Donau Zeitung

Der Scholz-Flüsterer

Olaf Scholz will SPD-Chef werden, in der Partei löst das verhaltene Begeisteru­ng aus. Seine Mitarbeite­r geben für diesen aber alles – allen voran: Wolfgang Schmidt

- Gregor Peter Schmitz

Am Wochenende war Wolfgang Schmidt zu bestaunen, wie er sich aus einem Fenster des Bundesfina­nzminister­iums stürzte. Es war Tag der offenen Tür im Ministeriu­m, und Schmidt natürlich für die Abseil-Aktion vor neugierige­n Bürgern ausreichen­d gesichert. Dennoch beschlich einen der Gedanke, dass sich Schmidt vermutlich auch jederzeit aus dem Fenster stürzen würde, sollte dies nötig werden für seinen Boss: Olaf Scholz, Bundesfina­nzminister, Vizekanzle­r – und seit einigen Tagen Anwärter auf den Posten als Vorsitzend­er der Sozialdemo­kratischen Partei Deutschlan­ds (für die sich derzeit eine eher überschaub­are Zahl Menschen aus dem Fenster stürzen würde).

Natürlich gehören treue Paladine und Einflüster­er zu Politikern seit jeher dazu. Nur wenige füllen diese

Rolle aber so geschickt-glamourös aus wie der 48 Jahre alte Staatssekr­etär Schmidt, der Scholz schon in dessen Tagen als Erster Bürgermeis­ter von Hamburg eng zur Seite stand. Zu der Zeit leitete er die Landesvert­retung der Hansestadt in Berlin, er kümmerte sich – als Ehemann einer Mexikaneri­n global aufgestell­t – zudem um Außenbezie­hungen der Metropole.

Damals galt Schmidt als eine Art Doyen der Landesvert­reter, die Abstimmung zu heiklen Bundesrats­sitzungen lief häufig über seinen Schreibtis­ch.

Die Feste in der Landesvert­retung waren begehrte politische Kontaktbör­sen

– auch wegen Schmidt, der für einen Strippenzi­eher ungewöhnli­ch offen Strippen zieht, soziale Netzwerke fleißig bedient und Journalist­en durchaus direkt auf vielleicht übersehene Stärken seines Chefs hinweisen kann.

Denn das bleibt die Herausford­erung sogar für den gewieftest­en Strippenzi­eher: Olaf Scholz ist zumindest in der SPD ein schwer vermarktba­res Produkt. Zwar hat Scholz als Mieteranwa­lt angefangen, er kann eloquent berichten, wie sehr ihn das Schicksal einfacher Leute umtreibe. Auch seine aktuelle Kandidatur beschrieb Scholz durchaus emotional, mit dem Verweis auf sein flaues Bauchgefüh­l ob der schlechten Umfragewer­te für die SPD. Aber viele Sozialdemo­kraten nehmen Scholz so viel Gefühl nicht ab, sie halten ihn für einen Mann der Wirtschaft (und, schlimmer noch: GroKo-Befürworte­r). Außerdem unterstell­en sie ihm gewisse Arroganz – ganz zu schweigen von der Nähe zu Andrea Nahles, gerade erst vom SPD-Hof gejagt.

Strippenzi­eher Schmidt kennt die Vorbehalte, auch gegen hölzerne Scholz-Rhetorik, die diesem den Spitznamen „Scholzomat“einbrachte – und hofft mit Kompetenz zu kontern. Zum engsten „Team Scholz“gehören Jakob von Weizsäcker als Chefökonom des Ministeriu­ms, der Ex-Journalist Steffen Hebestreit als Sprecher oder der frühere Goldman-Sachs-Chef Jörg Kukies. Alle schwören auf ihren Chef und senden so subtil die Botschaft: Kann jemand, der auf derart begeistert­e Mitarbeite­r bauen kann, wirklich ein „Scholzomat“sein?

 ?? Foto: BMF/photothek ??
Foto: BMF/photothek

Newspapers in German

Newspapers from Germany