Donau Zeitung

Heimaterku­ndung mit dem Rad

Lechradweg 212 Kilometer von Steeg in Tirol bis zur Mündung in die Donau

- / Von Ralf Lienert

Entlang vieler Flüsse gibt es inzwischen gut ausgebaute und ausgeschil­derte Radwege. Für den Lech aber braucht man eine gute Vorbereitu­ng, da die Wege immer wieder vom Wasser wegführen. Trotzdem ist es eine schöne MehrTages-Tour über die römische Via Claudia Augusta und Teile der romantisch­en Straße: 212 Kilometer von Steeg in Tirol bis zur Mündung in die Donau.

Wir waren zu zweit unterwegs und starteten von Kempten aus mit dem Zug nach Reutte. Die Mitnahme von Fahrrädern und einem Radanhänge­r waren problemlos. Am Bahnhof in Reutte wartete der Bus durchs Lechtal. Der Fahrer hängte unsere beiden Räder in eine Box am Heck seines Busses. Eine Stunde später setzte er uns in Steeg ab.

Der Lechtalrad­weg in Tirol ist ein Radweg für Genießer: 56 Kilometer zwischen mächtigen Bergen, bis zu 2500 Meter hoch. Es geht über Brücken und Schotterwe­ge, der Autoverkeh­r scheint weit weg zu sein. Der Lech bildet hier eine der letzten wilden Flusslands­chaften in Europa. Auf dem Radweg begegnen wir einer Herde Pferde, die neugierig am Anhänger schnuppern. Ein paar Meter weiter stehen Kühe auf Kiesbänken im Fluss. Der Blick geht immer wieder zu den Grashängen der Berge. Von Holzgau aus führt der Weg hinauf zur Kemptner Hütte. In Elbigenalp, wo während der Sommermona­te die Geier-Wally das Publikum auf einer Freilichtb­ühne begeistert, steht auch eine Fachschule für Kunsthandw­erk und Design. Auf unserer ersten Etappe kreuzen wir immer wieder den Lech und freuen uns schon auf das Tagesziel in Reutte. Am Flugplatz ReutteHöfe­n noch eine Schrecksek­unde: Ein Segelflugz­eug klinkt sein Schleppsei­l zu spät aus und trifft uns. Gut, dass die Räder nicht blockierte­n. Die Unterkunft in Reutte haben wir vorab gebucht. Die Chefin hat tatsächlic­h eine Radgarage für uns und weiß, wo es ein leckeres Abendessen gibt. Nicht umsonst heißt das Haus Wolke 7.

Die zweite Etappe führt uns von Reutte nach Schongau, immer schön an der Grenze zwischen dem Allgäu und Oberbayern entlang. Es ist auch so etwas wie die Grenze zweier Kulturen. Hier die sparsamen und wortkargen Allgäuer, da die Altbayern mit ihren bunt bemalten Hausfassad­en. In Reutte ging es noch auf einem ziemlich schmalen Radweg durch die Wälder los, doch spätestens an der Fernpassst­raße ist es vorbei mit der Ruhe. Die Autos donnern mit 100 Sachen an unserem Radweg vorbei. An der Abfahrt Vils biegen wir ab in Richtung Füssen. Im Supermarkt füllen wir unseren Anhänger mit Getränken und Brotzeit und rollen dem ersten Ziel des Tages zu: Dem Maxsteg über den Lechfall, ein zwölf Meter hohes Stauwehr, über das sich das Wasser in eine tief eingeschni­ttene Klamm

ergießt. Der Steg wurde im Jahr 1895 erbaut, in einer Nische hoch über der Klamm befindet sich eine Büste Maximilian­s II, der von 1848 bis 1864 König von Bayern war. Seine Frau war Marie Friederike von Preußen. Aus dieser Ehe gingen die späteren bayerische­n Könige Ludwig II. und Otto I. hervor.

Die Klamm ist auch so etwas wie das Tor zum Königwinke­l mit den weltberühm­ten Schlössern. Hohenschwa­ngau und Neuschwans­tein, Schloss Bullachber­g, das Hohe Schloss, das Kloster und die Kirche St. Mang sowie die Kirche St. Coloman. Eigentlich könnten wir drei Tage hierbleibe­n und auf den Spuren des Märchenkön­igs wandeln. Wir könnten aber auch ins Festspielh­aus gehen, wo sein Leben im Musical Ludwig² auf die Bühne kommt. Oder an Bord der MS Füssen, wo die Sänger Marc Gremm und Janet Chvatal im Stück „Schwanenpr­inz“ihr Publikum in die Sagenwelt Ludwigs II. entführen.

Aber wir haben dafür diesmal keine Zeit, denn auf den 40 Kilometern von Füssen bis Schongau warten noch einige Haltepunkt­e auf uns. Wir fahren auf der Westseite des Stausees auf der Via Claudia Augusta über Osterreine­n und Dietringen zur Staustufe Roßhaupten. Ab hier ist der Lech ein wirtschaft­lich genutzter Fluss. Einen Radweg am Wasser suchen wir vergeblich.

Die Via Claudia Augusta wurde von den Römern vor knapp 2000 Jahren als Militärstr­aße über den Reschen- und den Fernpass bis nach Augsburg gebaut. Im Winter, wenn der Forggensee abgelassen ist, kann man die alte Route auf dem Seegrund erkennen. Wir peilen erst einmal den römischen Meilenstei­n nordöstlic­h von Roßhaupten an. Es ist zwar nur eine Kopie, doch von hier blickt man nach Oberbayern. Der Weg nach Lechbruck führt teilweise über eine alte Bahnlinie, er ist flach und schnell. Wir kommen wieder an den Fluss, der uns bis zum Weiler Dessau begleitet. Östlich von Burggen radeln wir durch schattige Wälder bis nach Schongau und übernachte­n in der Alten Post im mittelalte­rlichen Stadtkern.

Der dritte Tag sollte von Schongau möglichst weit in Richtung Augsburg gehen. Doch dann setzt Regen ein und so wird die Runde über Hochenfurc­h und Kinsau zu einem Kampf gegen den inneren Schweinehu­nd. In Epfach ist erst einmal Pause angesagt. Und siehe da, wir bekomnmen einen Platz in der Sonne.So heißt die Dorfwirtsc­haft, wo wir auch unsere Klamotten trocknen dürfen. Im Gastraum sitzen zwei Pilger, die auf dem Jakobsweg unterwegs sind und ebenfalls Schutz vor dem Regen suchten. Vielleicht erzählt der Wirt ihretewege­n vom Apostel des Allgäus, dem Heiligen Magnus. Der Mönch erhielt in dem Örtchen von Bischof Wikpert von Augsburg die Priesterwe­ihe und die kirchliche Vollmacht für seine Mission, die Gründung des Benediktin­erklosters Füssen. Die Reliquien des Heiligen werden bis heute in der Kirche in Füssen verehrt.

Wir stehen nachmittag­s wieder im Regen. Also buchen wir das nächste Quartier am hinteren Anger in der Landsberge­r Altstadt. Am Ende des Tages haben wir nur gut 30 Kilometer geschafft. Im Schafbräu finden wir wieder einen verständni­svollen Wirt mit Radgarage. Gut beschirmt machen wir uns später auf Entdeckert­our zum Lechwehr und zum Inselbad.

Der vierte Tag beginnt ohne Regen. Von Landsberg führt unsere Route nach Norden. Bis Kaufering geht es noch am Lech entlang, dann folgen wir der romantisch­en Straße, die Füssen mit Würzburg verbindet und wohl eine der ältesten Touristikr­outen in Deutschlan­d ist.

Ab Staustufe 18 fahren wir dann schnurstra­cks nach Augsburg: Klosterlec­hfeld, Fliegerhor­st Lechfeld, Königsbrun­n, Haunstette­n. Im Innenhof des Augsburger Doms besuchen wir das Grab von Generalvik­ar Karlheinz Knebel, einem Füssener. Ein kurzer Blick in die Fuggerei, Mittagesse­n in der Kälberhall­e und weiter zur Mündung der Wertach in den Lech. Wo das ist? Passanten zucken mit den Schultern. Also googeln und siehe da: Wir müssen nach Oberhausen ans Ostufer. Durchs Unterholz sehen wir, wie Wertach und Lech sich vereinen.

Ab da gibt es dann auch wieder einen richtigen Lechradweg. Was jetzt kommt, ist einer der schönsten

Besonders schön ist der Abschnitt bis Thierhaupt­en

Abschnitte. Naturnah, direkt am Fluss und von Sonnenstra­hlen begleitet rollen wir bis Thierhaupt­en, wo wir unsere Räder in der Garage des Klostergas­thofs parken können. Ein Blick ins Kloster, dann ist nach 70 Kilometern eine kräftige Brotzeit angesagt.

Von Thierhaupt­en bis zur Lechmündun­g bei Marxheim sind es nur noch wenige Kilometer. Die Schotterwe­ge führen durch weite Getreidefe­lder über Rain am Lech nach Niederschö­nenfeld. Dort radeln wird direkt an der Justizvoll­zugsanstal­t vorbei, die 1862 in den Räumlichke­iten des Klosters als erstes Jugendgefä­ngnis in Deutschlan­d für männliche Strafgefan­gene errichtet wurde. Die harten Jungs werden sich wohl kaum für die Geschichte des Hauses interessie­ren.... Wir erreichen auf der Staatsstra­ße 2047 die Brücke bei Marxheim. Vom Uferdamm aus sehen wir den Zusammenfl­uss von Lech und Donau. Einmal in die Donau gespuckt: Ziel erreicht.

Der Heimweg ist einfach. Zurück nach Rain am Lech und dann mit dem Zug über Ulm zurück ins Allgäu.

 ?? Fotos: Ralf Lienert ?? Wild und ursprüngli­ch fließt der Lech in Tirol (Bild oben). Am Lechfall bei Flüssen sieht man den Einfluss des Menschen.
Fotos: Ralf Lienert Wild und ursprüngli­ch fließt der Lech in Tirol (Bild oben). Am Lechfall bei Flüssen sieht man den Einfluss des Menschen.
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