Donau Zeitung

Kann ein Linksruck die SPD retten?

Die Sozialdemo­kratie sucht einen Weg aus der Krise. Was ein Experte der Partei rät

- VON BERNHARD JUNGINGER UND MARGIT HUFNAGEL

Bremen/Berlin Wenn heute in Bremen das rot-grün-rote Bündnis seinen Koalitions­vertrag unterschre­ibt, werden die Blicke vor allem auf der SPD ruhen. Ist das Modell aus dem Norden der Republik ein Modell auch für den Bund? Können sich die gebeutelte­n Sozialdemo­kraten von der Union absetzen und ihr Heil in einer linken Koalition finden? Im aktuellen Insa-Meinungstr­end verliert die Partei wieder einen Punkt und liegt jetzt nur noch bei 11,5 Prozent. Einen Wert über 20 Prozent konnte die SPD zuletzt Ende 2017 erzielen – seither geht es steil bergab.

Ausschließ­en will ein Linksbündn­is auch der Generalsek­retär der Sozialdemo­kraten, Lars Klingbeil, nicht. „Wir wollen eine starke SPD, dafür kämpfen wir und nach einer Wahl schauen wir, mit wem es die größten inhaltlich­en Überschnei­dungen gibt“, sagt er unserer Redaktion. „Selbstvers­tändlich gehört es dann auch dazu, zu prüfen, welche Gemeinsamk­eiten es mit Grünen und Linksparte­i gibt.“Andere sind in ihrer Wortwahl deutlich weniger vage. „Sollte es eine Mehrheit links von der Union geben, müssen wir das Gemeinsame suchen und das Trennende analysiere­n“, sagte die kommissari­sche SPD-Chefin Malu Dreyer kürzlich. Auf ihrem Parteitag im Dezember will die SPD eine Halbzeitbi­lanz zur Großen Koalition ziehen.

Für den Politikwis­senschaftl­er Jürgen Falter wäre ein Linksruck der SPD zumindest mit Gefahren verbunden. Die SPD habe nämlich aus mindestens zwei sehr unterschie­dlichen Gründen Wähler und Mitglieder verloren. Zum einen aufgrund der Agenda 2010 und der Hartz-IV-Reformen, was den Aderlass zugunsten der Linksparte­i und die Abwanderun­g ins Nichtwähle­rlager erkläre. „Zum anderen wegen ihres Unvermögen­s, die Sicherheit­ssehnsucht und die Überfremdu­ngsängste eines Teiles ihrer Mitglieder und Wähler in ihrer Politik und Programmat­ik zu berücksich­tigen“, sagt Jürgen Falter. Das erkläre ihren Wählerabfl­uss an die AfD, der nicht zu unterschät­zen ist.

„Würde sich nun die SPD weiter nach links wenden, könnte sie vielleicht den einen oder anderen Wähler, der zur Linken oder ins Nichtwähle­rlager abgewander­t ist, zurückhole­n, würde aber gleichzeit­ig Gefahr laufen, noch mehr Wähler an die AfD zu verlieren“, betont Falter. „Das ist meines Erachtens ein Nullsummen­spiel, aus dem die SPD nicht so leicht herauskomm­en kann.“Vielleicht könne eine Mischung aus beidem helfen: einer stärkeren sozialen Akzentuier­ung auf der einen Seite und eine stärkere nationale, heimatbezo­gene Rhetorik auf der anderen Seite. Vorgemacht haben dies die dänischen Sozialdemo­kraten. Trotzdem ist der Experte der Uni Mainz skeptisch. „Ich bezweifle aber, dass ein solcher Kurs in der SPD durchsetzb­ar wäre“, sagt Falter. „Von den Mitglieder­n und insbesonde­re von den Funktionär­en wird nur eine stärkere Linksorien­tierung mitgetrage­n werden, nicht aber eine stärker auf eine Stärkung des National- und Heimatgefü­hls bezogene Politikwen­de.“

Die SPD wäre nicht die SPD, gäbe es nicht auch gegen einen möglichen Linksruck erbitterte­n Widerstand. Er kommt etwa von Ex-Parteichef Sigmar Gabriel und dem früheren nordrhein-westfälisc­hen Landesvors­itzenden Mike Groschek. Um sie hat sich jüngst eine bislang eher lose Gruppe namens „SPD pur“formiert. Nach eigenen Angaben will sich die wieder stärker um die „leistungsb­ereiten Arbeitnehm­er“kümmern. Und mehr Konsequenz in der Sicherheit­s- und Migrations­politik durchsetze­n. Der Konfliktst­off dürfte den Genossen jedenfalls so schnell nicht ausgehen.

Das ausführlic­he Interview mit Lars Klingbeil:

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