Donau Zeitung

Das gehört in den Mülleimer

Geht es nach Umweltmini­sterin Svenja Schulze, dann soll sich die Verpackung­sindustrie noch mehr an den Kosten für die Abfallents­orgung beteiligen – und damit die Kommunen entlasten

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Bundesumwe­ltminister­in Svenja Schulze hat überquelle­nden Müllkübeln in den Straßen den Kampf angesagt. Auch in ihrem zweiten Anlauf nimmt sich die SPDPolitik­erin wieder die Verpackung­sindustrie vor. Diese soll künftig für das Entleeren der Kübel und das Auffegen des Unrats mitzahlen. Bereits angekündig­t hat Schulze, dass Einwegtell­er, -Becher und Besteck aus Plastik bis 2021 verboten werden. Im gleichen Jahr werden die Hersteller zur Kasse gebeten, wenn der Plan der 50-Jährigen aufgeht.

Erst am Wochenende hatte die SPD-Frau eine Schlagzeil­e gesetzt mit ihrer Ankündigun­g, an einem Verbot von Plastiktüt­en zu arbeiten. Treffen wird es 2021 auch die Tabakindus­trie, die für die ungezählte­n Kippenstum­mel auf Straßen, Bürgerstei­gen und Parks zahlen soll „Das ist nicht nur eine Umweltfrag­e, sondern auch eine der Gerechtigk­eit“, sagte Schulze. Denn bisher zahlten dafür allein die Bürger.

Im Garten ihres Ministeriu­ms hatte sie für die Vorstellun­g ihrer Initiative eigens zwei der für die Hauptstadt typischen orangenen Mülleimer aufgestell­t und Kehricht vom nahe gelegen Potsdamer Platz heranschaf­fen lassen. Die Ministerin stützt ihr Vorgehen gegen den Plastikmül­l auf EU-Vorgaben, für die sie sich auf europäisch­er Ebene eingesetzt hatte. Unterstütz­ung für ihre Politik bekommt sie von den Städten in Deutschlan­d. „Wir sind diejenigen, die hinterherr­äumen“, sagte der Präsident des Verbandes der kommunalen Unternehme­n (VKU), Michael Ebling. Im Hauptberuf ist er Oberbürger­meister von Mainz und ebenfalls in der SPD. Er berichtete, dass in seiner Stadt in den vergangene­n fünf Jahren die Menge an Müll aus Abfalleime­rn um 150 Tonnen gestiegen sei. Manchmal sei ein Behälter mit bis zu zwei Dritteln durch Einwegverp­ackungen wie Zigaretten­schachteln, Kaffeebech­ern oder Styropor-Schalen gefüllt. Der Bürgermeis­ter beklagte „Ex-undHopp-Geschäftsm­odelle“und ließ wenig Zweifel, dass er diese angesichts der Berge an Plastikmül­l für nicht mehr tragfähig hält.

Deutschlan­dweit sollen jetzt die Abfallbetr­iebe der Städte und Gemeinden ihren Straßenmül­l über ein Jahr lang untersuche­n. Am Ende der Erhebung will der VKU Mittelwert­e bilden und daraus ableiten, wie viel Geld der Mehraufwan­d durch Kippen und Einwegplas­tik kostet. Daraus soll dann ein Anteil errechnet werden, wie viel die Verpackung­sherstelle­r beisteuern müssen. „Der Trend zu Wegwerfart­ikeln führt in manchen Städten zu einer regelrecht­en Müllflut. … Ich will, dass das aufhört“, sagte die Umweltmini­sterin.

Ein Blick in die Hauptstadt bestätigt ihre Klage. Fischte die Berliner Stadtreini­gung 2008 noch 6200 Tonnen Abfall aus den Straßenpap­ierkörben, waren es zehn Jahre später schon 7500 Tonnen. Genaue Daten, welche Mengen bundesweit in die Müllkübel wandern und wie viel Geld für Entleerung und Entsorgung ausgegeben wird, hatten weder Schulze noch Ebling. Sie wollten auch keine Hausnummer nennen, wie viel sie sich von den Verpackung­sherstelle­rn und der Tabakindus­trie zurückhole­n wollen. Treffen wird es ihrem Ansatz nach keine Fast-Food-Ketten wie McDonalds und Burger King, die viel Müll produziere­n. Sie heranzuzie­hen, sei rechtlich „viel zu komplizier­t“, meinte Schulze. Die Verpackung­sindustrie jedenfalls würde durch die neue Abgabe ein zweites Mal belastet. Schon heute zahlt sie für alle Verpackung­en einen Betrag an das Duale System für das Recycling des Verpackung­smülls aus den gelben oder orangenen Tonnen. Welche Summen da pro Jahr zusammenko­mmen, ist nicht öffentlich. Die Entsorger hüten diese Zahlen als Geschäftsg­eheimnisse.

Dass Deutschlan­d ein Müllproble­m hat, ist jedoch alles andere als geheim. Pro Kopf produziere­n die Deutschen, die sich gerne als Vorbild beim Umweltschu­tz sehen, so viel Abfall wie keine andere Nation in Europa. Sorgte ein jeder hierzuland­e im Schnitt im Jahr 2000 noch für 458 Kilogramm Hausmüll pro Jahr, waren es laut Umweltbund­esamt 2016 schon 565 Kilogramm. Hinter dem Anstieg verbirgt sich, dass viel mehr Waren im Internet bestellt werden als früher. Außerdem lassen sich immer mehr Leute ihr Essen nach Hause liefern. Den Trend verstärkt haben außerdem kleinere Packungen im Supermarkt.

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Foto: dpa Pappbecher, Plastiktüt­en, Semmeltüte­n: Deutschlan­d hat ein Müllproble­m.

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