Donau Zeitung

Linus Försters steiniger Weg zurück in die Freiheit

Der frühere Landtagsab­geordnete saß wegen Sexualstra­ftaten mehr als zweieinhal­b Jahre in Haft. Montagfrüh ist er aus dem Gefängnis entlassen worden. Wie der 54-Jährige so tief fallen konnte und wie es jetzt für ihn weitergeht

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Amberg/Augsburg Es hat ganz schön gekracht während der letzten Stunden von Linus Förster im Gefängnis. In Amberg und Umgebung tobte am Sonntagabe­nd ein Gewitterst­urm. Bäume stürzten um, Straßen wurden überflutet. Man könnte das Unwetter kurz vor der Haftentlas­sung des früheren Politikers nun als schlechtes Omen deuten. Man könnte aber auch von einem reinigende­n Gewitter sprechen – wenige Stunden, bevor der ehemalige SPD-Landtagsab­geordnete am Montagmorg­en die JVA Amberg verlassen und ein neues Leben in Freiheit angetreten hat.

Förster wird nach unseren Recherchen nun erst einmal in seine Heimatstad­t Augsburg zurückkehr­en. Dort gibt es einige Menschen, die nach wie vor zu ihm halten, unter anderem die Frau, mit der sich der Ex-Politiker kurz vor dem Prozess verlobt hat. Förster muss Bewährungs­auflagen erfüllen und wird in der speziellen bayerische­n Datenbank für entlassene Sexualstra­ftäter (Heads) geführt.

Welche Pläne er hat, ist nicht bekannt. Dass er in die Politik zurückkehr­t, ist ausgeschlo­ssen. Als 2016 die Vorwürfe gegen ihn bekannt geworden waren, legte er sein Landtagsma­ndat nach 13 Jahren nieder und trat aus der SPD aus. Sein Rechtsanwa­lt Walter Rubach sagt, Förster werde es sehr schwer haben, wieder Fuß zu fassen und einen Job zu finden. Dabei kann Förster Geld brauchen. Seine Abgeordnet­enpension von rechnerisc­h 3600 Euro brutto ist er los. Die Prozesskos­ten in fünfstelli­ger Höhe musste er ebenfalls tragen. Und seinen Opfern hat er Entschädig­ungen von mehr als 30 000 Euro gezahlt.

Zwei Jahre und acht Monate hat der ehemalige schwäbisch­e SPDChef und langjährig­e Landtagsab­geordnete Dr. Heinrich Linus Förster hinter Gittern verbracht, rund zwei Drittel der Strafe. Eine harte Zeit für den 54-Jährigen. Der promoviert­e Politikwis­senschaftl­er verbrachte seine Tage unter einem Dach mit Gewalttäte­rn, Drogendeal­ern und Mördern. Der Mann, der einst als politische Hoffnung der schwäbisch­en Sozialdemo­kraten galt – er fand sich auf einer Stufe mit Schwerverb­rechern.

Aus Sicht seines Anwalts Rubach war das Gefängnis aber gar nicht das größte Problem für Förster. Man könne eine Haftstrafe durchstehe­n und sogar daraus lernen. Das größte Problem für den Ex-Politiker werde die gesellscha­ftliche Ächtung sein, die ihm nun drohe. Das liegt an der Art der Straftaten, wegen derer Förster im September 2017 verurteilt worden ist: Er hat zwei schlafende, teils unter starken Medikament­en stehende Frauen sexuell missbrauch­t, heimliche Sex-Filme gedreht und hunderte Kinderporn­os besessen. Förster gab sich zwar reuig, legte ein Geständnis ab und entschuldi­gte sich bei den Opfern, doch das Gefängnis ersparte ihm das nicht. Drei Jahre und zehn Monate lautete das Urteil. Richter Lenart Hoesch machte die Urteilsbeg­ründung zu einer schonungsl­osen Analyse von Försters überborden­dem Sexualtrie­b. „Dr. Förster hat Frauen wie Trophäen gesammelt“, sagt Hoesch. Er sei eine „stark narzisstis­ch geprägte Persönlich­keit“, immer auf der Suche nach Aufmerksam­keit und Anerkennun­g.

Die Worte des Richters waren so unangenehm für Förster wie der gesamte Prozess. Der frühere Sunnyboy und erfolgreic­he Hobbymusik­er wirkte vor Gericht stark angeschlag­en. Sein ausschweif­endes Sexuallebe­n war zum Kernthema geworden. Das war auch peinlich für seine früheren Geliebten, die vor Publikum über ihr Intimleben berichten mussten. Letztlich blieb der Eindruck, dass sich Förster in den Jahren vor seiner Inhaftieru­ng vorwiegend mit Sex und Pornografi­e beschäftig­t hat und die politische Arbeit im Landtag eher nebenbei betrieb. Das hatte auch Folgen für seine eigene Psyche: Die Rolle als unbedeuten­der Opposition­spolitiker kratzte sehr an seinem Ego: Er verfiel in Depression­en. Und spätestens seit einem Aufenthalt in einer psychosoma­tischen Klinik am Chiemsee driftete er bei seinen häufig wechselnde­n und oft parallel geführten Affären in die Illegalitä­t ab.

Zum Verhängnis wurde dem ExPolitike­r, dass er unbedingt seine eigenen Privatporn­os drehen wollte. Anfangs filmte er den Geschlecht­sverkehr noch mit dem Einverstän­dnis der Frauen. Später fragte er nicht mehr, sondern drehte mit versteckte­n Kameras, von denen die Ermittler in jedem Raum seiner Augsburger Wohnung eine fanden. Seine Freundin, die er in der Psychoklin­ik kennengele­rnt hatte, missbrauch­te er zweimal, nachdem sie Schlafmitt­el genommen hatte und komplett weggedämme­rt war. Auch diese Übergriffe filmte Förster und unterlegte einen der Filme später mit der Textzeile „And the sex goes on“– und der Sex geht weiter. Eine andere Frau missbrauch­te er, als sie sich volltrunke­n während einer Party am Lagerfeuer schlafen gelegt hatte. Sie erfuhr erst durch die Ermittlung­en davon.

Als Linus Förster auch noch einen heimlichen Film vom Sex mit einer Prostituie­rten drehen wollte, flog er auf. Die Chinesin brachte den Speicherch­ip seiner Mini-Kamera an sich und ging damit zur Polizei. Ironie des Schicksals: Ausgerechn­et Försters Ex-Freundin, eine Polizeibea­mtin, erkannte ihn auf einem Foto von jenem Speicherch­ip. Mitte November 2016 wurden Försters Büros in Augsburg und München sowie seine Augsburger Wohnung durchsucht. Einen Monat später kam er in Untersuchu­ngshaft.

Richter: Förster hat Frauen wie Trophäen gesammelt

 ?? Archivfoto: Ulrich Wagner ?? September 2017: der Augsburger Ex-Politiker Linus Förster vor Gericht. Er wurde wegen mehrerer Sexualstra­ftaten zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuß.
Archivfoto: Ulrich Wagner September 2017: der Augsburger Ex-Politiker Linus Förster vor Gericht. Er wurde wegen mehrerer Sexualstra­ftaten zu drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Jetzt ist er wieder auf freiem Fuß.

Newspapers in German

Newspapers from Germany