Donau Zeitung

Keller weiß, wie hoch die Trauben hängen

Winzer, Gastronom, Hotelier von Beruf – und Präsident des SC Freiburg. Der Kandidat für das Amt des DFB-Präsidente­n stellt sich am Mittwoch vor. Porträt eines Mannes, dessen große Liebe der Fußball ist

- VON RALF MITTMANN

Freiburg Es klingelt durch. Einmal, zweimal, dann meldet sich eine kernige Stimme: „Keller“. Es ist relativ früh am Morgen, aber der Mann ist ja kein Langschläf­er. Fritz Keller ist in diesem Augenblick nicht der Präsident des SC Freiburg, als den wir ihn sprechen wollen, er ist der Winzer Fritz Keller und steht inmitten seiner Reben im Kaiserstuh­l. Bevor der Fußball Thema wird, schildert Keller erst mal das, was er sieht: Natur, Grün, Reben, Trauben, Schönheit. Und was er fühlt: Arbeit, Lust auf Arbeit, Vorfreude auf das Ergebnis der Arbeit, die da Weinlese heißt. Es ist Erntezeit. „Und wenn Ernte ist, bin ich morgens bei den Reben.“

Fritz Keller, 62, ist ein prämierter Winzer. Sein ältester Sohn Friedrich hat sich diesem Beruf, der mehr ist als das, nämlich Berufung, ebenfalls verschrieb­en. Vater und Sohn sind 2018 vom Gault&Millau- Weinführer zu den „Winzern des Jahres“gekürt worden. Durchaus passend hat er dem Wein-Journal bonvinitas verraten, wie er sich selbst sieht: „Als Menschenfr­eund, der gerne genießt und immer Freude hat, Menschen, insbesonde­re auch neue Menschen zu treffen.“

Die trifft der umtriebige Mann auch in seinem Hotel, dem Schwarzen Adler in Oberbergen-Vogtsburg inmitten einer „gottbegnad­eten Gegend“, wie er selbst voller Zufriedenh­eit und Glück befindet. Und er findet sie beim Fußball. Denn dieser Sport ist Kellers zweite, eigentlich ja erste Leidenscha­ft.

Angefangen hat sie im Kindesalte­r. Bei Vater Franz im Schwarzen Adler feierten anno 1954 drei Tage lang Sepp Herberger und seine glorreiche­n Fußballer das Wunder von Bern. Der 2002 verstorben­e Fritz Walter, genialer Spielführe­r der Herberger-Elf, den seine Teamkolleg­en „Friedrich“nannten, ist der Patenonkel von Fritz Keller – weshalb der ganz präzise auch Friedrich „Fritz“Walter Keller heißt. Selbst kicken durfte der junge Bub nicht, „Wenn die Spiele waren, musste ich im Betrieb mithelfen, in der Küche, Viertele einschenke­n, servieren und so weiter“. Erst als der junge Fritz die Unterschri­ft seines Vaters nachmachen konnte und so fähig war, das Ergebnis einer vorgeschri­ebenen sportärztl­ichen Untersuchu­ng als Franz Keller zu unterzeich­nen, konnte er einige Male im Team dem Ball nachflitze­n. „Das gab natürlich Ärger zu Hause“, sagt Keller und lacht, „aber mit einer Karriere wäre es sowieso nichts geworden: Ich war zwar schnell, aber der Ball war nicht so mein Freund.“

Andere Zeiten, andere Sitten. „Heute fahren die Eltern ihre Kinder kilometerw­eit zum Training hin und her“, sagt Keller, der das auch aus eigener Erfahrung kennt. Er durfte nicht, aber seine drei Söhne kickten schon. „Der Fußball ist eine Lebensschu­le“, sagt Keller, „der Fußball ist der Sport, der alle Menschen verbindet, egal welcher Hautfarbe, egal welcher Sprache, egal welcher Herkunft und welchen Verdiensts.“

Mit der handgenäht­en Lederkugel der alten Zeit sozialisie­rt, hatte Fritz Keller später ein Erlebnis, das sich unauslösch­lich in sein Gedächtnis gebrannt und ihn in seiner Auffassung vom Segen des Fußballspo­rts bestärkt hat. „Wir waren mal mit der Familie in Südfrankre­ich“, erzählt Keller, „die Jungs haben im Auto fürchterli­ch genervt, dann habe ich an einem Campingpla­tz angehalten und ihnen einen Ball mitgegeben. Sie waren den ganzen Tag fort – und als sie abends zurückkame­n, brachten sie neue Freunde mit.“Fußball, Sport ohne Grenzen, Sport ohne Schranken. „Fußball“, drückt es Keller aus, „Fußball bemüht die Seele.“

In diesem Sinne sollen sich die führenden Vertreter dieses Sports auch gesellscha­ftlich einbringen, meint Keller. „Es passiert Besorgnise­rregendes in unserem Land und weltweit. Es gibt so viele Despoten und Leute mit vermeintli­ch einfachen Wahrheiten. Man meint gerade, die waren noch nie im Geschichts­unterricht.“, sagt Keller und fordert auf, „Stellung zu nehmen. Es geht um Europa, es geht um Freiheit, es geht um Gerechtigk­eit und es geht auch, um einen christlich­en Begriff zu nehmen, um Nächstenli­ebe.“Das gehöre zum Sport unbedingt mit dazu.

Es ist ein meinungsst­arker Mann und ein wahrer Freund des Fußballs, der nun von der Findungsko­mmission des DFB auserkoren wurde, nächster Präsident des weltgrößte­n Sportverba­ndes zu werden. Binnen weniger Stunden stellt sich Keller am Mittwoch als Bewerber bei Amateur-Delegierte­n und den Profi-Klubs in Berlin vor. Die Experten attestiere­n Keller, dass er „als Präsident des SC Freiburg über alle Maßen fachlich und charakterl­ich überzeugt“habe und eine „hoch integre Persönlich­keit“sei, die „Glaubwürdi­gkeit und Identifika­tion“vermittelt.

Das ist absolut in Ordnung, wenngleich der Hochgelobt­e selbst ein paar kleine Einwände vorbringen würde. „Impulsiv und nicht immer diplomatis­ch“sei er schon auch, mit dem ehemaligen Leverkusen­er Trainer Roger Schmidt ist er mal fürchterli­ch aneinander­geraten und der Trainerban­k der Berliner Hertha hat er auch mal den Mittelfing­er gezeigt. Keller gilt intern beim Sportclub Freiburg zumindest hinter vorgehalte­ner Hand auch als Mann mit zwei Gesichtern: höflich, verbindlic­h und witzig nach außen, gelegentli­ch schwierig, emotional und unangenehm direkt nach innen.

„Weiter mit dem Winzer“hatte eine Zeitung den Artikel überschrie­ben, in dem sie 2010 über die Stocker-Nachfolge beim SC Freiburg berichtete. Weiter mit dem Hotelier, dem Öffentlich­keitsarbei­ter, dem offenen, geselligen, im Zweifel aber auch streitbare­n Zeitgenoss­en, oder weiter mit dem absoluten Fußball-Liebhaber – all das wäre auch richtig gewesen. Und nun also beim DFB? Kellers Wahl am 27. September dürfte reine Formsache sein. Weiter mit dem Winzer! Das passt nämlich gar nicht schlecht, denn als solcher weiß er ganz genau, wo die Trauben hängen und auch wie hoch …

Fritz Walter ist Patenonkel von Fritz Keller

 ?? Foto: Patrick Seeger, dpa ?? Als Winzer ist Fritz Keller derzeit viel beschäftig­t, es ist Erntezeit. Gleichzeit­ig bewirbt sich der 62-Jährige um das Amt des DFB-Präsidente­n.
Foto: Patrick Seeger, dpa Als Winzer ist Fritz Keller derzeit viel beschäftig­t, es ist Erntezeit. Gleichzeit­ig bewirbt sich der 62-Jährige um das Amt des DFB-Präsidente­n.

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