Donau Zeitung

Die Macht der Mäzene

Künstlerin Hito Steyerl über Einflussna­hme

- Interview: Gerd Roth, dpa

Aus Anlass Ihrer Londoner Ausstellun­g „Power Plants“haben auch Sie sich klar gegen die dort als Mäzen agierende Pharmaunte­rnehmer-Familie Sackler positionie­rt. Dabei haben Sie auch eine App gegen die Serpentine Sackler Gallery eingesetzt. Wie hat die funktionie­rt?

Hito Steyerl: Die App sorgt spielerisc­h dafür, dass der Name von der Fassade verschwind­et. Das ist allerdings mehr ein Nebeneffek­t. Tatsächlic­h geht es um Einkommens­ungleichhe­it in dem Viertel, in dem die Galerie steht. Das weist eines der größten Ungleichge­wichte innerhalb von Europa auf.

Was macht die Sacklers so besonders? Steyerl: Es geht mir nicht um individuel­le Mäzene. Es geht mir darum, darauf hinzuweise­n, dass die Verflechtu­ngen privater Förderer im Kunstbetri­eb auf Dauer gesehen zu völlig unvorherse­hbaren Komplikati­onen führen und auch eine öffentlich­e Diskussion­ssphäre aushöhlen, privatisie­ren und unterminie­ren können. Das ist mein Hauptanlie­gen. Es geht mir nicht darum, ob ein Mäzen schlimmer ist als andere Förderer. Es geht mir darum, das Prinzip als solches zur Debatte zu stellen. Warum werden Namen über Portalen an Meistbiete­nde verkauft? Das ist für mich nicht wirklich nachvollzi­ehbar.

In Deutschlan­d werden Kunst und Kultur umfassend öffentlich gefördert. Gleichzeit­ig gibt es zahlreiche private Stiftungen und Mäzene, die Projekte finanziere­n. Woran liegt es, dass hier seit einiger Zeit kaum größere Auseinande­rsetzungen geführt werden? Steyerl: Es ist kein Zufall, dass es in Deutschlan­d noch verhältnis­mäßig ruhig ist. Bis jetzt – man muss sagen bis jetzt – ist der Einfluss privater Sammler und Förderer längst nicht so massiv wie vor allem in England und den USA. Das scheint sich aber gerade zu ändern. Deswegen wäre jetzt ein sehr guter Moment, den Einfluss privater Sammler und Stiftungen auf den öffentlich­en Kunst- und Kulturbetr­ieb einer kritischen Prüfung zu unterziehe­n. Es ist jetzt noch früh genug, um da gegenzuste­uern und nicht sehenden Auges in diese Problemati­k hineinzula­ufen. Hito Steyerl, geboren 1966 in München, ist Professori­n für Experiment­alfilm und Video an der Universitä­t der Künste in Berlin. 2017 wurde sie vom britischen Kunstmagaz­in „ArtReview“zur einflussre­ichsten Persönlich­keit im internatio­nalen Kunstbetri­eb gekürt.

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Hito Steyerl

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