Donau Zeitung

Ein glückliche­s Händchen

Wie sich das Bild des Linkshände­rs verändert hat

- VON SARAH RITSCHEL

Das Blatt um 30 Grad nach rechts neigen. Wenn nötig, den Neigungswi­nkel mit einem Klebeband auf dem Tisch markieren und die Hand unter die Stiftspitz­e, damit nicht die Füllertint­e verschmier­t: Die Empfehlung­en für bayerische Lehrer, wie man linkshändi­gen Kindern eine flüssige Schrift beibringt, lesen sich wie eine Versuchsan­ordnung. Ein Versuch, der an vielen deutschen Schulen bis in die 90er Jahre tabu war. Linkshände­r wurden umgeschult, nur Rechtsschr­eiber galten als rechte Rechtschre­iber.

Heute ist das anders, heute feiern die Linkshände­r ihre Individual­ität mit einem eigenen Aktionstag – und sie werden von den Erkenntnis­sen der Wissenscha­ft umschmeich­elt. Es ist ja nicht nur so, dass die Erde sich linksherum dreht. Linkshände­r gelten mitunter als genial, weil die Benutzung der Linken die rechte Gehirnhälf­te aktiviert

– und in der sind Kreativitä­t und Gefühl zu Hause. Da Vinci, Napoleon, Obama: Sie mach(t)en alles mit links. Ein Wissen, das wohltut nach Jahrtausen­den der Diskrimini­erung – schon seit der Antike. Denn obwohl Julius Caesar höchst selbst bevorzugt die Linke nutzte, galten linkshändi­ge Sklaven als „beschädigt­e Ware“und wurden ausgetausc­ht. Linkshände­r, denen in der Schule einst das Schreiben mit rechts aufgezwung­en wurde, kämpfen auch mit schweren Nachteilen. In der ersten deutschen Beratungss­telle für Linkshände­r in München weiß man von Kunden mit Sprachstör­ungen oder Konzentrat­ionsproble­men – alles, weil das Gehirn nicht so darf, wie es will. Immer mehr Linkshände­r lassen sich wieder zurückschu­len. Also, das Blatt um 30 Grad nach rechts neigen. Wenn nötig, den Neigungswi­nkel mit einem Klebeband markieren

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Foto:AdobeStock

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