„Der Campingboom ist spürbar“
Immer mehr Menschen verreisen mit Wohnmobil und Co. Das wirkt sich auch im Landkreis Dillingen aus
Landkreis Neulich waren auf dem Campingplatz in Mörslingen Niederländer zu Gast. Die Camper steuerten mit ihrem Wohnwagen in Richtung Wien, wo sie ihren Urlaub verbringen wollten. Der Landkreis Dillingen sollte als Zwischenhalt auf der weiten Fahrt nach Österreich dienen, mit einer oder zwei Übernachtungen. Doch es kam alles ganz anders als geplant. Die Niederländer blieben insgesamt dreieinhalb Wochen in Mörslingen. „Es hat ihnen so gut gefallen hier“, sagt Christine Dußling, die zusammen mit ihrem Mann Marco seit einem Jahr das „Goldberg-Camping“im Finninger Ortsteil betreibt. Vor allem das Radeln hat es den holländischen Camping-Gästen angetan. „Die kannten bei ihrer Abreise die Radwege besser als wir“, sagt Dußling und lacht. Nach Wien sind die Camper übrigens nicht mehr gefahren.
Die Anekdote zeigt beispielhaft, wie es um das Thema Camping in der Region steht. Dass sich Gäste bewusst dafür entscheiden, mit ihrem mobilen Zuhause ihren kompletten Urlaub im Landkreis Dillingen zu verbringen, kommt eher selten vor. Das schildern die Betreiber der Campingund Stellplätze in Mörslingen, Dillingen und Wertingen – außerdem gibt es noch einen Stellplatz am E-Park in Lauingen. Vielmehr dient die Region oft als Zwischenstation auf dem Weg in bekannte Urlaubsregionen, etwa Italien oder andere Ziele im Süden. Der Halt im Kreis Dillingen bietet den Campern Vorzüge. Vor allem das Radwegenetz ist beliebt. „Viele suchen bei uns auch einfach Ruhe“, sagt Dußling.
Camping verspricht viel frische Luft, Nähe zur Natur und Flexibilität – immer mehr entdecken diese Art des Urlaubs für sich. Das zeigt sich an der steigenden Zahl der Übernachtungen. Diese lässt sich zwar nicht speziell für den Bereich Camping aus der Statistik herauslesen. Doch die Betreiber berichten von einem Aufschwung. „Der Campingboom ist spürbar“, sagt Harald Molle, seit zehn Jahren Betreiber des Wohnmobilstellplatzes in Wertingen. Die Zahl der Anfragen steige. Bei den Buchungszahlen verzeichne Molle ein „gesundes Wachstum“von etwa fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die zwölf Stellplätze in Wertingen ziehen Camper aus vielen Ecken Europas an, etwa Niederlande, England, Finnland, Schweden oder der Schweiz, sagt er. Auch aus dem Umland, zum Beispiel Augsburg, Aichach oder München, würden Wohnmobilisten ins Zusamtal kommen, um sich für ein paar Tage zu erholen. Gäste aus dem Landkreis Dillingen seien dagegen eher selten. „Eine solche Entfernung ist für einen Wohnmobilisten zu kurz“, sagt Molle. Grundsätzlich seien viele Gäste 50 Jahre und älter. Das hat auch mit dem Geld zu tun. Camping muss man sich leisten können. Neuwertige Mobile kosten 50000 Euro und mehr. Auch das Leihen eines mobilen Zuhauses ist kostspielig. Kein Wunder, dass jüngere Menschen alleine schon aus finanziellen Gründen auf Campingplätzen die Ausnahme sind. „Aber auch sie kommen mitunter auf den Geschmack“, sagt Molle.
Auch der Campingplatz an der Donau in Dillingen spürt in den vergangenen zwei bis drei Jahren, dass immer mehr Menschen mit Wohnmobil und Co. verreisen. „Es ist grundsätzlich mehr los und wir sind früher ausgebucht“, sagt Mitbetreiber Heinz Hihler. Die Hauptsaison beginne mittlerweile Ende Mai bis Anfang Juni – ein paar Wochen früher als noch vor einigen Jahren. Es komme immer wieder vor, dass die Betreiber zu bestimmten Zeiten Gäste abweisen müssen, weil alles voll ist. „Aber das ist wetterabhängig“, sagt Hihler. Ein Magnet sei der Donauradwanderweg. Der Platz beherberge unter anderem auch Radfahrer, die mit ihrem Zelt unterwegs sind. Die meisten Gäste kämen aus den Niederlanden und Deutschland. Ab und zu ist jemand aus Frankreich oder sogar Spanien da, sagt Hihler. Ende August werde das Gästeaufkommen schlagartig weniger. Ab Anfang Oktober treffe man nur noch die „harten Wintercamper“.
Der Trend zum Camping wird wohl so schnell nicht vergehen. Die „Babyboomer“-Generation geht nach und nach in Ruhestand – für viele der Zeitpunkt, um sich Wohnmobil oder -wagen anzuschaffen. Damit sie für die Zukunft gerüstet sind, wollen Christine und Marco Dußling ihren „Goldberg“-Campingplatz erweitern. Geplant sind neue Sanitäranlagen, eine Rezeption, ein Aufenthaltsraum sowie ein Grillplatz. Und eines möchten, bei aller Ruhe und Abgeschiedenheit, mittlerweile auch Camper: WLAN. „Das ist heutzutage Standard“, sagt Dußling.
Auch im Nachbarlandkreis Donau-Ries ist Camping ein Wachstumsmarkt. Der Platz in Wemding hat seine Übernachtungszahlen nach eigenen Angaben von 2017 bis 2018 um fast 40 Prozent steigern können, auf mehr als 10 000. Und das laufende Jahr hat den Wert aus 2018 bereits jetzt überschritten. Ähnlich gut läuft es auf dem Campingplatz in Eggelstetten.
Und was ist mit den Campern, die aus der Region kommen und ihren Urlaub woanders verbringen? Auch bei diesen tut sich einiges. Von 2011 bis heute ist die Zahl der Wohnmobile im Landkreis Dillingen um 86,7 Prozent gestiegen. Nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes sind hier im Moment rund 660 Ferienhäuser auf Rädern registriert.