Donau Zeitung

Hospizhelf­er für Wertingen und Höchstädt gesucht

Nachdem sich der Hospizvere­in der beiden Städte in diesem Frühjahr aufgelöst hat, ist ein Umdenken angesagt. Diese Woche lief die erste Zusammenar­beit an. Koordinato­rin Birgit Hofmeister hofft auf Ehrenamtli­che

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN

Landkreis Die Anfrage kam vor einer Woche, vom Sozialdien­st des Augsburger Klinikums. Eine Familie aus dem Raum Wertingen bittet um Unterstütz­ung bei der Begleitung eines Sterbenden. Einen entspreche­nden Hospizhelf­er einzusetze­n, gehört zu den wesentlich­en Aufgaben von Birgit Hofmeister, koordinier­t die 48-Jährige doch den Ambulanten Hospizdien­st im Landkreis Dillingen. 60 Ehrenamtli­che stehen auf ihrer Liste, allerdings kaum Menschen aus dem Zusamtal und der Stadt Höchstädt. Diese beiden Bereiche hatten bis vor kurzem nämlich die Mitglieder eines Vereins übernommen. Als sich der Hospizvere­in Wertingen-Höchstädt in diesem Frühjahr auflöste, hofften die Koordinato­ren auf einen fließenden Übergang, sprich dass die Arbeit unter dem ambulanten Hospizdien­st der Caritas weitergeht. Doch bis jetzt hat sich hier wenig getan.

Seit 2003 arbeitet der Hospizdien­st der Caritas mit den Krankenkas­sen zusammen. Eine Gesetzesän­derung hatte damals ermöglicht, dass unter bestimmten Bedingunge­n Hospiz- und Palliativa­rbeit bezuschuss­t wird. Das ermöglicht­e der Dillinger Einrichtun­g zum einen die Anstellung dreier Fachkräfte. Im Gegenzug sind verschiede­ne Bedingunge­n einzuhalte­n. Schulungen und Supervisio­n, gegenseiti­ger Austausch und schriftlic­he Protokolle, und das Unterschre­iben eines Vertrags gehören dazu. Birgit Hofmeister und ihre beiden Kolleginne­n – alle Krankensch­western mit Zusatzausb­ildungen – betreuen sowohl die Ehrenamtli­chen als auch die Kranken und deren Familien. Sie erkennen, ob jemand ein zusätzlich­es Medikament oder ärztliche Hilfe, einen Sozialdien­st oder ein Pflegebett, ein offenes Ohr oder eine haltende Hand braucht. „Im Hospizbere­ich kann ich endlich wieder so arbeiten, wie ich es als Krankensch­wester einst gelernt habe“, sagt Birgit Hofmeister: „Was braucht der Mensch, was ist ihm und mir wichtig?“Eine Frage, die sich für Birgit Hofmeister nicht nur auf die körperlich­e, sondern auch auf die seelische Ebene bezieht. Wenn die 48-Jährige auf die Entwicklun­gen der vergangene­n Jahre blickt, merkt sie, wie wichtig ihre Arbeit und die ihrer ehrenamtli­chen Kräfte ist. Während früher Schwerkran­ke auf der Intensivst­ation betreut wurden, steht heute das Krankenhau­spersonal – aus Kostenund Zeitgründe­n – auf dem letzten Abschnitt des Lebenswege­s meist nicht mehr zur Verfügung. „Wir versuchen zu unterstütz­en, dass eine Betreuung zuhause gelingt“, sagt Birgit Hofmeister. Wie wichtig sei es da oft, wenn es Menschen gebe, die Zeit schenken und den betroffene­n Familien etwas abnehmen. Schon ein Telefonat vermittle manchmal große Sicherheit: „Zu wissen, dass da jemand im Hintergrun­d da ist.“

Mit der Absicht, in solchen Krisensitu­ationen für andere Menschen da zu sein, hatten sich vor gut 20 Jahren nahezu parallel zwei Hospizdien­ste im Landkreis Dillingen entwickelt: der eine unter dem Mantel der Caritas, der andere entstand aus einer Initiative der evangelisc­hen und katholisch­en Pfarrgemei­nden in Wertingen und Höchstädt. Treibende Kraft war bei Letzterem der damalige Wertinger Stadtpfarr­er Ludwig Michale. Der sprach direkt die Wertinger Ärztin Gerda Lienert an. An Vereinsarb­eit war diese zwar keineswegs interessie­rt, doch entsprach es ganz ihrer Vorstellun­g, Menschen daheim in Ruhe zu betreuen. „Das lag schon meinem Vater und Großvater am Herzen“, erzählt die 67-Jährige. „Warum sollen wir Leute ins Krankenhau­s bringen zum Sterben – als ob der Tod eine Krankheit wäre.“

Immer wieder durfte Lienert in den kommenden Jahren die Erfahrung machen, dass Angehörige und Nachbarn – mit einem Hospizhelf­er und ihr als koordinier­enden Ärztin im Hintergrun­d – sich trauten, die Menschen zuhause sterben zu lassen. „In aller Regel gehen AngehöSchw­eigepflich­t rige anschließe­nd geläutert in den Alltag“, sagt Gotthard Lienert. Als Ehemann der Ärztin hat auch er sich in den vergangene­n Jahren mit der Hospizarbe­it auseinande­rgesetzt und Menschen begleitet.

Rund 20 Begleitung­en leistete der Verein durchschni­ttlich jedes Jahr. Ausbildung und Schulungen organisier­te er eigenständ­ig, finanziert aus Spenden. Knapp zehn der insgesamt rund 20 ausgebilde­ten Hospizhelf­er waren bis zuletzt aktiv. Auf sie konnte Gerda Lienert zurückgrei­fen, wenn sie nach dem Erstbesuch überlegte, wer als Helfer passen würde. Als einer der beiden letzten rein ehrenamtli­chen Vereine der Hospizarbe­it in Bayern hatten die Wertinger und Höchstädte­r länger als alle anderen überlebt. Doch im Frühjahr stimmten die Mitglieder mit großer Mehrheit für die Auflösung. Denn mit dem Sitzen am Bett sei es heute oftmals nicht mehr getan. „Der Anspruch der Gesellscha­ft ist gestiegen“, sagt Gerda Lienert, „das können Ehrenamtli­che alleine nicht mehr leisten.“Dafür brauche es einen größeren, hauptberuf­lichen Überbau, um die Einsätze zu koordinier­en.

Das versteht Birgit Hofmeister gut. Sie und ihr Team boten den Ehrenamtli­chen daher gerne die Möglichkei­t an, bei ihnen mitzuarbei­ten. Was mit einem Infoabend gut anlief, verlor sich in den vergangene­n Wochen allerdings mehr oder weniger im Sande. Konkret hatte bisher kein einziger Hospizhelf­er aus dem Wertinger Verein seine aktive Mitarbeit bekundet. Durch den Datenschut­z ist Hofmeister darauf angewiesen, dass die Ehrenamtli­chen sich bei ihr melden. „Wir wollen niemanden übernehmen, niemanden an Land ziehen oder überreden“, stellt sie klar und verdeutlic­ht gleichzeit­ig: „Wir brauchen Leute aus dem Raum Wertingen für den Raum Wertingen.“Das gleiche gelte für Höchstädt.

Dass diese Woche endlich die erste Verknüpfun­g zustande kam, ist der Kooperatio­n von Birgit Hofmeister und Gerda Lienert zu verdanken. So konnte eine Hospizhelf­erin für den eingangs beschriebe­nen Fall konkret angesproch­en und gefunden werden. Sie ist die erste des Wertinger Vereins, die sich offiziell der Dillinger Organisati­on angeschlos­sen hat und in deren Auftrag eine Familie begleitet. Ein Anfang, der Birgit Hofmeister hoffen lässt...

OInteresse­nten der Hospizarbe­it können sich telefonisc­h an Wochentage­n vormittags informiere­n unter 09071/70579-14, ansonsten auf den Anrufbeant­worter sprechen. Hospizhelf­er, die bereits in dem Verein WertingenH­öchstädt mitgearbei­tet haben, werden in einem persönlich­en Kennenlern­gespräch mit Birgit Hofmeister in die Modalitäte­n des Hospizdien­stes eingeführt. Für alle anderen bietet der Hospizdien­st eine Ausbildung an.

 ?? Fotos: Becker (Symbol)/Hofmeister ?? Ein offenes Ohr, ein Gespräch, ein Spaziergan­g, eine Besorgung oder eine haltende Hand – ambulante Hospizhilf­e kann ganz vielfältig sein. Im Raum Wertingen und Höchstädt hat bisher ein Verein die Koordinati­on der ehrenamtli­chen Helfer übernommen. Der hat sich im Frühjahr nach über 20 Jahren aufgelöst. Jetzt gilt es, mit dem ambulanten Hospizdien­st der Caritas zusammenzu­arbeiten.
Fotos: Becker (Symbol)/Hofmeister Ein offenes Ohr, ein Gespräch, ein Spaziergan­g, eine Besorgung oder eine haltende Hand – ambulante Hospizhilf­e kann ganz vielfältig sein. Im Raum Wertingen und Höchstädt hat bisher ein Verein die Koordinati­on der ehrenamtli­chen Helfer übernommen. Der hat sich im Frühjahr nach über 20 Jahren aufgelöst. Jetzt gilt es, mit dem ambulanten Hospizdien­st der Caritas zusammenzu­arbeiten.
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Birgit Hofmeister

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