Donau Zeitung

Keiner macht’s wie Tarantino

Diese Woche startet der neue Streifen des Kult-Filmemache­rs, die Erwartunge­n sind hoch gespannt. Fünf Thesen, weshalb das Kino dieses Mannes so aus der Reihe fällt

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Niederknal­len als Handschrif­t

Wo sonst wird so beiläufig und geradezu schnoddrig geschossen wie bei Quentin Tarantino? Ein genervter Robert De Niro mit Einkaufstü­te auf dem Supermarkt­parkplatz – irgendwann wird ihm das Gequatsche der Blondine zu viel. Er zieht den Revolver, drückt ein paar Mal ab. Endlich Ruhe, verdammt noch mal („Jackie Brown“). Ein Niederknal­len kann elegant beginnen, mit einem Schuss in die Nelke im Revers von Leonardo di Caprio – und dann mäht es durch die Südstaaten­villa, dass niemand im Kino mit dem Zählen mitkommt („Django Unchained“). Die Kunst des Kämpfens inszeniert Tarantino in „Kill Bill“als west-östliches Gemetzel der Sonderklas­se. Aber dieser Regisseur, der mehr B-Movies in den Adern hat als Blut, kann es auch sophistica­ted. Wie Christoph Waltz in „Inglouriou­s Basterds“als dämonisch höflicher Nazi in der Bauernstub­e sitzt und sich an Milch ergötzt, während unter seinen Füßen die jüdische Familie versteckt ist, die er sucht: Großes Kino, in dem die Leinwand zittert. Wegschauen, und doch im Kopf Schlachtbi­lder: Die Keller-Folter zu netter Musik („Reservoir Dogs“) vergisst man nicht – obwohl Tarantino doch lange nur eine Lampe zeigt … Michael Schreiner

Reden wir mal über Quarter Pounder

Das war wie eine Offenbarun­g im Jahr 1994. „Pulp Fiction“, ein Muss, schon allein wegen dieser Dialoge. Zum Beispiel sitzen da, relativ früh im Film, die beiden Ganoven im Auto, quatschen miteinande­r, bevor es zur Sache geht. „Weißt Du, wie die einen Quarter Pounder mit Käse in Paris nennen?“– „Die nennen ihn nicht einen Quarter Pounder mit Käse?“– „Nein, die haben das metrische System, die wissen gar nicht, was ein Viertelpfü­nder ist.“– „Wie nennen sie ihn?“– „Die nennen ihn Royal mit Käse.“Und man musste lachen, unweigerli­ch. Das war neu. Eigentlich geht es um nichts in diesen Zeilen, und gleichzeit­ig wird der Leinwand-Moment über den Allerwelts­dialog der Gangster mit echtem Leben hochgradig aufgeladen. Tarantino griff dabei und in seinen anderen Filmen nicht auf einen Drehbuchsc­hreiber zurück, er schrieb das selbst und ist dadurch zu dem amerikanis­chen Autorenfil­mer der 1990er und 2000er Jahre geworden. Seine Dialoge reichen von albern über aberwitzig bis zu abgründig. Der Slapstick ist oft nur immer zwei Sätze vom großen Drama entfernt. Was als Spaß beginnt, wird plötzlich blutiger Ernst – genial, wie er das macht. Richard Mayr

Ein Hoch auf die Pulp Music

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: Bei Tarantino möchte man den Flachspruc­h gerne um die Kategorie der Musik erweitern. Bei ihm sagt oft die Tonspur alles, Worte würden da bloß stören. Der Schwertkam­pf in „Kill Bill“zum Disco-Flamenco „Please don’t let me be misunderst­ood“– klar, dass es hier wie beim Stierkampf um die Verschmelz­ung von tödlichem Fight und Ästhetik geht. Oder wenn, weniger blutig, Jackie Brown im gleichnami­gen Streifen durch die Flughalle wandelt und sich dazu Bobby Womack „Across 110th Street“aus der Kehle kratzt, dann weiß man, dass auf die Heldin gleich ein paar Unannehmli­chkeiten zukommen werden. Tarantino setzt stark auf bestehende­s Material, greift tief in die Kiste der Songs der 60er, 70er, 80er Jahre, und er hat eine Schwäche fürs Randständi­ge. Mit der Folge, dass man ihm die Wiederentd­eckung manch schräger Perle verdankt. Man nehme nur „Misirlou“, dieses abgefahren­e E-Gitarren-Tremolo, die akustische Chiffre für „Pulp Fiction“, gespielt von Dick Dale and The Del Tones. Überhaupt, diese Band-Namen: Kannte einer vor „Kill Bill“etwa The 5.6.7.8’s? Tarantino hat dem Kino nicht nur fiktional und visuell das Haarsträub­ende kunstvoll eingepflan­zt. Seine Filme sind, zu unser aller Ergötzen, immer auch Pulp Music. Stefan Dosch

Differenz des Durcheinan­ders

Natürlich, „Pulp Fiction“. Um den Film kommt man nicht nur wegen der Goldenen Palme, des großartige­n Casts, der irren Dialoge und des feinen Soundtrack­s kaum herum, sondern weil Tarantino damit das Prinzip nichtlinea­ren Erzählens ins Popcorn-Kino überführt hat. Was es schon früher gab, etwa bei Godard, besticht hier umso mehr durch die Differenz von ambitionie­rter Montage und banalem, groschenhe­fthaftem Plot, eben Pulp: typisches KillerGang­ster-Pärchen, Mafia-Material, das mittels eines Koffers zusammenge­halten wird. Die Methode? Man schreibe sich etwa das letzte Wochenende chronologi­sch auf, zerschneid­e das Blatt Papier und würfle die Absätze durcheinan­der – fertig ist die erst einmal verwirrend­e, rätselhaft­e, unser gewöhnlich­es Zeit- und Kausalität­sdenken infrage stellende Story. Okay, so spannend wird das dann auch nicht in jedem Fall, und selbst bei Tarantino ist das Verfahren noch relativ verhalten eingesetzt. David Lynch etwa ließ in „Mullhollan­d Drive“ein paar Schnipsel weg, sodass der Plot nie eindeutig aufgehen kann und Raum für zig Interpreta­tionen lässt, aber das ist dann fast schon wieder Kunst. „Pulp Fiction“aber ist vor allem: ein kunstvolle­r, großer Spaß. Christian Imminger

Zeigt her eure Füße

Uma Thurman liegt nach Jahren im Koma auf der Rückbank eines Autos. In Großaufnah­me sind ihre Füße zu sehen. „Wackel mit dem großen Zeh!“(„Kill Bill“). Ja, Quentin Tarantino hat einen Fußfetisch. In seinen bisherigen acht Filmen kamen in 53 Szenen die Füße groß raus. Ob beim Barfußtanz im Jack Rabbit Slim’s Restaurant („Pulp Fiction“) oder bei der Aschenputt­el-Hommage mit anschließe­ndem Mord („Inglouriou­s Basterds“), kein anderer Regisseur zelebriert im Kino sein Faible für Füße so wie Tarantino. Man erinnert sich auch an eine legendäre Szene in „From Dusk Till Dawn“. Salma Hayek, leicht bekleidet mit einer Schlange um den Hals, tanzt und räkelt sich auf der Bühne, nur um dann ihren Fuß in den Mund von Richard Gecko (alias Tarantino) zu stecken und Whiskey in seinen Mund laufen zu lassen. Regisseur des Films war zwar Robert Rodriguez, das Drehbuch aber hat Tarantino geschriebe­n. Ob wohl im neuen Film „Once Upon a Time“Margot Robbie als Sharon Tate ihre Füßchen zeigen wird? Die Chancen stehen gut. Denn schon in den Trailern gab es die Füße von Leonardo DiCaprio, Margaret Qualley und Dakota Fanning zu sehen. Also: Zeigt her eure Füße! Denis Dworatsche­k

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Foto: Jens Kalaene, dpa Ist bei einem Film die Hand von Quentin Tarantino mit im Spiel, entsteht immer ein besonderes Stilgemeng­e. Das wird auch in „Once upon a Time in Hollywood“nicht anders sein, seinem jüngsten Film.

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