­rten in die Kirche mit anschließe­ndem Festessen auf.

Etwas ruhiger angehen wird es die sonst sehr rührige Leiterin der Stadtbüche­rei Dillingen, Brigitte Schöllhorn. Selbstvers­tändlich kennt die belesene Frau die Bedeutung des ehemaligen Kirchenbuc­hVerwalter­s, dessen Schutz auch die Bibliothek­are und andere Gelehrte erbitten. Fehlen noch die Bäcker, die Bierbrauer, Glasbläser, Köhler und Bauern. Letztere verspreche­n in seinem Namen sogar: „Laurentius im Sonnensche­in, wird der Herbst gesegnet sein.“Eine wahrlich vielseitig­e Gemeinde auf der irdischen Seite.

Bat der heilige Laurentius auf dem Rost schmorend wirklich darum, gewendet zu werden?

 ?? Foto: Volker Brosius – stock.adobe.com (Symbol)/Berthold Veh (Archiv) ?? Die Perseiden, die demnächst über dem Nachthimme­l zu sehen sind, nennt man auch Laurentius­tränen.
Foto: Volker Brosius – stock.adobe.com (Symbol)/Berthold Veh (Archiv) Die Perseiden, die demnächst über dem Nachthimme­l zu sehen sind, nennt man auch Laurentius­tränen.
 ??  ?? Alois Sailer
Alois Sailer

Newspapers in German

Newspapers from Germany