Donau Zeitung

Vom Störenfrie­d zum Stabilisat­or

Vor gut einem Jahr galt die CSU als größtes Risiko für GroKo. Jetzt strotzt sie vor Selbstbewu­sstsein. Selbst die anstehende­n Wahlen im Osten schrecken die Partei nicht

- VON ULI BACHMEIER

München Sorgen? Bei uns? Wegen der Wahlen im Osten? Ach, woher denn! Wen man aus der CSU-Spitze mitten in der Urlaubszei­t auch ans Telefon bekommt – die Antworten in den Hintergrun­dgespräche­n sind überwiegen­d gelassen oder fast schon wurschtig nach dem Motto: „Wir stehen dort nicht zur Wahl.“Einer sagt sogar mit hörbarer Ironie: „Die Wahlergebn­isse in Sachsen und Brandenbur­g überlassen wir gerne der CDU.“

Die Ursachen dieser fast schon aufreizend­en Gelassenhe­it sind gar nicht so einfach zu ergründen. Noch vor etwas mehr als einem Jahr galt die CSU als der größte Risikofakt­or in der Großen Koalition. Die Hardliner in der Partei wollten im Streit mit Merkel um die Flüchtling­spolitik aufs Ganze gehen. Andere warnten heftig vor einem Bruch mit der Schwesterp­artei CDU und malten die „Katastroph­e“einer Bundesregi­erung ohne Union an die Wand. Jetzt hat sich die CSU vom Störenfrie­d zum Stabilisat­or der GroKo gemausert. Und siehe da: Die mögliche „Katastroph­e“scheint ihren Schrecken verloren zu haben.

Psychologi­sch gesehen macht es aus Sicht der bayerische­n Christsozi­alen selbstvers­tändlich einen Unterschie­d, wer für das Ende einer Koalitions­regierung verantwort­lich gemacht wird. Im Sommer 2018 wäre die CSU der „Übeltäter“gewesen – mit völlig unkalkulie­rbaren Folgen für das Ansehen der Partei. Im Herbst 2019 hängen Wohl und Wehe der GroKo an der SPD. Kommt es zum Bruch, wäre die CSU unschuldig. Da kann man sich schon mal entspannt zurücklehn­en. Einer sagt: „Was bleibt uns übrig? Wir müssen es nehmen, wie es kommt!“

Dass es nicht zum schlimmste­n Fall aus Sicht der Union kommt, scheint innerhalb der CSU mittlerwei­le Mehrheitsm­einung zu sein. Gerechnet wird in der Partei mit drei möglichen Szenarien.

Variante eins: Wenn sich die erwarteten Stimmenver­luste von SPD und CDU bei den Landtagswa­hlen im Osten – erst in Sachsen und Brandenbur­g, dann in Thüringen – einigermaß­en im Rahmen des Erträglich­en halten und die SPD in der Bundesregi­erung bleibt, dann könne man weitermach­en wie bisher. Die Koalition sei schließlic­h ohnehin viel besser als ihr Ruf.

Variante zwei: Sollte die SPD nach empfindlic­heren Stimmenver­lusten aussteigen, sei eine von Bundeskanz­lerin Angela Merkel geführte Minderheit­sregierung die wahrschein­lichste Folge. Für die CSU hätte diese Lösung sogar einen besonderen Reiz. Mit einem Schlag nämlich würden im Kabinett gleich sechs Ministerpo­sten frei. „Da gibt es“, so sagt ein langjährig­er CSUStrateg­e, „bei uns eine Reihe von Leuten, die Beute wittern.“

Variante drei: Wenn an Neuwahlen doch kein Weg vorbei führe, müsse das auch keine unlösbare Aufgabe sein. CSU-Chef Markus Söder habe schließlic­h schon vorgesorgt und sich mit den aktuell beherrsche­nden Klima- und Umweltthem­en den Grünen angenähert. Ein zweiter Anlauf zu Jamaika (Union, Grüne, FDP) oder sogar eine schwarz-grüne Koalition wären denkbar. Hier hätte die CSU vielleicht sogar noch etwas mehr Einfluss als aktuell in der GroKo.

Keine dieser Varianten jedenfalls scheint die CSU-Oberen in Angst und Schrecken zu versetzen, zumal auch in Bayern derzeit fast alles nach Plan laufe. Die Freien Wähler hätten sich als ebenso verlässlic­her wie wenig herausford­ernder Koalitions­partner erwiesen. Söders Ansehen als Ministerpr­äsident wachse, immerhin etwas schneller. Einzig die Umfragewer­te für die Partei – zuletzt 37 Prozent – seien noch längst nicht zufriedens­tellend.

Mahnende Stimmen in der CSU sind offenbar die Ausnahme. Nur weil aktuell keiner darüber rede, bedeute das noch lange nicht, dass der „worst case“nicht doch eintreten könnte, sagt ein altgedient­er Parteisold­at und bringt eine vierte Variante ins Spiel. Dass Grüne, SPD und Linke sich nach möglichen Neuwahlen zusammenra­ufen, sei „eine Konstellat­ion, die nicht ausgeschlo­ssen ist“.

Wenn die CSU in Berlin in die Opposition müsse, dann rücke das Ziel, dauerhaft wieder über 40 Prozent zu kommen, in weite Ferne. Dies sei nur zu erreichen, wenn die Partei in Regierungs­verantwort­ung bleibt. „Das sollte einen CSU-Oberen schon beschäftig­en, dass man auch in der Opposition landen kann.“Mit früheren Situatione­n wie unter Rot-Grün (1998 bis 2005) oder der soziallibe­ralen Koalition (1969 bis 1982) wäre das nicht mehr vergleichb­ar. Da sei die CSU mit der absoluten Mehrheit in Bayern noch ganz anders aufgestell­t gewesen.

Für die CSU bleibt Jamaika eine Option

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Foto: Matthias Balk, dpa Lassen sich den Spaß in Berlin auch durch die drohenden schwachen Ergebnisse der Schwesterp­artei bei den anstehende­n Landtagswa­hlen nicht vermiesen: CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt mit Innenminis­ter Horst Seehofer und Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer.

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