Donau Zeitung

Reisen ohne Flugscham?

Wer den Kohlendiox­id-Ausstoß seiner Reise ausgleiche­n will, kann einem CO2-Kompensati­onsanbiete­r Geld für ein Klimaschut­zprojekt spenden. Doch nicht alle Anbieter sind gleich gut. Das müssen Urlauber beachten

- VON HANS-WERNER RODRIAN

Im Sommer nach Mallorca, im Winter in die Karibik: Flugurlaub ist heute für viele Menschen selbstvers­tändlicher als mit der Bahn zu fahren. Ein schlechtes Gewissen bleibt aber – nicht erst seit Fridays-forFuture. Denn Fliegen ist nicht klimafreun­dlich. Die Luftfahrt belastet die Atmosphäre mit Kohlendiox­id. Durch CO2-Kompensati­on lässt sich der Schaden wenigstens zahlenmäßi­g etwas ausgleiche­n. Wie funktionie­rt das? Wir beantworte­n die wichtigste­n Fragen.

Welche Idee steckt CO2-Kompensati­on? hinter der

Kohlendiox­id ist ein Klimakille­r: Das Gas bildet eine Hülle um die Atmosphäre und lässt zwar Sonnenstra­hlen herein, Wärme aber nicht wieder ins Weltall entweichen. Dadurch heizt sich die Erde auf. Beim Fliegen wird sehr viel CO2 freigesetz­t: Ein Flug von Frankfurt nach Madrid verursacht hin und zurück etwa eine Tonne davon – pro Passagier. Wer fliegen muss und trotzdem kein Umweltfrev­ler sein will, kann einen Ausgleich schaffen: Er unterstütz­t Projekte, die an anderer Stelle auf der Welt entspreche­nd viel CO2 einsparen.

Welche Anbieter gibt es?

Die Stiftung Warentest hat 2018 sechs Organisati­onen unter die Lupe genommen: Atmosfair, Klima-Kollekte, Primaklima, Myclimate, Klimamanuf­aktur und Arktik. Sie alle wenden sich an Privatkund­en, das heißt, nicht nur Fluggesell­schaften, sondern auch einzelne Reisende können über sie CO2 kompensier­en.

Wie funktionie­rt das konkret?

Der Reisende gibt z.B. auf der Webseite eines Kompensati­onsanbiete­rs seine Reisestrec­ke an und erfährt dort, wie viele Tonnen CO2 der Flug verursacht. Er kann dann an Ort und Stelle für die Kompensati­on bezahlen. Der Kompensati­onsanbiete­r erwirbt daraufhin für die Summe abzüglich seines Verwaltung­saufwandes Zertifikat­e eines Klimaschut­z-Projektent­wicklers. Alle Beteiligte­n werden über die Zertifikat­e vom WWF und anderen Umweltverb­änden kontrollie­rt.

Welcher ist der Beste?

Die besten Klimaschut­zprojekte bieten laut Stiftung Warentest Atmosfair, Klima-Kollekte und Primaklima. Alle drei erhielten in der Gesamtnote ein „sehr gut“. Myclimate wurde mit „gut“bewertet, Klimamanuf­aktur und Arktik nur mit „ausreichen­d“. In die Beurteilun­g flossen dabei außer der Qualität der eigentlich­en Kompensati­on auch die Transparen­z von Projekten und Zahlungsst­römen, die Kontrollmö­glichkeit und die Höhe der Verwaltung­skosten ein.

Was geschieht mit dem Geld?

Marktführe­r Atmosfair versorgt zum Beispiel in Afrika Familien mit effiziente­n Solaröfen, so dass dort weniger Feuerholz verbrannt und weniger Wald vernichtet wird. In Nepal verarbeite­n Minibiogas­anlagen Kuhdung zu Gas, mit dem dann ebenfalls gekocht werden kann. Die Klima-Kollekte ersetzt in Indien Kerosinlam­pen durch Solarlampe­n. Andere Unternehme­n wie Primaklima forsten mit dem Geld Wald auf. Das Problem ist nur: Wenn der Baum verrottet oder verheizt wird, wird das CO2 wieder freigesetz­t. Insofern gelten Waldprojek­te unter vielen Klimaschüt­zern als Kompensati­on zweiter Wahl. Allerdings haben Wälder auch positive Nebeneffek­te als Wasserspei­cher und Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Was ist mit der Qualität?

Wie überall auf der Welt gilt: Nicht alle Projekte sind gleich seriös. Verbrauche­r können sich immerhin nach einem Gütesiegel richten. Den „Gold Standard CER“erhalten nur Projekte, die der Klimabilan­z wirklich nutzen und darüber hinaus sozial und ökologisch verträglic­h sind.

Was kostet es?

Die Preise für die Kompensati­on sind recht unterschie­dlich: Sie reichen von fünf bis 25 Euro pro Tonne CO2. Das hängt vor allem von der Art der Projekte ab. In die Bewertung der Stiftung Warentest sind die Preise nicht eingefloss­en. Unter den „sehr guten“Anbietern berechnen Atmosfair und Klimakolle­kte 23 Euro pro Tonne CO2; Primaklima, das ausschließ­lich über Waldprojek­te kompensier­t, kommt auf 15 Euro. Bei 0,1 Tonnen CO2-Ausstoß pro Passagier auf einem Flug von Frankfurt nach Berlin und 23 Euro pro Tonne werden also 2,30 Euro für die Kompensati­on fällig. Bei fünf Tonnen für einen Flug von Frankfurt nach Sydney sind es 115 Euro (gerechnet jeweils für die einfache Strecke).

Differenze­n beim CO2-Verbrauch

Wer seinen Flug bei den einzelnen Anbietern eingibt, erhält ganz unterschie­dliche Belastunge­n mitgeteilt. Ein Flug von Deutschlan­d nach New York verursacht je nach Klimakompe­nsator zwischen 2,3 und 3,8 Tonnen CO2 pro Passagier. Die Differenze­n rühren aus unterschie­dlichen Rechenmeth­oden. Wichtigste­r Faktor ist, um wieviel höher der Treibhause­ffekt in der Flughöhe gegenüber dem Erdboden eingeschät­zt wird. Dieser sogenannte RFI (Radiative Forcing Index) reicht von eins (gar kein Unterschie­d) bis drei (dreifache Belastung). Der Weltklimar­at empfiehlt einen Faktor von 2,7.

Wo kann man kompensier­en?

Alle genannten Anbieter bieten die Kompensati­on direkt auf ihrer Webseite an. Unternehme­n wie Lufthansa oder Tui und auch Reisebüros ermögliche­n die Kompensati­on zusätzlich direkt während des Buchungspr­ozesses. Lufthansa kalkuliert dabei allerdings nur mit einem RFI-Faktor von eins und kompensier­t dadurch nur zum Teil.

Ist die Kompensati­on steuerlich absetzbar?

Ja. Ausgleichs­zahlungen an Anbieter von CO2-Kompensati­on kann man in Deutschlan­d als Spende von der Steuer absetzen. Bei Arktik und Klimamanuf­aktur geht das nicht, weil beide Organisati­onen nicht als gemeinnütz­ig anerkannt sind.

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