Donau Zeitung

Der Garten der Nation

Seit 33 Jahren gibt es den ZDF- Fernsehgar­ten. Warum das Format so beliebt ist, welche Pannen es schon gab und wie es nach dem Eklat um Komiker Luke Mockridge weitergeht

- VON STEPHANIE SARTOR

Mainz Es gibt da diese Szene, an die man in diesen Tagen öfter denken muss. Der erste Otto-Film, 1985. Otto tritt in einem Altersheim auf und fragt sein Publikum in Kasperleth­eater-Manier: „Seid ihr alle da?“Als die Senioren im Chor „Jaaa!“antworten, kontert Otto: „Aber nicht mehr lange.“

Witze über ältere Menschen sind eine heikle Sache. Manchmal – wie im Otto-Film – zünden sie. Manchmal geht die Sache aber auch komplett in die Hose. So wie am Sonntag im ZDF- Fernsehgar­ten.

Ausgerechn­et dort! Die Sendung ist, wenn man so will, das OpenAir-Wohnzimmer der Nation. Der Deutschen liebster Garten. Zelebriert­e Heimeligke­it, mit allerlei Musik- und Showeinlag­en und eher leichtem Geplauder. Über Mode, Kochen, Heimwerken, solche Dinge eben. Doch dieses heimelige Bild hat nun Risse bekommen.

Sonntagmit­tag. Komiker Luke Mockridge steht auf der Showbühne. Er trägt ein pinkfarben­es Shirt, schwarze Hose, weiße Turnschuhe. Mockridge winkt ins Publikum – und legt los. „Woran erkennt man eigentlich alte Menschen?“, fragt er. Seine Antwort: „Sie haben graue Haare, sie sind schrumpeli­g und sie riechen immer nach Kartoffeln.“Aus dem Publikum gibt es Buh-Rufe, Moderatori­n Andrea Kiewel ist stinksauer und bricht den Auftritt ab. Nicht nur wegen der peinlichen Witze, sondern auch, weil Mockridge wie ein Affe über die Bühne hüpft und Pupsgeräus­che imitiert.

Es ist ein Tiefpunkt in der langen und erfolgreic­hen Geschichte der ZDF- Show. Seit 33 Jahren gibt es den Fernsehgar­ten, zum ersten Mal wurde er am 29. Juni 1986 ausgestrah­lt. Moderiert wurde das Format damals von Ilona Christen. Ihr folgten Ramona Leiß, Dieter Thomas Heck, Rudi Cerne, Ernst-Marcus Thomas, Ingo Nommsen und eben Andrea Kiewel.

33 Jahre also. Eine Zeit, in der die Zuschauer der Sendung stets die Treue gehalten haben. Wie sehr die Deutschen das Format lieben, zeigt ein Blick auf die Quoten. Am Sonntag sahen 2,2 Millionen Menschen zu, der Marktantei­l lag bei mehr als 17 Prozent.

Zum Vergleich: Beim Fernsehgar­ten-Konkurrent­en der ARD, „Immer wieder sonntags“, schalten im Schnitt 1,5 Millionen Zuschauer ein. Der ZDF- Fernsehgar­ten schaffte es 2014 übrigens sogar ins Guinnessbu­ch der Rekorde – als am längsten laufende Live-Open-AirUnterha­ltungsshow.

Angesichts des großen Erfolges fragt man sich schon: Was lieben die Menschen eigentlich so an diesem Format, das auch oft mit harscher Kritik umgehen muss? In einer Rezension etwa wurde die Show wenig liebevoll als „bizarrer Mix aus Bundesgart­enschau und musikalisc­hem Allerlei“bezeichnet.

Der renommiert­e Medienpsyc­hologe Jo Groebel erklärt den Erfolg so: „Die Sendung ist ein Stück Fernsehen, wie man es von früher kannte. Die Familie versammelt sich, man schaut gemeinsam, es plätschert angenehm vor sich hin.“Ein bisschen sei das Format wie „ein guter alter Bekannter, der immer wieder zuverlässi­g auftaucht“. Außerdem sei die Mischung der Show so, dass für jeden etwas dabei ist, meint der Medienexpe­rte. „Das ist wie eine Wundertüte.“

Den Auftritt von Mockridge fand auch Groebel befremdlic­h. Denn eigentlich habe der Comedian einen intelligen­ten Humor. „Das riecht eher nach einem PR-Coup für seine neue Sendung oder nach einer Wette“, sagt der Medienpsyc­hologe. Was ihn noch stört: Er habe das Gefühl gehabt, dass Mockridge sich auf Kosten einer Zielgruppe lustig gemacht habe, die nicht seine ist: Senioren. „Das macht man nicht. Wir haben schon genug demografis­che Konflikte in unserem Land.“

Der Mockridge-Eklat war übrigens nicht die einzige Panne in der sonst so heimeligen Fernsehgar­tenWelt. Erst vor wenigen Wochen musste die Live-Sendung wegen eines schweren Unwetters in ein Studio verlegt werden. 2012 störten Unbekannte den Auftritt von Roland Kaiser. Während die SchlagerIk­one auf der Bühne stand, brüllten sie: „Deutschlan­d ist scheiße – ihr seid die Beweise!“. Und dann ist da natürlich noch der Skandal um Moderatori­n Andrea Kiewel. „Kiwi“musste die Sendung wegen Schleichwe­rbungsvorw­ürfen vorübergeh­end abgeben.

Komiker Luke Mockridge, 30, muss nach seinem Auftritt nicht mit konkreten Folgen rechnen. Es seien keine Konsequenz­en geplant, sagte ein Sprecher des ZDF am Montag. Dazu, wie hoch die Gage für Mockridge gewesen ist und ob es dabei bleibe, machte er keine Angaben – zu vertraglic­hen Angelegenh­eiten äußere sich der Sender grundsätzl­ich nicht.

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Foto: Hoffmann, Imago Images Im ZDF-Fernsehgar­ten mit Moderatori­n Andrea Kiewel (Zweite von rechts) geht es schon mal zünftig zu. Hier eine Szene aus dem Jahr 2009.
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Ilona Christen
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Dieter Thomas Heck
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Rudi Cerne
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Ingo Nommsen
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Ramona Leiß
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E.-M. Thomas

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