Der Mann hinter Trump
Stephen Miller schreibt nicht nur Reden für den US-Präsidenten. Der Heißsporn aus dem liberalen Kalifornien ist auch der Architekt einer restriktiven Migrationspolitik
Am Freitag wird er 34 Jahre jung. Doch der Mann mit der hohen Stirn könnte auch 20 Jahre älter sein. Stephen Miller pflegt die archaische Sprache eines Kreuzritters. Amerikas Staatsbürgerschaft ist ihm „etwas Heiliges“. Wer ihn einen Rassisten nennt, wird als „Verdammter, für den es keinen Platz in dieser zivilisierten Gesellschaft gibt“, diffamiert.
In der Öffentlichkeit zeigt sich Miller eher selten. Dabei ist er einer der mächtigsten Einflüsterer des amerikanischen Präsidenten Donald Trump. Als dessen Chefberater schreibt er nicht nur seine Reden. Vor allem ist er der Architekt der Anti-Migrationspolitik: Von den Einreisesperren für Moslems über die Asylverschärfungen bis zu den Familientrennungen an der Grenze tragen alle restriktiven Maßnahmen seine Handschrift. Mit der von ihm
auf 800 Seiten entworfenen Einwanderungsvorschrift, die hunderttausenden von Greencard-Besitzern das dauerhafte Bleiberecht verweigert, ist Miller auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen.
„Er hat sich tief in den Apparat eingegraben, um fundamentale Änderungen zu bewirken“, sagt Trumps früherer Chefideologe Stephen Bannon anerkennend über seinen einstigen Zögling. So sieht Millers neue Vorschrift vor, dass legale Zuwanderer, die im Laufe der Wartezeit auf die offizielle Staatsbürgerschaft auch nur einmal auf staatliche Unterstützung angewiesen waren, abgewiesen werden können.
Selbst das konservative Wall Street Journal zeigt sich befremdet über den „Versuch, Amerika in ein Land ohne Einwanderer zu machen“. Miller ist seinem Chef in leidenschaftlicher Verehrung zugetan. „Wie einen Stromschlag in meiner Seele“habe er 2016 dessen Kandidatur empfunden, sagt er. „Alles, was ich in meinem tiefsten Herzen gedacht hatte, wurde vor der ganzen Welt ausgesprochen.“
Dabei stammt der Rechtspopulist aus einem liberal-jüdischen Elternhaus im progressiven Santa Monica. Doch schon an der Schule wandte er sich gegen den liberalen kalifornischen Zeitgeist, in einer Studentenzeitung nannte er es seine „Pflicht, den Linken die Stirn zu bieten“. Das tat er zunächst als Pressereferent der Tea-Party-Abgeordneten Michelle Bachmann, dann als Kommunikationsdirektor des Hardliner-Senators Jeff Sessions, bevor er ins Trump-Lager wechselte. Keine zehn Jahre nach dem Uni-Abschluss zieht er nun im Weißen Haus die Strippen. Nur Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, heißt es in Washington, habe ähnlich viel Einfluss auf den Präsidenten.
Der konservative Heißsporn Miller hat eine atemberaubende Karriere hingelegt. Doch besonders stolz scheint seine Familie deswegen nicht auf ihn zu sein. Er verfolge Stephens Entwicklung „mit Bestürzung und wachsendem Entsetzen“, erklärte ein Onkel von ihm in einem Zeitungsartikel – und nannte seinen Neffen einen Heuchler: Anfang des 20. Jahrhunderts waren nämlich die gemeinsamen Vorfahren auf der Flucht vor russischen Pogromen mittellos in den USA angekommen. Karl Doemens