Donau Zeitung

Boris Johnson beißt in Brüssel auf Granit

Brief des Premiers löst Kopfschütt­eln aus. EU weist Forderung nach Streichung des Backstops scharf zurück

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Der Brief ging am Montagaben­d in Brüssel ein, die Zurückweis­ung folgte am Dienstag: Der Versuch des britischen Premiermin­isters Boris Johnson, die EU zu Neuverhand­lungen über ein Austrittsa­bkommen zu drängen, wurde kühl zurückgewi­esen. Die Union besteht auf den sogenannte­n Backstop, mit dem Großbritan­nien so lange Teil einer Zollunion mit der EU bleiben soll, bis eine Lösung für die Grenze zwischen Nordirland und Irland gefunden ist. Diese Notfalllös­ung ist notwendig, um das Karfreitag­sabkommen, das den Frieden zwischen dem zum Vereinigte­n Königreich gehörenden Nordirland und der Republik Irland garantiere­n soll, zu erhalten.

Johnson und seine Regierung sehen in dieser Klausel ein Zwangsinst­rument der EU, um den endgültige­n Brexit auf lange Sicht hinauszusc­hieben, wenn nicht sogar unmöglich zu machen. Deshalb hat der Premier nun vorgeschla­gen, diese Garantiekl­ausel für eine offene Grenze aus dem Vertrag zu streichen, und für diesen Fall andere „Verpflicht­ungen“Londons in Aussicht gestellt. Nur welche? Johnson schwieg dazu.

Eine Sprecherin von Kommission­schef Jean-Claude Juncker verkleidet­e dessen verärgerte Absage an Johnson in diplomatis­che Floskeln wie „Wir begrüßen das Engagement für eine Lösung“und „Juncker ist jederzeit bereit, sich zu Gesprächen zu treffen, wenn es konkrete Vorschläge gibt“. „Aus dem Schreiben Johnsons geht hervor, dass Neuverhand­lungen das Letzte sind, was die britische Regierung will“, meinte ein hochrangig­er EU-Diplomat. Ein französisc­her EU-Beamter kommentier­te die Post von der Themse mit den Worten: „Das Ersetzen des Backstops durch etwas, was nicht definiert wird, beseitigt die Garantie, die der Backstop bieten sollte. Keine Kontrollen – das ist kein Witz – bedeuten, dass Großbritan­nien akzeptiere­n würde, dass Produkte, die die Regeln nicht einhalten, ohne Kontrolle auf den britischen Markt gelangen können. Wie lange soll das halten?“Damit war Johnson mit seiner diplomatis­chen Initiative bereits gescheiter­t, noch bevor er am heutigen Mittwoch zunächst Bundeskanz­lerin Angela Merkel aufsucht und anschließe­nd zum französisc­hen Staatspräs­ident Emmanuel Macron weiter reist. Am Wochenende trifft der Premier in Biarritz die Chefs der G7 – auch USPräsiden­t Donald Trump. Der hatte Johnson gelobt und ihm ein einzigarti­ges Handelsabk­ommen versproche­n. Bauen sollte der Brite darauf allerdings nicht. Denn auch im demokratis­ch geführten US-Senat nimmt man die Bedenken der EU in Bezug auf Irland ernst. „Die Vereinigte­n Staaten werden keinen Blankosche­ck ausstellen, der den Frieden, die Sicherheit, die Selbstbest­immung und den gemeinsame­n Wohlstand, der durch das bahnbreche­nde Karfreitag­sabkommen ausgelöst wurde, in den Ruin treibt“, erklärte der Führer der US-Demokraten, Chuck Schumer.

Aus der Kommission hieß es, man sei bereit, die Befristung des Backstops noch einmal deutlich herauszust­reichen. Mehr sei nicht drin. Dass die britische Regierung den Brief mit der Ankündigun­g flankierte, die Freizügigk­eit von EUBürgern, die nach dem Brexit auf die Insel übersiedel­n wollen, zu beenden, sorgte in Brüssel für Kopfschütt­eln. London, so wurde betont, habe bis heute kein Meldesyste­m, mit dem man eine solche Maßnahme überwachen könne. Dessen Aufbau werde Jahre in Anspruch nehmen.

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Boris Johnson

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