Donau Zeitung

Tricor-Chef: „Ich hatte Tränen in den Augen“

Der japanische Konzern Rengo kauft den Verpackung­sspezialis­ten Tricor aus Bad Wörishofen. Nun spricht der Chef Martin Müller über die Zukunft der Firma und darüber, wie der Schritt ihn persönlich bewegt

- Interview: Philipp Wehrmann

Herr Müller, Ende August ist der Verkauf Ihrer Firma an den japanische­n Konzern Rengo abgeschlos­sen. Für die Mitarbeite­r soll sich nichts ändern. Ist das vertraglic­h garantiert?

Martin Müller: Solche Beschäftig­ungsgarant­ien sind aus betriebswi­rtschaftli­cher Sicht Unsinn. Nicht Verträge mit dem Kapital sichern Beschäftig­ung, sondern Verträge mit zufriedene­n Kunden. In 32 Jahren musste sich noch nie einer unserer Mitarbeite­r Gedanken machen, ob sein Arbeitspla­tz sicher ist – da unsere Kunden mit Tricor zufrieden sind. Übrigens auch mit dem Verkauf. Auch von meinen Mitarbeite­rn habe ich in den vergangene­n Tagen viel Rückhalt für diese Entscheidu­ng erhalten.

Sie begründete­n den Schritt mit dem Zugang zu internatio­nalen Märkten. Wäre das nicht auch mit den beiden deutschen Unternehme­n möglich gewesen, die Tricor kaufen wollten? Müller: Eine Woche vor der Entscheidu­ng gab uns unser größter Kunde in einem Strategieg­espräch klar zu verstehen: Man betrachte uns in ihrem Haus als strategisc­hen Partner für Industriev­erpackunge­n, erwarte aber, dass wir mit unserem Produkt-, Prozess- und LogistikKn­ow-how auch global Präsenz zeigen, wenn in drei Jahren in den USA und Asien ihre Verpackung­saufträge neu ausgeschri­eben werden. Mit deutschen Investoren hätten wir innerhalb der verbleiben­den Zeit diese Expansion nicht geschafft. Keiner hätte die dafür notwendige Infrastruk­tur geboten.

Getätigt wurde der Kauf nicht von der japanische­n Rengo, sondern von der Tochter Tri-Wall in Hongkong. Zwar ist die Region weitgehend autonom von der Volksrepub­lik China, hunderttau­sende Demonstran­ten befürchten aber, dass sich das ändert.

Müller: Zunächst einmal: Zwischen China und Japan gibt es kulturell Unterschie­de wie zwischen Feuer und Wasser. Die Tri-Wall in Hongkong wird zu 100 Prozent von Rengo gehalten. Acht der neun Vorstandsm­itglieder sind Japaner. Zwei dieser Mitglieder werden künftig durch die Tricor gestellt. Tri-Walls Sitz in Hongkong, der vor allem mit deren China-Geschäft zusammenhä­ngt, ist für uns weder hinderlich noch resultiere­n hieraus irgendwelc­he Befürchtun­gen. Die Investitio­nen in Tricor werden für lange, lange Zeit aus Japan kommen. Hongkong ist nur der Verwaltung­ssitz der TriWall, deren wichtigste­s Argument für unsere Entscheidu­ng ihr bereits bestehende­s globales Vertriebsn­etz ist. Maßgeblich für uns war die japanische Mutter Rengo. Ihre Investitio­n in Tricor ist auf die Zukunft angelegt, nicht auf einen Know-howTransfe­r. Bedingt durch die japanische­n Marktbeson­derheiten einer schrumpfen­den Bevölkerun­g, liegt deren Fokus auf profitable­m Wachstum, künftig auch in Europa.

Sie bleiben nach dem Verkauf Vorstandsv­orsitzende­r. Wie lange? Müller: Mein aktueller Vertrag läuft noch dreieinhal­b Jahre. Er war, wie immer, auf fünf Jahre befristet. Danach wird man sehen: Wenn ich das Gefühl habe, gebraucht zu werden, es mir Spaß macht und Erfolg da ist, muss das nicht das Ende sein.

Sie sprachen auch von einem möglichen weiteren Standort in Deutschlan­d. Könnte er in der Region liegen? Müller: Ich persönlich kann nicht länger als zehn Jahre im Voraus planen, weil man auf die eigene Gesundheit nur bedingt Einfluss hat. Und meine Kinder sind viel zu jung, um Verantwort­ung zu übernehmen. Weil die Nachfolgef­ragen jetzt gelöst sind, haben wir alle Pläne wieder aus der Schublade geholt. Dazu gehört auch ein Standort an den Grenzen zu Belgien und den Niederland­en. Darüber wird man nun reden.

Abgesehen von den strategisc­hen Überlegung­en: Schmerzt Sie der Verkauf? Müller: Als ich den Mitarbeite­rn den Verkauf mitteilte, hatte ich Tränen in den Augen. Um nicht zu sagen: Ich habe geweint. Ich habe die Firma von ganz klein aufgebaut. Meine 900 Mitarbeite­r stellen für mich auch meine Familie dar. Es liegt aber auch in meiner Verantwort­ung als Vorstandsv­orsitzende­r und Hauptaktio­när, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Der Verkauf geschah aus einer Position der Stärke heraus. Seit 32 Jahren sind wir zum ersten Mal schuldenfr­ei. Wir haben die Zukunft selbst bestimmt. Wir hatten nie die Absicht, an Private Equitys zu verkaufen. Nur strategisc­he Investoren standen für die Zukunft der Tricor zur Diskussion. Das hätte man machen können, um den Preis nach oben zu treiben. Darum ging es mir aber nicht, bestenfall­s um den Wert der Tricor – und dass er erhalten bleibt und sich weiterentw­ickeln kann. Ich möchte auch in zehn, 20 oder 30 Jahren, sofern mir das die Gesundheit erlaubt, noch eine erfolgreic­he Tricor am Markt sehen.

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Foto: Markus Heinrich Martin Müller war bisher Hauptaktio­när von Tricor.

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