Tricor-Chef: „Ich hatte Tränen in den Augen“
Der japanische Konzern Rengo kauft den Verpackungsspezialisten Tricor aus Bad Wörishofen. Nun spricht der Chef Martin Müller über die Zukunft der Firma und darüber, wie der Schritt ihn persönlich bewegt
Herr Müller, Ende August ist der Verkauf Ihrer Firma an den japanischen Konzern Rengo abgeschlossen. Für die Mitarbeiter soll sich nichts ändern. Ist das vertraglich garantiert?
Martin Müller: Solche Beschäftigungsgarantien sind aus betriebswirtschaftlicher Sicht Unsinn. Nicht Verträge mit dem Kapital sichern Beschäftigung, sondern Verträge mit zufriedenen Kunden. In 32 Jahren musste sich noch nie einer unserer Mitarbeiter Gedanken machen, ob sein Arbeitsplatz sicher ist – da unsere Kunden mit Tricor zufrieden sind. Übrigens auch mit dem Verkauf. Auch von meinen Mitarbeitern habe ich in den vergangenen Tagen viel Rückhalt für diese Entscheidung erhalten.
Sie begründeten den Schritt mit dem Zugang zu internationalen Märkten. Wäre das nicht auch mit den beiden deutschen Unternehmen möglich gewesen, die Tricor kaufen wollten? Müller: Eine Woche vor der Entscheidung gab uns unser größter Kunde in einem Strategiegespräch klar zu verstehen: Man betrachte uns in ihrem Haus als strategischen Partner für Industrieverpackungen, erwarte aber, dass wir mit unserem Produkt-, Prozess- und LogistikKnow-how auch global Präsenz zeigen, wenn in drei Jahren in den USA und Asien ihre Verpackungsaufträge neu ausgeschrieben werden. Mit deutschen Investoren hätten wir innerhalb der verbleibenden Zeit diese Expansion nicht geschafft. Keiner hätte die dafür notwendige Infrastruktur geboten.
Getätigt wurde der Kauf nicht von der japanischen Rengo, sondern von der Tochter Tri-Wall in Hongkong. Zwar ist die Region weitgehend autonom von der Volksrepublik China, hunderttausende Demonstranten befürchten aber, dass sich das ändert.
Müller: Zunächst einmal: Zwischen China und Japan gibt es kulturell Unterschiede wie zwischen Feuer und Wasser. Die Tri-Wall in Hongkong wird zu 100 Prozent von Rengo gehalten. Acht der neun Vorstandsmitglieder sind Japaner. Zwei dieser Mitglieder werden künftig durch die Tricor gestellt. Tri-Walls Sitz in Hongkong, der vor allem mit deren China-Geschäft zusammenhängt, ist für uns weder hinderlich noch resultieren hieraus irgendwelche Befürchtungen. Die Investitionen in Tricor werden für lange, lange Zeit aus Japan kommen. Hongkong ist nur der Verwaltungssitz der TriWall, deren wichtigstes Argument für unsere Entscheidung ihr bereits bestehendes globales Vertriebsnetz ist. Maßgeblich für uns war die japanische Mutter Rengo. Ihre Investition in Tricor ist auf die Zukunft angelegt, nicht auf einen Know-howTransfer. Bedingt durch die japanischen Marktbesonderheiten einer schrumpfenden Bevölkerung, liegt deren Fokus auf profitablem Wachstum, künftig auch in Europa.
Sie bleiben nach dem Verkauf Vorstandsvorsitzender. Wie lange? Müller: Mein aktueller Vertrag läuft noch dreieinhalb Jahre. Er war, wie immer, auf fünf Jahre befristet. Danach wird man sehen: Wenn ich das Gefühl habe, gebraucht zu werden, es mir Spaß macht und Erfolg da ist, muss das nicht das Ende sein.
Sie sprachen auch von einem möglichen weiteren Standort in Deutschland. Könnte er in der Region liegen? Müller: Ich persönlich kann nicht länger als zehn Jahre im Voraus planen, weil man auf die eigene Gesundheit nur bedingt Einfluss hat. Und meine Kinder sind viel zu jung, um Verantwortung zu übernehmen. Weil die Nachfolgefragen jetzt gelöst sind, haben wir alle Pläne wieder aus der Schublade geholt. Dazu gehört auch ein Standort an den Grenzen zu Belgien und den Niederlanden. Darüber wird man nun reden.
Abgesehen von den strategischen Überlegungen: Schmerzt Sie der Verkauf? Müller: Als ich den Mitarbeitern den Verkauf mitteilte, hatte ich Tränen in den Augen. Um nicht zu sagen: Ich habe geweint. Ich habe die Firma von ganz klein aufgebaut. Meine 900 Mitarbeiter stellen für mich auch meine Familie dar. Es liegt aber auch in meiner Verantwortung als Vorstandsvorsitzender und Hauptaktionär, die Weichen für die Zukunft zu stellen. Der Verkauf geschah aus einer Position der Stärke heraus. Seit 32 Jahren sind wir zum ersten Mal schuldenfrei. Wir haben die Zukunft selbst bestimmt. Wir hatten nie die Absicht, an Private Equitys zu verkaufen. Nur strategische Investoren standen für die Zukunft der Tricor zur Diskussion. Das hätte man machen können, um den Preis nach oben zu treiben. Darum ging es mir aber nicht, bestenfalls um den Wert der Tricor – und dass er erhalten bleibt und sich weiterentwickeln kann. Ich möchte auch in zehn, 20 oder 30 Jahren, sofern mir das die Gesundheit erlaubt, noch eine erfolgreiche Tricor am Markt sehen.